Bildergalerie und Essay.
Vor rund dreihundert Jahren wanderten main- und oberfränkische Familien in die heutige Ukraine aus.

Fränkische Auswanderer im 18. Jahrhundert unterwegs - ein Denkmal erinnert in Großheubach, Landkreis Miltenberg, an die wirtschaftlich schwere Zeit und Aufbruchstimmung mancher Familien in eine neue Heimat. Foto Roland Schönmüller
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  • Fränkische Auswanderer im 18. Jahrhundert unterwegs - ein Denkmal erinnert in Großheubach, Landkreis Miltenberg, an die wirtschaftlich schwere Zeit und Aufbruchstimmung mancher Familien in eine neue Heimat. Foto Roland Schönmüller
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Ein Leben in krisengeschüttelten und kriegerischen Zeiten.
Die „Schönborn-Franken“ bleiben auch heute nicht vergessen.

MILTENBERG / GROSSHEUBACH.  Die Familiennamen Engelhard, Fiedler, Müller, Schneider, Wachter, Wich und Wunder gibt es noch heute in Franken.

Befänden wir uns aber im Raum Mukatschwo bei Oblast in der heutigen Ukraine in der Region Transkarpatien, rund 1200 Kilometer von uns entfernt, hätten wir eine Autofahrt von mindestens 14 Stunden hinter uns und würden vielleicht auf Nachfahren dieser Namen und auf Spuren einstiger Aussiedler aus unserer Heimat stoßen.

Anstatt Abenteuer war Aufbauarbeit gefragt.

Wie lässt sich das erklären ? Wir schreiben das Jahr 1733. Einem Aufruf des Bamberger und zugleich Würzburger Fürstbischofs Lothar Franz von Schönborn folgen mehrere Familien und Einzelpersonen aus Main- und Oberfranken.

Es sind nicht Abenteurer oder vom Fernweh getriebene Reisende, sondern sie werden als Holzfäller, Flößer und Handwerker gebraucht in den Karpaten.

Zum zeitgeschichtlichen Hintergrund.

Lothar Franz von Schönborn erhielt für seine Verdienste am Hofe Kaiser Karl VI. in Wien ein von den Türkenkriegen und Ungarnaufständen verwüstetes Land im damaligen Ober-Ungarn, das es zu besiedeln galt.

Der Kaiser, der den Aufstand des Magyaren-Fürsten Franz Rakoczy II. im Jahr 1711 niederschlug, beschlagnahmte dessen Ländereien rund um die Festung „Palanka“ mit der Stadt Munkatsch (Mukatchece) und schenkte sie Lothar Franz von Schönborn.

Der Kaiser dankt.

Dieser hatte das Regiment Schönborn aus Mainz und das Regiment Wolfskehl aus Würzburg an die ungarische Front beordert und beide Regimenter trugen entscheidend dazu bei, Fürst Franz von Rakoczy II. zu besiegen, was dem „treuen Gefolgsmann“ Lothar Franz von Schönborn fürstlich durch den Kaiser entlohnt wurde.

1727 erbte Friedrich Karl von Schönborn, Fürstbischof von Würzburg / Bamberg und Reichsvizekanzler von seinem Onkel, dem Mainzer Kurfürst Erzbischof Lothar Franz, dessen ungarische Besitzungen. Dieser wollte das vom Krieg zerstörte Land wieder kultivieren und warb mit verlockenderen Angeboten Aussiedler aus dem Frankenwald und aus der oberfränkischen Region.

Aus Wüsten werden kleine Paradiese.

In mehreren Kolonnen zogen auf fürstbischöflichem Geheiss ab 1731 main- und oberfränkische Bauern-und Handwerkerfamilien, unter anderem aus dem Hochstift Bamberg in das heutige ukrainische Transkarpatien, um dort das von Soldaten verwüstete Land des Fürstbischofs aufzubauen.

Es waren vor allem junge, allesamt fleißige und friedliebende Leute aus Franken, die über Regensburg, Passau, Wien und Budapest in die „Schönborn-Ländereien“ zogen.

Deutsche Sprache wird gepflegt.

Sie gründeten dort Dörfer mit deutschen Namen wie Pausching, Schönborn, Plankendorf, Mädchendorf und Sophiendorf. Bis heute pflegen die Nachkommen die deutsche Sprache und die fränkischen Traditionen.

Nach dem Ersten Weltkrieg kam die „Karpaten-Ukraine“ zur Tschechoslowakei, nach dem zweiten Weltkrieg zur Sowjetunion und seit 1989 ist die „Oblast Transkarpatien“ eine Verwaltungseinheit der Ukraine.

Solidarität durch Patenschaft und finanzielle Hilfen.

Diese ukrainische Verwaltungsregion hatte 2014 rund 1,26 Millionen Einwohner. Partnerschaften mit Deutschland bestehen seit 2001 auf verschiedenen Ebenen.

Heute ist in der aktuellen Kriegssituation Hilfe und Unterstützung für die Menschen in der Ukraine noch mehr gefragt.

Zu den angeworbenen Kolonisten zählten auch rund 60 Personen aus Hesselbach im Frankenwald. Ziel war das damalige ungarische, heutige ukrainische Stadt Munkács / Mukatschewo.

Hier leisteten sie als praktisch begabte Pioniere wertvolle Aufbauarbeit: man legte Sümpfe trocken, fällte Bäume, errichtete Häuser nach fränkischem Vorbild und gründet neue Siedlungen mit deutschen Ortsnamen.

Neue Heimat.

Gleichzeitig hatte man sich für das Bleiben fern der fränkischen Heimat entschieden. Vorbei waren die wirtschaftlichen Nöte. Etwas Wohlstand stellte sich ein: man profitierte von den Privilegien in der neuen Heimat. Gepflegt wurde in den nächsten Generationen weiterhin die deutsche Sprache und Kultur.

Einen Rückschlag gab es nach den Zweiten Weltkrieg: wie andere Aussiedler wurden auch manche Karpatendeutsche nach Sibirien und in fern gelegene sowjetische Gebiete verschleppt.

Nach einigen Jahren kamen die ohne Grund verschleppten Deutschen nach Mukatschewo zurück. Einige Familien traten den Exodus nach Westen, nach Deutschland, als Spätaussiedler an.

Unterstützung aus Deutschland.

Doch viele bleiben in der Ukraine. Im Rahmen eines Schüler-Austauschprojektes besuchten vor wenigen Jahren deutschstämmige Schülerinnen und Schüler dieser einstigen Schönborn-Franken aus der heutigen Ukraine den Frankenwald, beispielsweise Birnbaum und Marktrodach im Landkreis Kronach.

Regelmäßig gestaltete sich in den letzten Jahren auch der Gedankenaustausch von Vertretern der Deutschen Minderheit und dem Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten.

Man intensivierte die humanitäre Hilfe aus Deutschland und förderte traumatisierte Personen aus den umkämpften Gebieten im Osten der Ukraine.

Außerdem besuchten bundesdeutsche Delegationen verschiedene Kultur- und Begegnungszentren der Deutschen Minderheit in Transkarpatien.

Keine Ruhe gefunden.

Heute im Krisen- und Kriegsjahr 2022 dürften die Nachfahren der einstigen Südosteuropa-Auswanderer in Anbetracht der gegenwärtigen Kriegssituation wieder in Bewegung sein:

  • die Männer werden als Soldaten in Kriegshandlungen verwickelt sein.
  • Frauen und Kinder sind sicherlich auf der Flucht nach Moldawien, Ungarn, Rumänien und Deutschland.

Es sind aktuelle Bilder, die wir aus den Medien kennen: erschöpfte Menschen, die aus Zügen und Bussen steigen - in Berlin oder anderen deutschen Großstädten.

Die Nachfahren unserer fränkischen Siedler in der Ukraine kommen nicht zur Ruhe:
Krisen und Kriege, Flucht und existenzielle Not sind an der Tagesordnung.

Weitere Bilder und Informationen folgen!

Autor:

Roland Schönmüller aus Miltenberg

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