Bildergalerie und Essay
(Fast eine) Auflösung von Raum und Zeit !

Ursprünglich war es ein Garten des nahen Augustinerklosters und ein Rückzugsort für die Klosterschüler und angehenden Mönche, den Novizen, vor ihrem ewigen Gelübde. Sie beteten hier ihr Brevier, vertieften sich in Bibelstellen, lernten Latein, lauschten den Vögeln und dem Brunnen-Plätschern bis zum Abend und zur Rückkehr ins Kloster
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  • Ursprünglich war es ein Garten des nahen Augustinerklosters und ein Rückzugsort für die Klosterschüler und angehenden Mönche, den Novizen, vor ihrem ewigen Gelübde. Sie beteten hier ihr Brevier, vertieften sich in Bibelstellen, lernten Latein, lauschten den Vögeln und dem Brunnen-Plätschern bis zum Abend und zur Rückkehr ins Kloster
  • hochgeladen von Roland Schönmüller

Der Novizengarten in Münnerstadt:
„Tausend Jahre sind ihm (Gott) wie ein Tag“

Haben Sie - verehrte Leserin, verehrter Leser - eine Lieblingsgeschichte? Sicherlich!

Mein Favorit aus der eigenen Kindheit, entdeckt als
Zwölfjähriger in einem Lesebuch, ist die Geschichte vom Mönch im Kloster Heisterbach im Siebengebirge, erzählt von Wolfgang Müller (1816 - 1873) von Königswinter.

Im Mittelpunkt steht ein Ordensmann, der in einer freien Stunde seine Arbeitsstätte und die Klostermauern verlässt, sich an der Natur und der göttlichen Schöpfung erfreut und sich in seinem Brevier vertieft.

Eine markante Bibelstelle (2. Petrus 3,8) macht ihn nachdenklich und es kommen Zweifel: „“Und ihr sollt wissen, liebe Freunde, dass ein Tag für den Herrn wie tausend Jahre ist und tausend Jahre wie ein Tag.“

Tausend Jahre sind Ihm (Gott) wie ein Tag!“ “
„Was bedeutet das?“ – fragt er sich.

Die Stunden vergehen, es wird allmählich Abend. Der Mönch macht sich auf den Weg zurück ins Kloster.

Doch alles ist anders als vorher: der Pförtner ist jemand anders, im Kloster ist alles ungewohnt. Kein Mönch erkennt den Ordensmann wieder. Was ist geschehen! Träume ich? Ist es ein Alptraum?“ fragt er sich.

Wie endet die Geschichte? Hat sie ein glückliches Ende? Warten wir zur Auflösung noch ein wenig!

Reisen wir nach Münnerstadt in Unterfranken. Unweit vom Stadtzentrum am sogenannten Dicken Turm gibt es den Novizen-Garten, heute in privater Hand, dennoch tagsüber öffentlich zugänglich, bis vor wenigen Jahren verschlossen, kaum einsehbar durch Gebüsch und Mauerwerk.

Ursprünglich war es ein Garten des nahen Augustinerklosters und ein Rückzugsort für die Klosterschüler und angehenden Mönche, den Novizen, vor ihrem ewigen Gelübde. Sie beteten hier ihr Brevier, vertieften sich in Bibelstellen, lernten Latein, lauschten den Vögeln und dem Brunnen-Plätschern bis zum Abend und zur Rückkehr ins Kloster - vielleicht so wie unser Mönch von Heisterbach.

Heute ist der Novizengarten in Münnerstadt ein Geheimtipp für Ruhe-Suchende und Zeit-Reisende. Bänke laden zum Verweilen ein, altehrwürdige Steinzeugen - zum Beispiel ein fränkischer Bildstock, ein jüdischer Grabstein, eine Lourdes-Grotte - erinnern an einstige Jahrhunderte und berichten von der Glaubenswelt unserer Vorfahren.

Das aktuelle, wohltuende Sprudeln eines Brunnens holt uns wieder in den Alltag zurück.

Faszinierend sind auch die überall aufgestellten farbenprächtigen Figuren aus Holz, Metall, Glas sowie Keramik: sie erzählen in ausdrucksstarker Mimik, Gestik und Dynamik humorvolle Geschichten und regen die Phantasie der Betrachter an – es sind wohl Ergebnisse von Kreativ-Kursen junger und junggebliebener Künstlerinnen und Künstler.

Fazit: Einmalig ist dieser Novizengarten in Münnerstadt. Er hebt das Raum-Zeit- Gefühl auf und lässt wohl jeden Gast eintauchen in einen andere Welt - so wie der Mönch von Heisterbach aus dem Mittelalter.

P.S.: Wie ist es wohl dem Ordensmann nach der Rückkehr in die klösterliche Welt ergangen? Raten Sie mal selbst! Glücklich starb der Mönch mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht, als er erfahren hatte, dass inzwischen rund dreihundert Jahre vergangen waren und für ihn die besagte Bibelstelle aus dem zweiten Petrus-Brief verständlich wurde.

Seine Erkenntnis nach allem Zweifel: „Gott ist erhaben über Mensch und Zeit!“

Roland Schönmüller

Autor:

Roland Schönmüller aus Miltenberg

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