Corona
Chöre dürfen wieder proben! - Ohne Chorgesang und Musik fehlt ein Stück Lebensqualität - Kabinettsbeschluss von gestern beendet Probe-Pause zum 22. Juni!

Seit gestern ist abzusehen, wann Chöre – wie der Gesangverein Frohsinn Mömlingen auf diesem älteren Foto – wieder gemeinsam singen dürfen. | Foto: meine-news.de
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  • Seit gestern ist abzusehen, wann Chöre – wie der Gesangverein Frohsinn Mömlingen auf diesem älteren Foto – wieder gemeinsam singen dürfen.
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  • hochgeladen von Susanne Flicker

Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie Mitte März fanden keine Chorproben mehr statt. Das gemeinsame Singen und Proben war tabu, sogar in den Kirchen. Für viele brach dadurch ein Stück Lebensqualität weg: kein Singen, keine sozialen Kontakte, kein freundschaftliches Gespräch, die Abende wirkten länger als sonst. Das musikalische Hobby ist für viele Menschen eine Erholung vom Alltagsstress oder eine Abwechslung im Wochenablauf und tut Geist und Psyche gut.

Ist singen wirklich so gefährlich?

Alles wurde wieder gelockert, Gastronomie, Schwimmbäder und Freizeitparks dürfen wieder öffnen, sogar die Musiker können wieder proben – nur die Chöre nicht. Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege hatte beschlossen, ab dem 15. Juni eine eng begrenzte Wiederaufnahme des Theater- und Konzertbetriebs sowie weitere kulturelle Veranstaltungen unter Schutzauflagen zuzulassen.
Laienmusikgruppen durften seit dem 8. Juni wieder proben. Wegen der erhöhten Infektionsgefahr, die mit lautem Gesang verbunden ist, galt diese Ausnahme-Regelung nicht für Chöre und sonstige Gesangsgruppen. Seit Wochen bemühten sich die Vertreter des Bayerischen Sängerbundes e. V., des Chorverbandes Bayerisch-Schwaben e. V., des Fränkischen Sängerbundes e. V. und des Maintal Sängerbundes e. V. darum, dass auch die Laienchöre und sonstige Gesangsgruppen wieder mit dem Probenbetrieb beginnen können. Gestern wurde kurz vor Redaktionsschluss bekannt, dass der Chorgesang im Bereich der Laienmusik ab 22. Juni – mit einem entsprechenden Hygieneschutzkonzept – wieder zugelassen wird.

Virtuelle Proben können Präsenzproben nicht ersetzen

Einige Chorgruppen machten jedoch in der Corona-Zeit eine ganz neue Erfahrung: Es wurden virtuelle Chorproben abgehalten. Die Interviews fanden noch vor der neuen Regelung für Chöre statt.

Stephanie Thoma mit Aiden und Niklas (alle singen in der Chorvereinigung Großheubach)
„Wir vermissen den Gesang sehr. Für uns Erwachsene im Chor Acalanto war Zoom (ein Programm f. virtuelle Proben) eine gute Übergangslösung. So konnte man mit den anderen in Kontakt treten und auf eine neue Art und Weise miteinander – wenn auch ohne Ton – singen. Wir freuen uns aber darauf, wieder alle persönlich zu sehen und auf gemeinsame Auftritte hin zu proben, um auch anderen damit eine Freude bereiten zu können.“
  

Wolfram Ball, Gesangverein Sängerlust Laudenbach
„Ich vermisse die Chorgemeinschaft und das Singen. Mir fehlt in der momentanen Situation der persönliche Kontakt, dass man befreundete Sängerinnen und Sänger treffen und sich begrüßen kann – einfach die Freude, sich wiederzusehen, das ist nicht zu ersetzen. Wir proben jeden Freitag virtuell zu den gewohnten Probezeiten. Das hat einen gewissen Lerneffekt, aber das Merkmal, dass man zuhause alleine vor sich hin singt.
Der Chor ist nicht gemeinsam zu hören. Es geht allerdings nicht anders, da die Zeitverzögerung zu groß ist. Jeder Sänger hat einen anderen Abstand zum Mikrofon und je nach Raum klingen die Stimmen anders. Da harmoniert nichts zusammen. Dirigentin Miriam Möckl probt deshalb mit jeder Stimmlage (Sopran, Tenor, Bass, Alt) einzeln. Alle Mikrofone sind stummgeschaltet. Sie singt die jeweilige Stimme vor und jeder kann daheim mitsingen. Nach nun mittlerweile mehreren Proben ist das Lied bekannter, als wenn man frisch einsteigen würde, aber es ist kein Ersatz für eine Präsenzprobe. Ich freue mich darauf, wenn es wieder möglich ist, gemeinsam zu singen, die Menschen wieder zu treffen und zu sehen sowie die Lieder zusammen zu erarbeiten und vor allen Dingen den Chorklang zu hören – das ist der große Genuss dabei. Wichtig ist für mich auch der persönliche Kontakt und der Charakter des Umfeldes (Proberaum).“

Bernadette Eck, 2. Vorsitzende Gesangverein Sängerlust Laudenbach
„Die Chorprobe fehlt mir sehr, sie ist ja ein fester Bestandteil der Woche und strukturiert sie. Es ist einfach toll, Teil einer gewachsenen Gruppe zu sein und zur gleichen Zeit am gleichen Ort zu singen. Das schüttet Glückshormone aus. Auch der anschließende Schoppen nach der Chorprobe, der ja das soziale Miteinander fördert, fehlt natürlich. Wir hatten für Juli d. J. zwei wunderbare Konzerte in Laudenbach und Aschaffenburg mit einem befreundeten Chor geplant mit dem Titel ,Gospel meets Musical‘. Gerade nach unseren sehr erfolgreichen klassischen Konzerten im vergangenen Jahr wäre das ein Kontrastprogramm gewesen. Sehr schade, dass wir diese Konzerte absagen mussten. Aber vielleicht klappt das ja im Jahr 2021.
Online-Chorproben sind eine gute Alternative, aber ein Ersatz für eine Präsenzprobe ist es nicht, denn Chor ist ein ,Mannschaftssport‘. Zumindest haben wir durch Online-Proben die Möglichkeit, unsere Stimme regelmäßig zu trainieren.
Wenn die Chorproben wieder beginnen dürfen, wird das bestimmt eine große Freude, da bin ich mir ganz sicher. Umarmungen und Küsschen sind da normalerweise an der Tagesordnung. Da müssen wir uns aber wahrscheinlich zurückhalten.
Wir werden Vorkehrungen wegen Corona treffen müssen. Eventuell werden wir stimmweise proben, damit nicht zu viele Sänger/innen in einem Raum sind und wir den nötigen Abstand wahren können. Wir werden sehen. Ich freue mich darauf, wenn wir wieder zu einem Ziel, sprich einem Konzert, hinarbeiten und Stücke bis zur Perfektion ,ausfeilen‘“.

Christa Buchschmid (Weilbach), Chor „Canta Nova“, Kleinheubach
Unsere kreative Chorleiterin Gerlinde Bossert-Deckelmann hat jedoch eine Lösung gefunden. Sie macht sich zurzeit die Mühe, jede Chor-Stimme eines Liedes vorzusingen und dazu die Melodie auf ihrem Klavier zu spielen. Diese Aufnahmen sendet sie elektronisch an uns Chor-Mitglieder, damit wir daheim die Musikstücke üben können. Wer will, kann natürlich nicht nur seine eigene Stimme üben, sondern auch eine andere Stimmlage im Hintergrund dazu hören oder auch mitsingen.
Es macht uns viel Spaß und wir hoffen, dadurch unsere bereits in früheren Chor-Stunden eingeübten Lieder nicht zu verlernen. Wenn wir wieder mit den Chor-Proben beginnen dürfen, freue ich mich besonders darauf, mit den ,Canta Nova‘-Sängerinnen und -Sängern montags gemeinsam zu singen. In den letzten Chor-Proben vor Corona hatten wir angefangen, Lieder einzustudieren für den geplanten Auftritt zur Einweihung der neurenovierten Alten Schule in Kleinheubach. In diesen Räumen befindet sich unser Singstübchen.“

Horst Schüßler, 1. Vorsitzender, Gesangverein Frohsinn Mömlingen
„Die Frage, ob ich den Chorgesang vermisse, kann ich nur mit Ja beantworten, auch im Namen aller Sänger des Gesangvereins Frohsinn. Der Chorgesang ist auch für unsere Geselligkeit wichtig.
Wir möchten eine Chorgemeinschaft mit dem TV Männerchor Wenigumstadt bilden, um uns verstärkt auf die geplanten Auftritte im 2. Halbjahr vorbereiten zu können.
Wir freuen uns darauf, wenn wir letztendlich nach der langen Pause durch Corona wieder proben und singen dürfen und in der neuen Konstellation wieder mehr Spaß am Chorsingen haben.“

Daniel Bornfleth, Mitglied des Vorstands für den Da Capo-Chor Klingenberg
„Die Frage nach dem Vermissen des gemeinsamen Chorgesanges kann ich, und ich denke damit spreche ich für alle unsere Mitglieder, eindeutig mit JA beantworten. Wir singen aus Leidenschaft zur Musik, den Liedern und auch aus Freude an der Gemeinsamkeit des Musizierens zusammen. Für alle ist es seit Jahren das erste Mal, dass man aufgrund äußerer Umstände nicht zusammen singen kann und darf. Wir haben die Art des Probens natürlich umgestellt und auf die aktuelle Situation anpassen müssen. Da eine ,echte‘ Chorprobe aufgrund der Verzögerung in der Übertragung nicht möglich ist – sind wir auf stimmliche Einzelproben umgestiegen (heißt: jede Stimme für sich + unsere Chorleiterin Olga Bohn). Wir sind unserer Olga sehr dankbar für diese Möglichkeit, da es gerade für sie schon ein Mehraufwand ist, da nun 6 Stimmen einzeln geprobt werden. Man hört sich zwar nicht gegenseitig, sondern nur jeder die Chorleiterin, dennoch hat dies den Vorteil, dass jede Stimme für sich viel intensiver üben kann.
Um dennoch ein gemeinsames Chor­erlebnis zu haben, und um auch seine eigene Stimme mit jeder anderen zu üben, haben wir angefangen,
Lieder aufzunehmen. Dies gestaltet sich so, dass jede Stimme im gleichen Takt eingesungen wird und dann mit einem Musik-Programm die ganzen Stimmen übereinandergelegt werden. So hat jeder die Möglichkeit, daheim ein kleines ,Da Capo-Chorerlebnis‘ zu haben.
Wir freuen uns, hoffentlich bald wieder gemeinsam singen zu dürfen. Ein Chor lebt bekanntlich vom gemeinsamen Singen und auch von Auftritten, die leider im Moment auch entfallen. Die Mimiken und Gestiken der Mitsängerinnen und Mitsänger zu sehen und die Stimmvielfalt zu erleben. Natürlich auch von einem sozialen Miteinander vor und nach den Proben.
Nicht zu vergessen ist auch der finanzielle Aspekt von Vereinen, grad von kleineren wie unseren, in dieser Zeit. Da die Auftritte wegfallen, fehlen auch Einnahmen durch Auftritte, die neben Mitgliedsbeiträgen und Spenden, einen Verein wie den Da Capo am Leben erhalten. Je nachdem, wann Proben wieder aufgenommen werden können, können Auftritte erst in 2021 wieder stattfinden, da das Repertoire erst wieder eingeübt und gefestigt werden muss (eine stimmliche Einzelprobe ist
besser als nichts, kann aber nicht eine gemeinsame Probe ersetzen). Wir hoffen, dass unser Verein, und selbstverständlich auch andere
befreundete und unbekannte Vereine, die Krise gut überstehen.
Dennoch bin ich persönlich optimistisch, wie auch immer es geartet sein mag, an Weihnachten als Chor den Mitmenschen gesanglich eine Freude zu bereiten.“

MSB-Präsident Hermann Arnold
„Für die vier Chorverbände im Freistaat Bayern ist es wichtig, dass sie endlich wieder gemeinsam singen und ihre wichtige soziale und kulturelle Arbeit aufnehmen können. Ausgehend von meinen (alten) Kenntnissen über Akustik und Stimmphysiologie habe ich in diversen Gesprächsrunden im Bayerischen Musikrat (BMR) und dem Wissenschaftsministerium (StmWK) darauf hingewiesen, dass offensichtlich falsche Vorstellungen über die Atemtechnik bei Sängern vorliegen könnten und habe das u. a. am Beispiel mit der brennenden Kerze beim Singen in 30 cm Abstand erläutert.
Die Flamme der Kerze darf sich beim Singen nicht bewegen, schließlich soll ja nicht die Kerze ausgeblasen werden, sondern die Stimmlippen in Bewegung geraten. Inzwischen liegen auch Erkenntnisse vor, dass die weit verbreitete Ansicht falsch ist, dass Sänger beim Singen Tröpfchen bis zu sechs Meter weit verbreiten können. Die Hochschule für Musik in Freiburg hat dies wissenschaftlich bewiesen, indem sie den Kerzen-Versuch nachgestellt hat. Die Uni sagt ganz klar, ,dass durch das Singen hinsichtlich einer Tröpfchen-Übertragung bei Einhaltung eines Abstandes von zwei Metern kein erhöhtes Risiko besteht‘. Die Begründung des Gesundheitsministeriums, von ‚lautem Gesang‘ gehe eine erhöhte Infektionsgefahr aus, ist ohne jede Bezugnahme auf entsprechende wissenschaftliche Erkenntnisse, zumal die Bezeichnung ‚laut‘ völlig undifferenziert ist (lacht und empfiehlt: ‚summt halt leise‘).
Wenn der Probenbetrieb und das damit verbundene Vereinsleben nicht bald wieder aufgenommen werden kann, besteht die Gefahr, dass die in Franken so blühende Chorszene dauerhaft Schaden nimmt, wenn vielen Sängerinnen und Sängern Lebensqualität genommen wird oder eventuell auch Chorleiter nicht mehr zur Verfügung stehen. Mit einem fortwährenden Probeverbot steht eine fast zweihundertjährige Kultur-Tradition auf dem Spiel.“

Autor:

Susanne Flicker aus Miltenberg

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