Essay
Luzia (13. 12.) - Heilige oder Schicksalfrau?
„Sankt Luzia kürzt den Tag, bringt neuen Schnee und klirrende Kälte“
Leuchtender Kerzen-Kranz, Leckereien und Lichterschwemmen am 13. Dezember
Lussi, Lucienbraut, Lichterfreude
Der 13. Dezember ist der Tag der heiligen Lucia, einer besonderen, beliebten Lichtgestalt im kalten Winter und leuchtenden Vorbotin der Weihnachtszeit.
Verehrt wird die populäre Märtyrerin und weiße Gabenbringerin schon seit dem vierten Jahrhundert.
Ihr Lichterpatronat geht auf die Legende zurück, die berichtet, dass Lucia aus dem sizilianischen Syrakus verbrannt werden sollte, als sie sich weigerte, einen heidnischen Mann zum Gatten zu nehmen.
Die Flammen konnten ihr jedoch nichts anhaben. Sie starb als Märtyrerin während der Christenverfolgung durch Enthauptung.
Darauf verweisen ihre Attribute in der bildenden Kunst: Kerze, Fackel, Lampe, Kreuz, Buch, Dolch und Schwert sind ihre typischen Erkennungszeichen.
Besondere Verehrung erfährt die heilige Lucia noch heute nicht nur in nordeuropäischen Ländern wie Schweden, sondern auch in Italien, auf dem Balkan und in Indien - einst (vor Corona) mit prächtigen Prozessionen und Volksfesten.
Lucia - die Leuchtende und Lichtbringende
Auch in Deutschland gab es am 13. Dezember Umzüge und andere Bräuche mit der „Luzienbraut“ in ihrem schneeweißen Gewand und einem - den Kopf bekrönten - illuminierten Kerzen-Kranz.
Der Sinn dahinter: Bald kommt die Wintersonnenwende, die Tage werden wieder länger und das Ende der kalten Jahreszeit wird sehnsüchtig erwartet. Sankt Lucia symbolisiert so als Lichtgestalt bereits den künftigen Wechsel und die Wende hin zu Wärme und Licht.
An fränkischen und bayerischen fließenden Gewässern gab es bis vor dem Pandemie-Jahr rund um den 13. Dezember das Lichterschwemmen, einen besonders schönen Lucienbrauch.
Das waren kleine hölzerne Nachbildungen von privaten und öffentlichen Gebäuden, die gesegnet als kleine Modellschiffchen mit angezündeten Kerzen ins Wasser geschickt wurden.
Langsam verschwanden sie in der Dunkelheit - gleichsam als Zeichen des menschlichen Unterwegsein und Lebens, als Symbol der Vergänglichkeit und des Abschieds sowie als Erinnerung an einstige Unwetter, Überschwemmungen und Hochwasser-Zeiten.
Inhaltliche Parallelen zur heiligen Lucia gibt es im Volksglauben zur germanischen Lichtgestalt Perchta (die Glänzende) oder Bertha, die mit ihrem Gefolge hörbar durch die winterlichen Nächte zieht.
In Schweden sind es zwei „Lussi“ -das sind Ziegengestalten mit je einer Garbe um den Hals und roten Mützen auf dem Kopf.
In den Alpenländern ist Lucia das Pendant zum heiligen Nikolaus. Als Gegenstück gilt sie bedeutend mehr gefürchtet als der gabenbringende, auch mahnende Bischof.
In deutschen Mittelgebirgen erschien bei unseren Altvorderen in dieser Zeit ein weiß gekleidetes Mädchen mit Brautkrone und Lebensrute auf einem weißen Weihnachtsesel.
Nicht nur am Barbaratag, auch am Luciatag wurden Kirschzweige geschnitten und ins lauwarme Wasser gesteckt. Sie sollten an Weihnachten aufblühen.
Lucienweizen wurde in flache Tonschalen gesät, die immer feucht gehalten wurden.
Lucia-Linsen keimen und treiben in Suppentellern mit Wasser oder feuchter Watte. Diese frischen „Weihnachtsfelder“ wurden dann in manche Krippenlandschaft einbezogen und stellten symbolisch die wiedererwachende Natur dar.
Das gilt auch für die sogenannten Luciensträuße: frisch gepflückte Beerensträucher (vor allem Sanddorn, Schnee-und Vogelbeeren), die als Hoffnungszeichen verschenkt wurden und bis zum Dreikönigstag in der Vase lieben.
Bauernregeln:
Der 13. Dezember war ein beliebter Lostag. Unsere Vorfahren kleideten die Lichtheilige Luzia in vielerlei Bauernregeln. An ihrem Gedenktag kommt sie oft mit Neuschnee und klirrender Kälte.
„Luzia im Lichterkleid bringt den Schnee zur Weihnachtszeit.“
„Ab Luzia werden die Tage länger und der Winter strenger.“
„Sankt Luzia kürzt den Tag, soviel sie ihn nur kürzen mag.“
„Von Luzzi bis zur Heiligen Nacht - der Tag sich um einen Hahnenschrei größer macht.“
„Sendet der Mond an Sankt Luzientag Licht, kommt Weihnachten mit Schnee im Gesicht!“
Kalenderreform:
Im Mittelalter, ehe Gregor XIII. den neuen Kalender einführte ( 1582), galt der Luzia-Tag als der kürzeste im Jahr. So hieß es noch im 19. Jahrhundert bei uns: „Sankt Lutzen macht den Tag stutzen“.
Heilige oder Dämonin?
Das Lucien-Brauchtum steht mancherorts im Gegensatz zwischen positiver und negativer Gestalt, zwischen Verehrung einer Heiligen und der Furcht vor einer Dämonin oder Hexe. Es bestanden ambivalente Gefühle.
Mit Gebeten und Räuchern in Haus und Stall versuchte man die vorweihnachtliche Schreckgestalt, die „Butzenbercht“ und den Kinderschreck zu besänftigen oder gar zu vertreiben. Außerdem herrschte am 13. Dezember Spinnverbot, denn sonst würde in der Nacht Spindel, Faden und Garn zerstört - erzählen alte Überlieferungen.
Wohlgesonnen ist dagegen die „Lutzelfrau“ oder „Pudlefrau“, die Leckereien für die Kinder zur Tür herumwirft. Oder: speziell die Mädchen wie Nikolaus mit Obst beschenkt.
Kirchliches Vorbild oder Schicksalsfrau?
Lucia bleibt in der volkskundlichen Forschung im Spannungsfeld als „Lucia - die Helle“ eine kirchliche Heilige und als „Lucia - die Dunkle“ als heidnisch- mythische Schicksalsfrau an der Jahreswende.
Das Lucia-Brauchtum war früher in Deutschland früher weiter verbreitet, Zeugnisse gibt es gegenwärtig noch im wallonischen Belgien und vor allem in Schweden.
Dort geht die „Lussibrud“ von Hof zu Hof. Auf dem Haupt trägt sie eine Lichterkrone und bringt einen Trunk für die Männer. Eine Luziahochzeit muss mit reichlich Bier, Fleisch und Brot gefeiert werden, dann gerät die nächste Ernte.
Doch das war einmal! In der jetzigen Corona-Pandemie sind Zusammenkünfte und Festivitäten auf wenige Personen beschränkt. Und die Lust auf Feiern und Geselligkeit verschiebt man in die Zukunft. Das Lucienbrauchtum ist Geschichte.
WEITERE BILDER UND INFORMATIONEN FOLGEN!
Autor:Roland Schönmüller aus Miltenberg |
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