Auszeit nach dem Abi oder nicht ?

Nina Sauerwein (17), Mönchberg,
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Abitur – was dann?

Die Zeit rast und vergeht wie im Flug. Noch ein halbes Jahr ist es bis zu den ersten Abitur-Prüfungen 2016. Die Monate werden für die Gymnasiasten schnell vergehen.

Dann beginnt die Zeit der Entscheidungen. Was soll ich wo studieren? Gehe ich gleich an die Uni oder mache ich erst mal eine große Reise? Oder ist eine Lehre solider?

Das sind Überlegungen der jetzt Sechzehn- und Achtzehnjährigen, nicht nur zwischen Kirchzell und Niedernberg, Mömlingen und Faulbach.

Solche Reflexionen hat Sebastian Schlegel aus Eichenbühl-Heppdiel (20) vor zwei Jahren angestellt. Jetzt strahlt er. Sein Lebensweg läuft plangemäß.

Er hat im Juli 2013 das Abitur in Miltenberg absolviert, gönnte sich dann eine fast einjährige Auszeit in Neuseeland und studiert jetzt in München Wirtschaftsingenieurwesen.

Rechtzeitig vor dem dritten Semester-Start ist er aus einem sonnigen Urlaub zurückgekehrt.

Jetzt muss er sich bald auf Vorlesungen, Seminare und Klausuren im neuen Wintersemester konzentrieren.

An Neuseeland denkt er gerne zurück und davon zehrt er jetzt noch. Viele Fotos belegen seine positiven Eindrücke und Erfahrungen dort. Sie sind auch der Antrieb, das achtsemestrige Studium durchzuziehen.

Wenn’s klappt, möchte er beruflich dann wieder zurück in die Rhein-Main-Region, worüber sich vor allem seine Eltern freuen würden.

Dies ist ein Beispiel von vielen Abiturienten aus dem Miltenberger Landkreis, die nach der Schule nicht gleich studieren wollen, sondern eine Auszeit brauchen und dann meist gestärkt den nächsten Lebensabschnitt in Angriff nehmen.

Sebastian Schlegel kennt ehemalige Mitschülerinnen und Mitschüler, die mit 18 Jahren auch erst einmal was anderes machen wollten.

Der Schul-Stress, die wenige Freizeit, schließlich Fernweh, vor allem die Suche nach dem richtigen Studienfach und späteren Beruf – das waren nicht nur für Sebastian - bedeutsame Beweggründe für eine alternative Lebensgestaltung – wenigstens für ein Jahr.

Qual der Wahl

Bundesweit gibt es an deutschen Hochschulen rund
18 200 Studiengänge (Stand September 2015) – so viel wie noch nie. Im Wintersemester 2007 / 08 waren es nur 11 300.

Die Studienwahl ist somit für viele angehende Studenten schwieriger und zugleich oberflächlicher geworden.

„Die Abiturienten haben tausend Studiengänge zur Verfügung und denken, sie müssten sich möglichst über alle informieren und dann die optimale Kombination für sich zusammenstellen. Sie wollen ihr Studium wählen wie einen Kaffee bei Starbucks“, berichtet Elisabeth Kummert, Studienberaterin an der Goethe-Universität Frankfurt.

Einerseits überfordert die große Auswahl viele Abiturienten, anderseits gibt es Unsicherheit, Angst vor dem Scheitern und ein großes Zeitdruck-Gefühl, einen geradlinigen Weg vom Abitur über das Studium zum tollen Beruf zu finden.

Ein Studium kostet immer Kraft, selbst wenn es einen interessiert. Man bekommt die Themen nicht in leicht verdaulichen Häppchen präsentiert. Man muss sich durchbeißen, wird an Grenzen stoßen, aber das ist etwas Gutes. Scheitern gehört zum Studium dazu“ – erzählt Studienberaterin Kummert.

Deswegen sind persönliche Erprobungsphasen in Erstsemestern an der Uni und wohl auch schon vorher wichtig. Junge Menschen müssen nach der anstrengenden Schulzeit herausfinden: >>Wie sehe ich mich? Womit möchte ich meine Zeit verbringen?

anfangen, über sich selbst nachzudenken“.

Das klappt vielleicht in anderen Betätigungsfeldern.

Auf der Suche nach beruflichen Perspektiven kommen jedem Abiturienten zunächst zwei Möglichkeiten in den Sinn: Studium oder Ausbildung?

Ist man jedoch noch unentschlossen, gilt für viele Schulabgänger die Option „Auszeit nach dem Abi“. Auch hier bieten sich zahlreiche Alternativen an: ein Freiwilliges soziales Jahr, Engagement für die Umwelt oder auch ein Praktikum. Auch für diejenigen, die nach dem Abitur ins Ausland ziehen, stehen viele Wege offen.

Wenn es jemand in die große weite Welt zieht, jemand fremde Länder sowie Sprachen und Kulturen kennen lernen will und man sein persönliches Auslands-Abenteuer erleben möchte, kann ein Auslandsaufenthalt eine tolle Chance zur Persönlichkeitsentwicklung sein.

Für viele junge Menschen ist es genau das Richtige, bei einem Schüleraustausch oder eben nach dem Abi erstmal etwas ganz anderes zu tun und auch sich selbst besser kennenzulernen.

Eine sehr beliebte Entscheidung ist Work & Travel. Besonders gefragte Länder sind Australien und Neuseeland, außerdem ist Kanada zur Zeit im Kommen.

In allen drei Ländern kann man als deutscher Staatsbürger das sogenannte Working-Holiday-Visum beantragen und dort damit bis zu einem Jahr umherreisen und jobben.

Durch Gelegenheitsarbeiten kann man sich den Aufenthalt vor Ort finanzieren und es lassen sich mit Hilfe von Einheimischen auch schöne Plätze in der Umgebung entdecken.

Beliebte Jobs
sind beispielsweise Farmhelfer, Hilfskraft in der Gastronomie, Babysitting oder Hotel-Arbeitskräfte.

Bei einem solchen Auslandsaufenthalt sammelt man als junger Mensch neue und einzigartige Erfahrungen. Man lernt andere Menschen samt Tradition, Kultur und Alltag kennen.

Man verbessert seine Sprachkenntnisse. Oft schließen Jugendliche Freundschaften für das Leben. Man sieht viele schöne Plätze und Orte.

„Ferner“ - so Sebastian Schlegel – „kommst du in fremden oder ungewohnten Situationen besser zurecht, entwickelst Eigen-Initiative, wirst selbstständiger und selbstbewusster!“

Das seien alles Kriterien, auf die viele künftige Arbeitgeber Wert legen. „Außerdem hast Du - so der zwanzigjährige Heppdieler und Wahl-Münchner - eine bleibende Erinnerung an dein Auslands-Abenteuer!

Auslandsjahr: Positive Erfahrungen in Neuseeland

Interview 1: Sebastian Schlegel (20), Eichenbühl-Heppdiel

„Nach dem Abitur in Miltenberg im Juli 2013 habe ich erst einmal für einige Wochen ein freiwilliges Betriebspraktikum bei der Fripa absolviert.
Anschließend ging es für ein Dreivierteljahr nach Neuseeland, um Land und Leute kennenzulernen.
„Work and travel“ war dort meine Devise. Gearbeitet habe ich zwischenzeitlich auf verschiedenen Schaf- und Rinderzuchts-Farmen, wo ich dafür kostenlos Unterkunft und Verpflegung erhielt.
Überall traf ich auf freundliche, hilfsbereite Menschen. Das Land selber entdeckte ich zu Fuß, per Trampen mit Aufenthalten in Jugendherbergen oder beim freien Campen.
Meine Eltern waren anfangs von meiner Auszeit-Idee gar nicht begeistert. Gegen Ende meines Aufenthaltes konnte ich sie sogar begeistern, mich für zwei Wochen im Kiwi-Land zu besuchen.

In wenigen Wochen startet mein drittes Semester in München, wo ich Wirtschaftsingenieurswesen studiere. Für mich war die Zeit in Neuseeland kein verlorenes Dreiviertel-Jahr, sondern hier habe ich nachhaltige positive Erfahrungen gemacht, die nicht nur für meinen jetzigen Lebensabschnitt von großer Bedeutung sind.

Mir hat der Abstand wirklich gut getan und ich weiß jetzt, was ich werden will. “


Als Cowgirl in die USA

Interview 2: Frieda Leers (16), Miltenberg.

Ich besuche die elfte Klasse am Miltenberger Johannes-Butzbach-Gymnasium.
Mein Lieblingsfach ist Chemie. Wie es nach dem Abitur weitergehen soll, weiß ich noch nicht so recht.

Ich favorisiere Lebenstechnologie. Auch den Beruf der Polizistin fände ich sehr erstrebenswert.

Eines weiß ich jetzt schon sicher: nach dem Abi geht’s für ein Jahr in die USA: nicht zum Studium, sondern wohl eher auf eine Pferde-Farm.

Warum? Weil ich seit frühester Kindheit reite und den Pferde-Sport leidenschaftlich gerne mag!“

Ausgleich durch Klavierspiel und Tennis

Interview 3: Tobias Peichl (18), Mönchberg:

„Das Abi liegt seit einigen Monaten hinter mir. Absolviert habe ich das am HSG in Erlenbach und dann anschließend ein sechswöchiges Praktikum in Aschaffenburg in der Maschinenbau-Branche gemacht.

In wenigen Tagen beginnt mein Studium an der Technischen Universität in Darmstadt. Mathematik und Physik waren schon immer meine Lieblingsfächer, deshalb strebe ich ein naturwissenschaftliches Studium an, das wohl mit Bachelor und Master fünf Jahre dauern dürfte.

Manche Mitschülerinnen und Mitschüler von mir nehmen sich erst einmal nach dem Turbo-Abitur eine einjährige Auszeit in Kanada, Australien oder Neuseeland.

Ich sehe für mich hierzu noch keinen Bedarf. Einen gewissen Ausgleich vom Alltags-Stress empfinde ich ohnehin durch meine Hobbys Tennis und Klavier. Letzteres spiele ich schon meinem fünften Lebensjahr.“

Zwei statt eins: Theorie und Praxis mit einem dualen Studium

Interview 4: Nina Sauerwein (17), Mönchberg:

„Seit September besuche ich die zwölfte Klasse am Julius-Echter-Gymnasium in Elsenfeld. Meine Lieblingsfächer sind Französisch und Sport. In meiner Freizeit spiele ich gerne Tennis und Klavier. Nach dem Abitur werde ich mir wohl keine Auszeit gönnen, sondern gleich mit einem dualen Studium starten. Ich denke dabei an die Fächerkombination Betriebswirtschaftslehre und Gesundheitsmanagement.
Eine Krankenkasse bietet dazu ein interessantes Studien-Paket an. Beim dualen Studium lernt man an zwei Orten – an der Hochschule die Theorie, in einem Unternehmen die Praxis. Das ist für alle, die gern praktisch denken, eine sichere Finanzierung für das Studium suchen, schnell ins Berufleben einsteigen wollen und sich mehr für die Anwendung von Wissen interessieren als für die Wissenschaft genau das Richtige.
Zuvor muss ich mir das aber noch reiflich überlegen. “

Wo wollst du hin?

Fragt man deutsche Jugendliche heute - im Jahr 2015 - , wo sie sich am liebsten bewerben würden, hört man erstaunliche Antworten:

„Polizei, Bundeswehr, BMW, Porsche und Lufthansa“ –
so das Resultat des aktuellen Tredence – Schülerbarometers, wo seit 2006 regelmäßig Tausende von Schüler der Klassen 7 bis 13 befragt werden. Warum?

Die großen Industriebetriebe und insbesondere der Staat gelten als feste Garanten der beruflichen Sicherheit.

Übrigens: Gut ein Drittel der Schüler würde für einen Job später umziehen. Mobiler sind dabei die Mädchen (42 %) gegenüber den Jungens (31%).

Außerdem: Die grösste Berufswahl-Hilfe leisten die Eltern (75 &). Gefolgt von Freunden (40 %) und Lehrer (25 %). Auf dem letzten Rang (15 %) rangieren die Berufsberater.

Vielseitige Recherchen:

Berufliche Informationen erhalten die meisten Schüler vom Internet, von Suchmaschinen, vor allem Google, und von Firmen-Websites, außerdem von der Berufsberatung, durch Praktika, Broschüren, Ausbildungsmessen, Tage der offenen Hochschultür und durch ein Schnupperstudium.

Nur sieben Prozent der befragten Jugendlichen haben sich zum Thema Beruf und Karriere noch nicht informiert.

Vielleicht ist es die Gruppe , die immer noch wie früher von einem Leben als Prinzessin oder als Rennfahrer träumen.

Autor:

Roland Schönmüller aus Miltenberg

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