Gewalt gegen Frauen – hinsehen und helfen
Mehr Aufmerksamkeit für Frauenrechte – Internationaler Frauentag
Am 8. März ist Internationaler Frauentag, an dem durch verschiedene Aktionen und Demonstrationen auf Frauenrechte und Gleichberechtigung unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe, Religion oder Herkunft aufmerksam gemacht werden soll.
Sicherheit und Selbstbestimmung feiern Erfolge
In den letzten 112 Jahren, seit es den Weltfrauentag gibt, wurde viel erreicht. Durch ihren Einsatz für Gleichstellung haben Frauen in Politik und (Pop-) Kultur große Veränderungen herbeigeführt: In den 20ern sind es kurze Haare auf Frauenköpfen, in den 30ern Hosenanzüge, in den 50ern dürfen Frauen ohne die Genehmigung ihres Mannes Autofahren und in den 60ern ein eigenes Bankkonto eröffnen. In den 70er-Jahren kommen feministische Lehre und Forschung an die Unis, es eröffnet das erste Haus für geschlagene Frauen und für Vergewaltigungsopfer wird ein Notruf eingerichtet. In den 80ern wird das erste Bundesfrauenministerium gegründet und im Bundestag wird ein Gesetz zur Gleichbehandlung am Arbeitsplatz verabschiedet. 1997 wird Vergewaltigung in der Ehe endlich als Straftat geahndet und 2001 findet der erste Girls-Day in Deutschland statt. Zu Beginn des neuen Jahrtausends entfacht die Diskussion um Frauen in Führungspositionen neu und Debatten über Alltagssexismus werden geführt. Seit 2019 wird um den Frauenanteil im Bundestag diskutiert. 2020 sind Menstruationsartikel kein Luxus mehr, die Mehrwertsteuer darauf sinkt.
Gewalt ist für viele Frauen Alltag
Auch wenn der Internationale Frauentag bereits seit mehr als 100 Jahren einen wichtigen Tag in der Geschichte der Frauenrechte darstellt, so ist der Kampf für gleiche Chancen, gleiche Löhne, für faire Arbeitsbedingungen und ausreichende Gesundheitsversorgung sowie für gewaltfreie Beziehungen weltweit noch lange nicht zu Ende. Immer noch werden Frauen und Mädchen viel zu häufig Opfer von Gewalt. Auch in Deutschland ist Gewalt gegen Frauen weit verbreitet und leider alltäglich. Sie betrifft Frauen aus jeder Altersklasse und aus allen sozialen Schichten. Eine Auswertung des Bundeskriminalamts zeigt, dass es 2022 mehr als 143.000 Opfer von häuslicher Gewalt gab, bei 80 Prozent der Betroffenen handelt es sich um Frauen. Die Zahlen dieser Auswertung stellen allerdings nur die angezeigten Fälle dar. Sie dürften folglich weit höher liegen.
Gewalt hat viele Gesichter
Die Art der Gewalt gegen Frauen reicht von Bedrohung, Stalking, Isolierung, Nötigung, psychischer sowie digitaler Gewalt und verbaler Herabwürdigung über vorsätzliche einfache Körperverletzung und gefährliche Körperverletzung bis hin zu Vergewaltigung, Mord und Totschlag. Immer noch jeden dritten Tag geschieht allein in Deutschland ein sogenannter Femizid, ein Mord an Frauen aufgrund ihres Geschlechts. Einzelne Ursachen, warum Männer Gewalt gegen Frauen ausüben, gibt es nicht. Vielmehr spielen individuell-persönliche, soziale und gesellschaftliche Bedingungen eine Rolle. Aus Scham, fehlendem Vertrauen in staatliche Institutionen, aus Angst vor weiterer Gewalt oder vor den Konsequenzen einer Trennung und manchmal auch aufgrund ihrer Erziehung gehen viele der weiblichen Opfer weder zur Polizei, noch suchen sie sich Hilfe in einer anderen Einrichtung. Diese Tatsache nutzen Täter für sich und schüchtern Betroffene häufig weiter ein. Umso wichtiger ist es für die Frauen zu wissen: Es gibt Hilfe! Ob alleinerziehend, ohne eigenes Einkommen, ohne festen Job, ohne Ausbildung oder Familie im Hintergrund – es lassen sich Wege finden, sich aus einer gewaltvollen Beziehung zu befreien!
Hilfe aufsuchen
Wer Opfer von häuslicher Gewalt wird, braucht Unterstützung! Das kann zunächst eine Beratung über verschiedene Schutzmaßnahmen sein. Fachberatungsstellen, Frauenhäuser sowie das bundesweite Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen sind hierfür geeignete Anlaufstellen. „Man kann sich auch völlig anonym und unverbindlich an uns wenden oder die Onlineberatung nutzen“, sagt Dipl.-Sozialpädagogin Susanne Knörzer, Leiterin von SEFRA e. V., Notruf und Fachberatungsstelle für Frauen. Die Polizei bietet zudem in akuten Gefahrensituationen Hilfe. „Sie kann den gewalttätigen Mann aus der Wohnung verweisen und kurzzeitig in Gewahrsam nehmen“, erklärt Susanne Knörzer. Ein polizeiliches Kontaktverbot sowie ein Platzverweis können in der Regel für 14 Tage ausgesprochen werden. Innerhalb dieser Zeit haben die Frauen die Möglichkeit, ein gerichtliches Kontaktverbot oder andere Maßnahmen in die Wege zu leiten.
Schweigen brechen
Wer den Schritt zu Beratungseinrichtungen noch nicht wagt, der erfährt auch erste Erleichterung, wenn er sich Personen im Umfeld anvertraut. „Das Wichtige ist, das Schweigen zu brechen“, so die Sozialpädagogin. Die Fachberatungsstelle von SEFRA ist für den Landkreis Aschaffenburg, die Stadt Aschaffenburg sowie den Landkreis Miltenberg zuständig. Die Beratung geschieht in einem geschützten Rahmen, wo Frauen sich untereinander nicht begegnen.
Individuelle Begleitung für Frauen
Susanne Knörzer und ihre Kolleginnen begleiten Frauen auf ihrem individuellen Weg heraus aus gewaltvollen Beziehungen, solange diese es brauchen oder wünschen. „Wenn eine Frau zu uns kommt, hören wir ihr zu, in welcher Situation die Frau sich befindet und wie gefährdet sie ist“, beschreibt Frau Knörzer die ersten Schritte der Beratung. „Je nachdem, wie akut die Situation ist, besprechen wir, was die Frau tun kann, um sich und die Kinder zu schützen. Kann die Frau zum Beispiel zu Familie oder Nachbarn flüchten, kann sie die Polizei rufen oder braucht sie einen Platz in einem Frauenhaus? Wir überlegen auch, ob Vereinbarungen mit Nachbarn hilfreich sind, wie z. B. bei ständigem Lärm oder einem bestimmten Code-Wort, das per Nachricht versendet wird, die Polizei zu rufen. Wir informieren die Frauen ausführlich zum Gewaltschutz mit der Möglichkeit, in der Wohnung bleiben zu können, raten, Verletzungen dokumentieren zu lassen und besprechen, welche Dokumente und persönlichen Sachen sie bereithalten soll, falls sie flüchten muss. Von Fall zu Fall gilt es, gemeinsam mit der Frau nach Lösungen zu suchen und weitere Hilfe in Anspruch zu nehmen z. B. Jugendamt, Erziehungsberatung oder Rechtsberatung.
Aber es gibt auch Frauen, die kommen zu uns und wollen sich zunächst nur informieren. Viele wollen, dass die Gewalt beendet wird. Gemeinsam schauen wir, ob das realistisch möglich ist. Wir erklären den Frauen, wie Polizei und Jugendamt vorgehen und welche finanziellen Hilfen sie erhalten können. So bauen wir Hürden zum Hilfesystem ab und beseitigen Fehlinformationen, mit denen sie vom Partner unter Druck gesetzt werden. Wir begleiten die Frauen in ihrem Prozess der Entscheidungsfindung und reflektieren mit ihnen mögliche Konsequenzen einzelner Schritte. Und ganz wichtig: Wir bauen keinen zusätzlichen Druck auf, denn Druck lastet auf den Frauen durch die Gewaltsituation bereits genug.“
Stabilisieren, ermutigen, stärken
„Die Frauen wissen, dass wir sie begleiten – unabhängig von einer Trennung oder auch über eine Trennung hinaus. Zum Beispiel bedeutet eine räumliche Trennung nicht gleichzeitig auch eine emotionale Trennung vom gewalttätigen Partner“, erklärt Susanne Knörzer weiter. „Wir machen die Frauen immer wieder darauf aufmerksam, was sie auf ihrem Weg bereits geschafft haben. Wir ermutigen und unterstützen sie darin, ihren Weg zu finden, indem wir sie bestärken, ihre Ressourcen wieder wachzurufen. Und wir suchen mit den Frauen nach Unterstützer*innen innerhalb ihres Umfeldes, z. B. eine Freundin, die Nachbarin oder Familienangehörige, die den Frauen den Rücken stärken können.“
Hinsehen und helfen!
Wenn der Verdacht besteht, dass eine Frau Gewalt erfährt, sollte genauer hingeschaut werden. Susanne Knörzer rät, die Betroffene alleine anzusprechen, zuzuhören und Hilfe im Rahmen der eigenen Möglichkeiten anzubieten. „Ermutigen ja, Druck ausüben nein“, so Knörzer klar. Niemals sollte der gewalttätige Mann direkt konfrontiert werden, das führe schnell zur Eskalation, erklärt die Leiterin der Beratungsstelle. „Wir beraten deshalb auch Personen im Umfeld, wenn sie unsicher sind oder nicht wissen, wann und wie sie betroffene Frauen ansprechen sollen oder unterstützen können. Sie können z. B. den Kontakt zur Beratungsstelle anbahnen oder die Frau, wenn sie dies möchte, zur Beratung begleiten. Die Beratungen sind vertraulich, kostenlos und auch anonym möglich.“
Hilfe und Unterstützung
SEFRA Aschaffenburg – Notruf & Beratung für Frauen: Tel. 0 60 21/2 47 28 . Telefon-Dolmetschen über das Hilfetelefon in 18 Sprachen sofort zuschaltbar
Onlineberatung: https://www.sefraev.de/
Bundesweites Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen in 18 Sprachen – Rund um die Uhr: Tel. 0 80 00/116 016
Die Polizeiinspektionen Obernburg, Tel. 0 60 22/62 90 und Miltenberg, Tel. 0 93 71/94 50 leiten weiter zu Ansprechpartner*innen -Häusliche Gewalt-. Diese beraten über rechtliche Möglichkeiten sowie den Ablauf eines Ermittlungsverfahrens oder nehmen Anzeigen entgegen. Ist die Frau einverstanden, kann die Polizei den Kontakt zu „PABaU – Pro Aktive Beratung am Untermain für von häuslicher Gewalt betroffene Frauen“ herstellen.
Autor:Marlene Deß aus Miltenberg |
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