Bildergalerie und Essay
Wenn das Cello mit der Orgel singt ...
Klanglich reizvolles Duettieren schloss bisherige Repertoire-Lücke:
Cello & Orgel in der Stiftskirche in Wertheim am 01.11.2024
Wertheim. Passend zum ausgeklungenen Reformationstag und zum hoffnungsvollen November-Start präsentierte der hiesige Kulturkreis in der altehrwürdigen Stiftskirche eine erstklassige Einstimmung auf die kommenden „Stillen Tage“ im Nebel- und Totenmonat.
Rund hundert Besucherinnen und Besucher lauschten am Allerheiligen-Abend fasziniert dem Duo Joel Blido (Cello) und Carsten Klomp an der Orgel.
Sechs Musikstücke sowie zwei Zugaben von Rheinberger, Vivaldi, Bach, Höller, Pärt und Jongen entfalteten die beiden Künstler den Gästen aus der Region in der weit und breit bekannten, wunderbaren Klangkulisse der Kirche als imposante, nachhaltig wirkende Beiträge.
Mehr als zwei Dutzend angezündete Kerzen illuminierten im Chorraum, umgeben von historischen Epitaphien, einer exponiert aufgestellten Martin-Luther-Statue und aktuellen Erntefest-Gaben ein symbolträchtiges, assoziationsoffenes Ambiente: wärmende Lichter in der kühlen Dunkelheit - Menschen, die in unserer dankbaren Erinnerung geblieben sind – Bewegendes Flammen-Flackern statt versteinerte Melancholie – Hoffnungszeichen in einer kriegs- und krisengeschüttelten Zeit.
Die beiden Akteure Joel Blido und Carsten Klomp selbst agierten aus verständlichen Gründen von der Empore in Orgelnähe mit einer Ausnahme des Solocellisten und seinem Prélude- und Allemande-Bach-Beitrag direkt vor dem Publikum zwischen Langhaus und Altar.
Was erwarteten und empfanden die Konzertgäste?
„Ich mag eine besinnliche musikalische Einstimmung auf die kommende, vorweihnachtliche Zeit und ihre besonderen stillen Gedenktage und das war heute der Fall“, resümierte glücklich eine Besucherin Anfang sechzig.
„Mich interessierte das für mich seltene Zusammenspiel zwischen Orgel und Cello“, berichtete ein junger dreißigjähriger Mann, der sich auch fragte, ob es da nicht mehr asymmetrische Kontraste als wohlklingende Harmonien bei den beiden Instrumenten geben könnte.
„Besonders sinnlich wirkten auf mich die Improvisationen über ‚Schönster Herr Jesus‘ von Karl Höller (1907 – 1987), empfand eine andere Zuhörerin, Mitte fünfzig: „Wie in einem abstrakten Bild entdeckte ich immer wieder farbklangähnlich die Leitmelodie, die ich auch aus dem Gesangsbuch kenne: ‚Schönster Herr Jesus, Herrscher aller Herren, Gottes und Mariens Sohn, dich will ich lieben, dich will ich ehren, meiner Seele Freud und Kron‘ (Opus 55).“
Abwechslungsreich gestaltete sich die Programmauswahl. Dem Pastorale von Joseph Rheinberger (1839 – 1901) folgte eine Sonate von Antonio Vivaldi (1678 -1741).
Johann Sebastian Bach (1685 -1750) wurde als Solostück des Cellisten gespielt: Cello Suite Nr. 6 in D-Dur, anschließend gab es assoziationsreiche Improvisationen des neuzeitlichen Komponisten Karl Höller.
Noch einmal vertreten war Joseph Rheinberger, diesmal das Präludium c-Moll als Orgel-Solostück.
Vor den zwei Zugaben faszinierte das Zusammenspiel von Cello und Orgel „Fratres“ des 1939 geborenen Komponisten Arvo Pärt.
Viel Applaus erhielten abschließend das temperamentvolle Stück „Humoresque“ von Joseph Jongen (1873 – 1953) und „Bach geht immer!“ (zitiert von Carsten Klomp) der finale, virtuose Beitrag „Arioso“.
Joel Blido, 1998 in Marburg an der Lahn, studierte an der Hochschule für Musik in Würzburg und Weimar, absolvierte das Examen mit Auszeichnung, war mehrfacher Preisträger bei deutschen Wettbewerben, nahm an internationalen Musikfestivals teil und ist heute stellvertretender Solocellist der Staatskapelle Weimar.
Der 59-jährige KMD Prof. Carsten Klomp ist seit Oktober 2024 Bezirkskantor des Kirchenbezirkes Wertheim und Kantor an der Stiftskirche Wertheim. Er studierte Schul-und Kirchenmusik, Instrumentalpädagogik Klavier und Künstlerisches Hauptfach Orgel an der Detmolder Musikhochschule.
Stationen seines Wirkens waren Herdecke, Bremerhaven, Freiburg und Heidelberg.
Bis September 2024 hatte Professor Carsten Klomp den Lehrstuhl für Orgelliteraturspiel und -improvisation an der Hochschule für Kirchenmusik in Heidelberg inne, den er zu Gunsten der Arbeit in Wertheim aufgegeben hat. Derzeit ist er auch für die kirchenmusikalische D-C-Ausbildung im Wertheimer Kirchenbezirk verantwortlich.
Bekanntlich gehört das Cello oder Violoncello zur Streichinstrumentenfamilie und besetzt hier die Tenor- oder Basslage. Anders als Bratsche oder Geige wird das Cello aufrechtgehalten und ist mit einem Stachel am Boden fixiert
Es wird im Sitzen gespielt und zwischen den Beinen gehalten. Der Cellokörper ist zweimal so groß und viermal so dick wie der einer Geige. Die Saiten eines Cellos ist auf die Töne C-G-d-a gestimmt.
Wie die Geige hat auch das Cello keine Bünde, die dem Spieler anzeigen, wo seine Finger für die Noten sein müssen.
Es gibt aber auch eine ganze Reihe anderer Herausforderungen: Die Position eines Cellos beim Spielen eines Cellos ist unglaublich wichtig, ebenso die Position des Bogens und der Druck der Finger.
Warum klingt das Cello so schön?
Einer der Hauptgründe für die Schönheit der Cellomusik ist der reiche, volle und sonore Klang des Instruments selbst. Die enorme Größe und die tiefen, resonanten Saiten verleihen ihm einen unverwechselbaren Ton, der kraftvoll und intim zugleich ist.
Fazit: Das klanglich reizvolle Duettieren von Orgel und Violoncello in der Wertheimer Stiftskirche am Allerheiligen-Abend schloss eine bisherige Repertoire-Lücke.
Basis war am vergangenen Freitag klassische, romantische und neuzeitliche, allesamt anspruchsvolle und wohlklingende Konzert-Literatur, die bei den eifrig applaudierenden Gästen sicherlich auch eine nachhaltige Wirkung erzeugte.
Das Zusammenspielen von Cello und Orgel war immer wieder überraschend. Wie eine Singstimme fügte es sich in die zarten Lieder und Musikstücke ein, war teils verhalten, teils dominant, setzte Akzente oder ließ das ersehnte Leitmotiv wieder auftauchen.
Ein Cello, eine Orgel, zwei Musiker, über hundert Konzertgäste in einer altehrwürdigen Kirche voller wunderbarer Klänge: fast wie verzaubert verließen nach rund neunzig Minuten jung und alt das Cello&Orgel-Konzert in der beginnenden November-Nacht zum Allerseelentag.
„Es war ein Erlebnis für Ohren und Herzen“ – betonte auf dem Heimweg ein Senioren-Paar.
Mit großem Klang war in der Tat ein erstklassiges Konzert zu Ende gegangen, das den gesamten Kirchenraum immer wieder zum Mitschwingen brachte.
Ausblick:
Am Sonntag, dem 1. Dezember 2024, 17 Uhr findet im Helmut-Schöler-Saal im Hofgarten-Schlösschen das Museumskonzert des Kulturkreises Wertheim statt. Unter dem Thema „Classic meets Tango“ ist neben Nikita Geller (Violine) auch Joel Blido (Violoncello) vertreten. Gespielt werden u.a. Werke von Maurice Ravel, Niccolo Paganini und Carlos Gardel.
Aktuelle Informationen gibt es auf www.kulturkreis-wertheim.de
Roland Schönmüller
Fotos Roland Schönmüller
Autor:Roland Schönmüller aus Miltenberg |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.