Stolpersteine gegen das Vergessen

Madlen, Jennifer, Ronja und Lisa (von links) mit ihrem selbst gefertigten Stolperstein für Abraham Heß. | Foto: Andrea Kaller-Fichtmüller
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  • Madlen, Jennifer, Ronja und Lisa (von links) mit ihrem selbst gefertigten Stolperstein für Abraham Heß.
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Initiative „Miltenberger Stolpersteine – GEGEN DAS VERGESSEN“ verlegte erste Stolpersteine im Gedenken an jüdische Mitbürger

Scheußliche Schmierereien erst jüngst in der Kiliansgruft der Würzburger Neumünsterkirche: Manche Menschen kapieren offensichtlich gar nichts. Unbekannte haben im April die Staue des Märtyrerpriesters Georg Häfner mit Farbe beschmiert. Häfner und viele andere unschuldige Menschen, zumeist Juden, wurden im Konzentrationslager Dachau ermordet. Das Gedenken an die ermordeten jüdischen Mitbürger wach zu halten, das hat sich die Initiative „Miltenberger Stolpersteine – GEGEN DAS VERGESSEN“ zum Ziel gesetzt.

An Mitbürger erinnern

Bereits vor drei Jahren haben sich Armin Weinmann, Dr. Jürgen Regensburg und Dr. Karl Adalbert Maaß zusammengesetzt und mit beratender Unterstützung der Familie Georg und Gabriele Bassarab die Initiative „Miltenberger Stolpersteine – GEGEN DAS VERGESSEN“ ins Leben gerufen. Ziel der Initiative ist es, an Mitbürgerinnen und Mitbürger zu erinnern, die in der Zeit von 1933 bis 1945 Opfer der Nationalsozialisten wurden. Fast die Hälfte der insgesamt 104 jüdischen Mitbürger, die zur damaligen Zeit in Miltenberg lebten, wurde deportiert und ermordet. Unterstützt wird die Initiative durch die Stadt, nachdem sich der Stadtrat im Jahr 2015 für eine Beteiligung ausgesprochen hat. Der Künstler Gunter Demnig wurde mit dem Projekt beauftragt. Er hat die Stolpersteine geschaffen.

Gedenktafeln aus Messing

Stolpersteine sind Gedenktafeln aus Messing, die vor dem letzten selbstgewählten Wohnort der Opfer – zumeist waren dies Juden – ins Trottoir eingelassen werden. Ein Stolperstein, der etwa zehn mal zehn Zentimeter groß ist, kostet 120 Euro und wird durch Spenden und Patenschaften finanziert. Die ersten neun Stolpersteine wurden am Samstag, 28. Mai für die ehemaligen Miltenberger Abraham, Nanny, Bella und Siegfried Heß, Oskar, Rosa und Manfred Moritz, Mira Marx und Wilhelm Oppenheimer verlegt. Von Wilhelm Oppenheimer ist die Initiative noch auf der Suche nach einem Foto. Wenn Sie Bildmaterial haben, wenden Sie sich bitte an Armin Weinmann, Tel. 0 93 71/63 66, E-Mail armin.sibylle@t-online.de oder Dr. Jürgen Regensburg, Tel. 0 93 71/6 76 65, E-Mail eregensburg@t-online.de.

Rund 50 Stolpersteine

Insgesamt sollen in Miltenberg in einem Zeitraum von zwei bis drei Jahren rund 50 Stolpersteine verlegt werden. Zur Vorbereitung und Umsetzung der ersten Stolpersteinverlegung hatte die Initiative im Vorfeld Kontakt mit der Mittel-, der Realschule und dem Gymnasium Miltenberg aufgenommen.

Realschülerinnen gestalten Stolperstein

Im Rahmen ihrer Projektpräsentation haben sich vier Schülerinnen der Johannes-Hartung-Realschule unter Anleitung ihrer Lehrerin Kathrin Knörl mit dem Thema befasst. „Wir haben dafür zunächst Bücher, die wir bekommen haben, gelesen“, erzählen Jennifer Umscheid, Madlen Bopp, Ronja Arndt und Lisa Brosch. „Gespräche mit dem Ehepaar Bassarab und die unterfränkische Datenbank haben uns tiefere Einblicke ermöglicht.“ Im Projekt ist neben der Aufarbeitung der Biografien ein Stolperstein entstanden, den die vier Neuntklässlerinnen aus Gips gefertigt haben. „Er steht für Abraham Heß, den Vater der vierköpfigen Familie Heß, mit der wir uns befasst haben.“ Die Projektpräsentation, die zwei Tage umfasste und zum Abschluss in einem Vortrag vor der Klasse in der Aula mündete, floss als Note in die Fächer Geschichte und Deutsch ein.

Mittelschüler schauen neuen Anne-Frank-Film

Als Einstieg in die Thematik haben sich Fabian Heeb, Fabio Aleo, Leonie Bronnbauer, Naomi Breitenbach, Gölben Dag und Johannes Bückner, die von der pensionierten Lehrerin Ruth Schöyen fachkundig begleitet werden, in der Kino Passage Erlenbach den Film „Das Tagebuch der Anne Frank“ angeschaut, der 2016 in neuer Verfilmung in die Kinos kam. „Der Film hat uns bei der Einstimmung in das Thema sehr geholfen“, erzählen die Mittelschüler. „Wir hatten uns zuvor schon schulintern für dieses freiwillige Projekt gemeldet. Durch den Geschichtsunterricht im letzten Schuljahr und eine Klassenfahrt nach Weimar und ins KZ Buchenwald hatten wir auch schon ein größeres Vorwissen. Außerdem hat uns das Thema interessiert.“ Gemeinsam haben die Neuntklässler noch eine Führung von Wilhelm Otto Keller erhalten, der ihnen wichtiges Hintergrundwissen vermittelte. Damit ging es an die Projektumsetzung. „Wir haben uns mit Mira Marx und Wilhelm Oppenheimer beschäftigt“, so die Schüler. Dazu wurden in Gruppen Dokumente bearbeitet, Fragen beantwortet und Fakten zusammengetragen. Daraus entstand ein gemeinsamer Bericht, der als Grundlage für die geplante Präsentation diente.

Gymnasiasten lesen Ferienerinnerungen

Felix Schimmelpfennig, Lukas Sylaj, Theresa Fritsch, Sabine Pitters, Jana Cavallo und Sean Kervick vom Johannes-Butzbach-Gymnasium haben sich die Familie Moritz mit Oskar, Rosa und Manfred Moritz näher angeschaut. Während die vier Elftklässler Theresa, Sabine, Jana und Sean das Thema Holocaust schon im Geschichtsunterricht hatten, war es für die beiden Neuntklässler Felix und Lukas noch relativ neu. Alle haben sich jedoch freiwillig bei Lehrer Christoph Grein für das Projekt gemeldet, das die Initiative im Gymnasium vorstellte. „Wir hatten als Grundlage die Ferienerinnerungen eines Neffen von Oskar Moritz, der in München wohnte und zwischen 1930 und 1936 oft in Miltenberg zu Besuch war“, beschreiben die Schüler die Art und Weise, wie sie sich des Themas angenommen haben. „Zum Recherchieren dienten uns weiterhin die ´Biographische Datenbank jüdisches Unterfranken´ und verschiedene Dokumente, wie etwa die Gestapo-Akte von Oskar Moritz.“ Gemeinsam haben die Schülerinnen und Schüler die Daten aufbereitet und für einen Vortrag, der bereits am vergangenen Freitagabend stattfand, eine Power-Point-Präsentation mit Fotographien und Dokumenten der Familie Moritz erstellt.

Vortrag am Freitagabend

Vor der ersten Stolpersteinverlegung am Samstag, den 28. Mai gab es bereits am Freitagabend im Alten Rathaus der Kreisstadt einen Vortrag. Dazu hatten Hermann Neubert, der Leiter der Museen der Stadt, und alle drei Schulen eine gemeinsame Aktion geplant. Hermann Neubert stellte dabei in einem Rahmenvortrag einzelne Punkte wie beispielsweise die Miltenberger Synagoge, jüdische Bräuche und Sitten oder die wirtschaftlichen Strukturen der damaligen Zeit vor. Die Schülerinnen und Schüler präsentierten die Biografien der Menschen, für die tags darauf die ersten neun Stolpersteine verlegt wurden. Auch der Künstler Gunter Demnig war anwesend und berichtete über sein Projekt der Stolpersteine. An beiden Terminen nahmen Angehörige der Familie Moritz teil, deren zwei Töchter rechtzeitig nach England fliehen konnten.

Herzlichen Dank für Ihre Spende

Zur Finanzierung der Stolpersteine hat die Initiative Spendenkonten eingerichtet. Spenden in beliebiger Höhe können bei der RV-Bank Miltenberg eG (IBAN DE93 7969 0000 0000 0170 94) und der Sparkasse Miltenberg-Obernburg (IBAN DE08 7965 0000 0620 0081 10) unter dem Stichwort „Stolpersteine“ (bei Patenschaft der Name) eingezahlt werden. Die Stadt Miltenberg stellt Spendenquittungen aus. Ein Stolperstein kostet 120 Euro. Jeder gespendete Betrag ist willkommen. Die Initiatoren von „Miltenberger Stolpersteine – GEGEN DAS VERGESSEN“ bedanken sich herzlich bei allen Spendern für ihre Spendenbereitschaft und die eingegangenen Spenden. Sie hoffen, das Projekt damit weiter vorantreiben zu können.

Bewegendes Thema für Schüler

Wie sehr das Thema die Schülerinnen und Schüler der drei Miltenberger Schulen beschäftigt hat, wird in den folgenden Aussagen deutlich.

Madlen, Jennifer, Ronja und Lisa (von links) mit ihrem selbst gefertigten Stolperstein für Abraham Heß: „Es hat uns sehr zu denken gegeben, wie schlimm es den Menschen früher ging und wie ungerecht sie behandelt wurden. Es ist gut, dass es die Stolpersteine zur Erinnerung gibt, damit die Menschen nicht vergessen werden.“

Sabine, Lukas, Felix und Sean (von links) sowie Theresa (hinten) bei der Bearbeitung: „Das Thema hat uns tief bewegt. Es ist schlimm zu sehen, was gerade auch hier in Miltenberg passiert ist. Oskar Moritz, der ein erfolgreicher Lederwarenhändler war und viel gearbeitet hat, wurde ausspioniert, indem beispielsweise heimlich Briefe gelesen wurden. Gerade sein Schicksal berührt besonders, da er wegen angeblicher ´Verherrlichung des Kommunismus´ in den 1930er Jahren bereits zweimal im Konzentrationslager Dachau inhaftiert war, bevor er 1942 zusammen mit seiner Frau von Miltenberg aus in ein Vernichtungslager deportiert wurde.“

Fabio und Leonie (vorne) sowie Fabian und Naomi (hinten) mit Bildern von Mira Marx: „Durch das intensive Auseinandersetzen mit Mira Marx und Wilhelm Oppenheimer haben wir beide kennengelernt und wir konnten uns gut in die Situation hineinversetzen. So wurde das Thema ganz nah für uns greifbar, aber auch die Betroffenheit über das, was passiert ist, war viel größer. Es ist grausam zu sehen, was Menschen anderen Menschen antun können und wie zerstörerisch und erniedrigend vorgegangen wurde. Wir haben großen Respekt vor den Menschen, die den Juden Hilfe und Unterstützung angeboten und sich damit selbst in Gefahr gebracht haben.“

Autor:

Andrea Kaller-Fichtmüller aus Miltenberg

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