Beitrag 13 zur Serie "Kirchenjubiläen Miltenberg"
Die armen Schulschwestern in Miltenberg 1851 bis 1973 - Das "Institut"
Auf Initiative des damaligen Stadtpfarrers Dr. Badum, kam an Dreikönig 1851 die Ordensgründerin ehrw. Muttter Gerhardinger mit vier Schwestern nach Miltenberg. Ihre erste Niederlassung war am Wochenmarkt. Hier gründeten sie die Töchterschule, betrieben die Kinderbewahranstalt und das Waisenhaus.
Große Förderer des Ordens waren das Kleinheubacher Fürstenhaus zu Löwenstein und Major Robert von Capitain vom weißen Schloss am Grauberg.
1854 kaufte der Orden drei alte Häuser am Würzburger Tor, ließ sie abreißen und errichtete 1856 -1859 ein repräsentatives Gebäude für Pensionat und Schule. Im Dezember 1859 konnte der Neubau feierlich bezogen werden.
Das Institut „DE NOTRE-DAME“ hatte in ganz Unterfranken einen hervorragenden Ruf für die Ausbildung der weiblichen Jugend.
Eine Blick in die Zensurlisten von 1874 zeigt, wie umfassend der Lehrplan war: Deutsch, Französisch, Englisch, Mathematik, Kalligraphie, Zeichnen, Gesang, Klavierspiel, feine Handarbeiten, und natürlich Ordnung sowie sittliches Betragen. Ebenso fällt auf, dass sowohl jüdische wie auch protestantische Mädchen ins Pensionat aufgenommen wurden.
1877-79 wurde ein weiterer Neubau angegliedert für die Kapelle und als Wohnraum. Hierzu steuerte Major R. v. Capitain erhebliche Geldmittel bei und übernahm die Bauleitung. Täglich kam er mit seinem Schimmelhengst Derwisch auf die Baustelle um den Baufortschritt zu überwachen.
Das Haus umfasste damals 23 Schwestern, über 50 Zöglinge und 45 externe Schülerinnen.
Die Chronik berichtet vom 1866er Bruderkrieg mit endlosem Durchzug der Soldaten, von der Choleraepidemie, die auch bei den Schwestern und Zöglingen Opfer forderte.
20.07.1866:
am 20. Juli hatte das Institut Besuch von hessischen Soldaten von 1/2 9 - 1/2 12 Uhr; die armen Menschen bettelten Hemden, Socken, Fußlappen; eine erbarmungswürdige Scene. Von frühmorgens um 6 theilten 3 Schwestern unausgesetzt Kleidungsstücke aus. Frau Major von Capitain brachte zu diesem Zwecke noch Sacktücher und Socken; man wusste zuletzt nicht mehr, woher die Sachen nehmen - und wie rührend, da sie noch am Abend kamen und um Kreuzchen, Medaillen und andere geweihte Sachen baten.
13.08.1874:
…die Krankheiten griffen in dieser Woche so sehr um sich, daß die noch bestehenden Schulen sämtlich geschlossen wurden. Die Epidemie forderte auch ein Opfer in der Familie von Herrn von Capitain, nämlich dessen zweites Töchterchen, eine Externe unseres Instituts, binnen drei Tagen. Herr von Capitain spendete für sie ein Almosen von 30 fl. für die Waisen.
18.11.1874
heute knickte sich der Tod die lieblichste und vermutlich in den Augen Gottes wohlgefälligste Blume unseres Externates Irene von Capitain. Sie ward ein Ofer der Dyphteritis, die wiederholt in unserem Städtchen aufzutreten scheint, namentlich in der so schwer geprüften Familie von Capitain. Irenes Sterbebett war das eines gottliebenden Kindes und gereichte allen Anwesenden zur Erbauung. Tags darauf folgte ihr ihr Bruder Carl ins Grab, im Alter von 13 Jahren. Beide Kinder waren die Hoffnung und der Stolz ihrer Eltern
26.04.1879
Ausstattung der neuen Kapelle ……das gothische Thürmchen von Herrn Major von Capitain soll nach Anrathen seiner Durchlaucht des Fürsten zu Löwenstein, als Baldachin über der Marienstatue verwendet werden, indem Hochdieselben einen Gönner, wie solcher Herr Major unserem Hause ist, zu ehren empfiehlt. Fürst zu Löwenstein äußerte sich über ihn, Wie sind die Wege Gottes geheimnisvoll ! Dieser Mann durchstreifte erst die weite Welt, gründete dann sein Heim in dem bescheidenen Miltenberg, machte sich hier erst verdient durch sein thätiges Wirken für die katholischen Vereine, und nun ist er der Schutz und Hort der Schwestern geworden……
(aus der Chronik der Armen Schulschwestern Miltenberg, im Angerkloster München)
1904 wurde ein neues Wohnhaus für den Konvent gebaut und 1936 ein neues Schulhaus mit Turnsaal.
Während der Zeit des dritten Reiches kam eine Einschränkung nach der anderen. Die Schule wurde nach und nach geschlossen, es durfte kein Musik- und Fremdsprachenunterricht mehr erteilt werden und die Zöglinge mussten sich 1943 Wohnquartiere bei Privatpersonen suchen, das Internat und die Schule wurden aufgelöst. Es folgten Einquartierungen und Lazarett, zeitweise war die Berufsschule in den Räumen des Instituts.
Erst 1946 konnte der Schulbetrieb wieder aufgenommen werden. Es meldeten sich sofort über 80 Schülerinnen.
1949 ist das erste Mal wieder Michaelismesse – auch im Konvent wird gefeiert, kleine Wünsche werden erfüllt. Die Chronistin schreibt:
„ Liebe Frau Oberin wir danken dir sehr –
ach, wenn doch alle Tag Michelsmess wär!“…..
1954 zählt das Institut schon wieder über 310 Schülerinnen, 107 Zöglinge, der Kindergarten 120 Buben und Mädchen. Fast 100 Schüler erhalten privaten Unterricht in Musik und Fremdsprachen.
Aus Mangel an klösterlichen Lehrkräften wird ab 1969 der Rückbau der Klassen eingeleitet
1973 schloss dann das „Institut“ seine Pforten für immer nach 122-jähriger segensreicher Arbeit an Miltenbergs weiblicher Jugend. Generationen unserer Mitschülerinnen, Mütter und Großmütter erhielten hier ihre schulische und christliche Ausbildung und berichten noch heute mit Freude über diese Zeit.
Die Kleinkinder-Schule in Miltenberg
Engagierte Frauen des Frauenvereins gründeten 1847 eine Kleinkinder-Schule
Hierzu wird folgender Tagesablauf vorgeschrieben für die Lehrperson:
Stundenordnung der Kleinkinderbewahranstalt zu Miltenberg für 1849
Vormittags:
Von 7 ½ – 8 ½Uhr:
Versammlung der Kleinen, Aufbewahrung ihres Vesperbrodes, Sammlung der sogen. Beaufsichtigungskreuzer; Spiele
Von 8 ½ - 9 Uhr:
Allgemeines Morgengebet vom Lehrer vorgebetet; Religionsgespräche zwischen Lehrer und Kindern über Gottes Eigenschaften; Pflichten gegen Gott und den Nächsten; Insbesondere Gehorsam gegenüber Eltern und Vorgesetzten; Etwas vom Erlöser
Von 9 – 9 ½ Uhr:
Gedächtnisübungen, Stoff: Denksprüche religiösen Inhalts; Die gebräuchlichsten und nothwendigsten Gebete; Als- Vater unser, 12 Glaubensartikel, Glaube, Hoffnung und Liebe, und sonstige kleinen passenden Gebetchen
Von 9 ½ - 9 ¾ Uhr:
besorgen die Kinder verschiedene physischen Bedürfnisse
Von 9 ¾ - 10 ¼ Uhr:
erhalten die Kinder ihr Frühbrod und unterhalten sich durch Spiele
Von 10 ¼ - 10 ¾ Uhr:
Gesangübungen; Stoff: Kinderliedchen
Von 10 ¾ - 11 Uhr:
Reinigung der Kleinen, Gebet und Entlassung
Nachmittags:
Von 1 – 1 ½ Uhr:
Versammlung der Kleinen; Aufbewahrung des Vesperbrodes und Spiele
Von 1 ½ - 2 ¼ Uhr:
Die kleinsten Kinder schlafen; die größeren Knaben üben sich im Nachzeichnen verschiedenartiger, vom Lehrer an die schwarze Tafel vorgezeichneter Formen; die größeren Mädchen stricken
Von 2 ¼ - 2 ½ Uhr:
Denkübungen
Von 2 ½ - 2 ¾ Uhr:
Der Lehrer erzählt passende Geschichtchen aus der hl. Bibel und sonstigen Büchern zur Belehrung, Nachahmung und zur Unterhaltung. Die Kinder werden angehalten, die Moralen herauszusuchen
Von 2 ¾ - 3 Uhr:
Die Kinder erzählen die vom Lehrer vorgetragenen Geschichtchen mit eigenen Worten nach
Von 3 – 3 ½ Uhr:
besorgen die Kleinen ihre physischen Bedürfnisse; erhalten ihr sog. Verzehrbrod; dann werden diese in den Garten geführt.
Von 3 ½ - 4 Uhr:
unterhalten sich die Kleinen durch beliebige Spiele
Von 4 – 4 ½ Uhr:
Turnübungen vom Lehrer geleitet
Von 4 ½ - 5 ¾ Uhr:
Spiele nach Anleitung
Von 5 ¾ - 6 Uhr:
Die Kinder werden gereinigt; Schlussgebet; Entlassung
Miltenberg 14ter Juni 1849 - Am. Gerner, Lehrer der Kleinkinder-Bewahranstalt
(aus der Chronik der Armen Schulschwestern Miltenberg, Angerkloster München)
1851 Übernehmen dann die Armen Schulschwestern die Miltenberger Kleinkinder-Schule und stellen die Lehrpersonen. Zig Generationen von Miltenberger Kinder besuchten die „Kinnerschul“ der Armen Schulschwestern am Würzburger Tor.
Klaus Hench
Autor:Cornelius Faust aus Miltenberg |
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