Handicap ist kein Handicap!
Wie steht es um die Inklusion auf dem regionalen Arbeitsmarkt?
Dass Inklusion funktioniert beweist der Getränkemarkt Ostheimer in Kleinwallstadt. Björn und Thomas sind Mitarbeiter im Markt von Familie Ostheimer und froh, einen tollen Job gefunden zu haben. Sie haben sich voll in den Arbeitsalltag integriert. 2014 und 2015 wurden die beiden jungen Männer eingestellt. Familie Ostheimer arbeitet noch immer mit der Lebenshilfe zusammen. Denn auch früher schon, hatten sie bereits Behinderte aus den Werkstätten beschäftigt. Als Mitarbeiter sind Björn und Thomas unheimlich loyal, meint der Seniorchef. Dafür braucht es aber immer wieder auch mal einen Extra-Zuspruch.
Behinderungen sind vielfältig – ob körperlich, psychisch oder geistig.
Da muss auch beim Arbeitsplatz differenziert werden. Insbesondere Menschen mit einer kognitiven Behinderung (sogenannte „geistige Behinderung“) sind nicht, oder noch nicht in der Lage, gleich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu arbeiten. In den Werkstätten werden sie darauf vorbereitet. Die Ostheimer`s sind der Ansicht, „wenn eine sinnvolle Aufgabe und der Kontakt mit Kunden wie bei einem unserer Jungs dazu führt, sie aufgeschlossener, selbständiger und selbstbewusster werden zu lassen, dann hat sich der Einsatz schon gelohnt. Man muss vor allem auf die Stärken eingehen“.
Die meisten kognitiv behinderten Menschen sind nach der Schulzeit auf dem zweiten Arbeitsmarkt beschäftigt - in Werkstätten wie der Lebenshilfe in Großheubach und Schmerlenbach. Natürlich müssen diejenigen, die sich für den freien Arbeitsmarkt eignen, erst einmal auf diesen vorbereitet werden.
In den Werkstätten lernen sie zu arbeiten, sich zu qualifizieren, bekommen Förderung und knüpfen soziale Kontakte. Die Arbeitsschwerpunkte sind hier: Serien- und Großserienfertigung für die feinmechanische Industrie sowie der Automobilindustrie, Konfektionierungsarbeiten, Schreinerei, Metallbereich oder das Bewirtschaften der eigenen Weinberge – die Arbeiten sind vielfältig. Dabei kooperieren regionale Firmen mit den Werkstätten. „In der Regel haben wir feste, über Jahre hinweg aufgebaute Kundenbeziehungen. Punktuell werden natürlich immer wieder neue Arbeiten benötigt. Dies hängt jedoch von der jeweiligen Auftragslage/Auslastung ab. Deshalb freuen wir uns immer über Anfragen“, erklärt Cornelia Schmitt, Diplomsozialpädagogin (FH) Lebenshilfe Werkstatt Großheubach.
Arbeitgeber scheuen sich noch
Laut einem Check der Aktion Mensch, scheuen sich viele Arbeitgeber noch davor, einen Behinderten einzustellen. Sie sehen nicht deren Qualifikation und Erfahrung, sondern fürchten Ausfallzeiten durch Krankheit, finanziellen und organisatorischen Mehraufwand, Kollegenkonflikte sowie den garantierten besonderen Kündigungsschutz und den Anspruch auf Zusatzurlaub. Und: Sie wissen zu wenig von den Hilfen, die die Bundesregierung bietet. Das sollte jedoch kein Grund zur Resignation sein!
Förderungsmöglichkeiten für Arbeitgeber
Um die Chancen Behinderter auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen, gibt es für Arbeitgeber reichlich Unterstützung. Unter anderem hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales insgesamt 10.000 Förderplätze für Langzeitarbeitslose zur Verfügung gestellt. Hier ist ein 100 prozentiger Lohnkostenzuschuss über drei Jahre möglich. So werden Zuschüsse von Integrationsämtern gewährt, wenn es um Schaffung und Umgestaltung eines behindertengerechten Arbeitsplatzes geht. Das können bis zu 80 Prozent der entstandenen Kosten sein. Es besteht zudem die Möglichkeit Menschen mit Behinderung (MmB) bis zu drei Monate auf Probe einzustellen.
Zudem gibt es den Eingliederungszuschuss: Je nach Grad der Behinderung und Alter des Mitarbeiters können zwei Jahre lang bis zu 70 Prozent des Gehalts erstattet werden. Im Rahmen der unterstützten Beschäftigung bekommt der Arbeitgeber sogar einen Integrationsberater zur Seite gestellt. Dieser übernimmt auf Wunsch die Kontakte zu den Ämtern auf.
Filmprojekt der Lebenshilfe
Am 15. September treten das gesamte Team der Offenen Behindertenarbeit, fast alle SchauspielerInnen und einige Ehrenamtliche - insgesamt über 50 Personen - mit der Lebenshilfe Miltenberg e.V. die Reise nach Berlin an, um vielleicht mit der Familiale-Trophäe und um 1000 Euro reicher wieder nach Hause zu kommen. Denn, unter dem Motto „Drehen Sie Ihr eigenes Ding“ hatte die Bundesvereinigung Lebenshilfe zur Teilnahme an ihrem Amateur-Kurzfilmwettbewerb über Familie und Inklusion aufgerufen. 106 Beiträge wurden eingereicht. Auch die Lebenshilfe Miltenberg e.V. hat sich mit dem Kurzkrimi „Mord im Miltenberger Schwarzviertel“ beworben. Gedreht wurde überwiegend in der Miltenberger Innenstadt, mit einem professionellen Kameramann und unter Einsatz vieler ehrenamtlicher Helfer. Tatkräftige Unterstützung kam selbstverständlich auch von den Mildeberscher Geschäftsleut´ und die Polizei war bei den mehrtägigen Dreharbeiten ebenfalls äußerst hilfsbereit.
Das Projekt „Familiale 2016“, wurde deutschlandweit ausgeschrieben, nun ist es soweit: Die fünf Endrundenfilme stehen fest - und „Mord im Schwarzviertel“ ist dabei! Die Macher haben bereits jetzt schon etwas gewonnen: je Team 500 Euro - vor allem aber eine – wahrscheinlich unvergessliche - Reise nach Berlin, wo am 15. September 2016 die Abschluss-Gala der Familiale stattfindet und der endgültige Sieger präsentiert wird. Jetzt heißt es den Akteuren die Daumen drücken! Es reicht vielleicht nicht ganz für den Oskar, aber eventuell für die Familiale-Trophäe. Der Oskar wird`s beim nächsten Mal…
Interviews:
Bernhard Wetzka, Leiter der Lebenshilfe Werkstatt Großheubach: Unsere erste Aufgabe ist, MmB für den ersten Arbeitsmarkt fit zu machen. Da die Zahl der Werkstattbeschäftigten stetig steigt, werden immer alternative Lösungen gesucht, vor allem für diejenigen, deren Leistungsfähigkeit eine Werkstattaufnahme nicht zwingend erforderlich macht. Es wäre schön, wenn mehr Firmen dazu bereit wären, sich auf einen Mitarbeiter mit Handicap einzulassen. Wir stehen dabei jederzeit beratend zur Seite. Seit kurzem ist für den Raum Aschaffenburg / Miltenberg ein neues Projekt „Ab jetzt inklusiv“ im Aufbau, das Anfang / Mitte 2017 an den Start gehen soll.
Armin Staab, Geschäftsführer der Lebenshilfe Miltenberg e.V. hierzu: „Wir wissen, dass es im Bereich erster Arbeitsmarkt für MmB in unserer Region Nachholbedarf gibt. Jedoch machen wir uns große Hoffnungen auf das Projekt "Integra Mensch", das von Oberfranken allmählich auf Unterfranken "überschwappt" und dieses Projekt wird vom Bezirk stark unterstützt.“
Kerstin Ostheimer-Bildstein und Frank Bildstein: Wir haben zwei Jungs mit Behinderung eingestellt. Natürlich ist es nicht immer einfach, man muss sich eben auf die Situation einstellen - entweder man steht zu seinem sozialen Engagement oder nicht. Wahrscheinlich ist eine Zusammenarbeit auch einfacher für kleinere Familienbetriebe. Wir finden es wichtig auch behinderten Menschen eine Chance zu geben. Sie brauchen Aufgaben. Und merkt man richtig wie unsere Beiden mit ihren Aufgaben wachsen. Sie haben ihre Stärken und Schwächen, man muss sie dabholen wo sie stehen. Was wir ganz toll finden ist zu sehen, dass es beiden Spaß macht und dass durch die Zusammenarbeit mit uns und dem direkten Kontakt mit unseren Kunden sich unsere Jungs absolut positiv entwickelt haben. Dies ist auch den Betreuern der Werkstätten, in der sie kurze Zeit tätig waren, aufgefallen.
Autor:Sylvia Kester aus Miltenberg |
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