Frühe Wegbereiter der Demokratie aus unserer Heimat gewürdigt
Die Bundesrepublik feiert dieser Tage 70 Jahre Grundgesetz – eine freiheitlich-demokratische Verfassung, die vor dem Hintergrund zweier Weltkriege und des Nationalsozialismus vor allem die unantastbare Würde des Menschen in den Mittelpunkt stellt. Doch gab es bereits im 19. Jahrhundert freiheitlich-demokratische Bestrebungen – etwa das Hambacher Fest im Jahr 1832 und die Frankfurter Paulskirche im Jahr 1848. Und die Wurzeln dieser Freiheitsbewegung liegen zwischen Rhein, Neckar und Main, Anlass für den Landkreis Miltenberg die frühen Demokraten besonders zu würdigen.
Denn die besondere Geschichte der Mainzer Republik in den Jahren 1792 und 1793 hatte ihren Anteil daran, dass sich Werte wie Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit in Deutschland verbreiteten. Mit dieser Republik verbunden sind frühe Demokraten wie Felix Anton Blau (Walldürn), Friedrich Lehne (Mainz) und der aus Obernburg stammende Adam Lux. Dass sich diese Männer für die Werte der französischen Revolution auf deutschem Boden einsetzen, ist wenig bekannt. Als Ergebnis eines Ideenaustausches zwischen Landrat Jens Marco Scherf und dem Historiker Eric Erfurth erfuhren 40 Gäste am Freitag bei einer Veranstaltung von Landkreis Miltenberg und Volkshochschule Miltenberg im Alten Rathaus Miltenberg, welchen Beitrag diese Personen für die frühe deutsche Demokratie leisteten. „Die Wiege der deutschen Demokratie liegen in unserer Heimat zwischen Rhein, Main und Neckar“, fasst Landrat Scherf die Erkenntnisse des Abends zusammen.
Der Einfluss der französischen Revolution sei auch in Miltenberg spürbar gewesen, sagte Miltenbergs Bürgermeister Helmut Demel. Die Werte seien in der Bürgerschaft, die damals als renitent gegolten habe, auf fruchtbaren Boden gefallen. Für Landrat Jens Marco Scherf ist das Grundgesetz „eine herausragende Verfassung“. Die aber könne ihre Wirkung nur entfalten, wenn es genügend überzeugte Demokraten gibt, die die Verfassung hochhalten. Er lobte das hohe Engagement vieler Bürgerinnen und Bürger, etwa bei der Demonstration „Wir sind bunt“ im Herbst 2018. Er hob den Einsatz der Schülerinnen und Schüler in vielfältigen Schulprojekten zum Miteinander, zum fairen Handel oder zum Klima- und Naturschutz hervor, ebenso in der Fridays-for-future-Bewegung.
Eric Erfurth stellte die Bedeutung des Raums Rhein/Main/Neckar für die Wurzeln der Demokratie heraus und verwies auf die Protagonisten Blau, Lehne und Lux. Er stellte zudem die Künstler des Abends vor: den Historiker Dr. Jörg Schweigard, den Schauspieler Arne Dechow und den Musiker Bodo Kolbe, die mit Vorträgen, Lesungen und Musik auf die Wurzeln der Demokratie eingingen und Felix Anton Blau, Friedrich Lehne und Adam Lux lebendig werden ließen. Schweigard und Dechow legten dar, wie die Ideale der Französischen Revolution Anklang fanden, Bodo Kolbe lieferte die Musik.
Friedrich Lehne atmete als Student in Mainz schnell den Geist der Aufklärung und sympathisierte mit den Idealen der Revolution, als die französischen Truppen im Jahr 1792 Mainz einnahmen. Im sogenannten Jakobinerclub fand er Gleichgesinnte und veröffentlichte viele Gedichte und Zeitungsartikel, in denen er aus seiner Sympathie mit den Werten der Revolution keinen Hehl machte. Die Pressefreiheit war für ihn ein hohes Gut in einem freiheitlichen Staat, das er vehement einforderte. Im Juli 1973 rettete er sich ins französische Exil und kehrte erst 1798 wieder nach Mainz zurück. In der deutschen Vertonung des Marseiller Marsches ließ Bodo Kolbe die revolutionären Gedanken Lehnes auferstehen, ebenso im „Waffenruf an die Bürger des Landes Mainz“ und zwei weiteren Liedern.
Felix Anton Blau, 1754 in Walldürn geboren, wurde Priester und hatte später einen Lehrstuhl in Mainz. Auch Blau war Mitglied des Jakobinerclubs und trat für die Ziele der Französischen Revolution ein. Seine kritische Haltung, wegen der Blau als Landesverräter galt, brachte ihm unter anderem 22 Monate Festungshaft in Königstein ein, ehe er 1795 freigelassen wurde und nach Paris emigrierte. Blau galt als Kritiker der Kirche und wandte sich unter anderem in Schriften gegen den Unfehlbarkeitsanspruch der Kirche. Nach der Abtretung des linken Rheinufers an Frankreich kehrte er wieder nach Mainz zurück und starb im Alter von 44 Jahren.
Der 1765 in Obernburg geborene Adam Lux, Sohn eines Bäckers, studierte in Mainz Philosophie und lebte in Kostheim bei Mainz. Als die Franzosen in Mainz einmarschierten, sympathisierte er mit den Werten der Revolution und trat dem Jakobinerclub bei. In Paris wurde er Zeuge des Machtkampfs zwischen den gemäßigten und radikalen Jakobinern. Lux, seiner Ideale beraubt, wollte sich als Fanal gegen die Herrschaft der politischen Gewalt öffentlich erdolchen, wurde aber von Freuden davon abgehalten. Nach Verfassen einer revolutionären Schrift musste er vor das Revolutionstribunal und schlug hier bewusst alle Möglichkeiten aus, einer Hinrichtung zu entgehen. So wurde Lux am 4. November 1793 hingerichtet. Wie sehr Lux Eindruck hinterließ, beweist ein Stück von Stefan Zweig, das Lux’ Leben in Bildern darstellt.
Der thematische Abend vermittelte durch das Zusammenspiel der Akteure ein lebendiges Bild der Mainzer Republik und ihrer Protagonisten. Die Bedeutung dieser Republik, des ersten demokratischen Staatswesens auf deutschem Boden, sei noch zu wenig bekannt, fand Jörg Schweigard. Der Bundespräsident habe aber letztes Jahr in Mainz die große Bedeutung dieser Republik hervorgehoben, die den schwierigen deutschen Weg zur parlamentarischen Demokratie markiert habe. Mit einem Dankeschön, begleitet von viel Applaus des Publikums, entließ der Landrat Künstler und Gäste nach spannenden zwei Stunden nach Hause.
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