Interview mit Meteorologin und Astronautin Dr. Insa Thiele-Eich
„Es ist schon lange mein Traum, einmal ins Weltall zu fliegen!“

Dr. Insa Thiele-Eich trainiert derzeit dafür, als erste deutsche Frau ins Weltall zu fliegen.  | Foto: ©dieastronautin
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Anlässlich des Internationalen Tages der Mädchen und Frauen in der Wissenschaft gemeinsam mit dem MINT-Fachtag kam am 11. Februar 2020 Dr. Insa Thiele-Eich an die Technische Hochschule in Aschaffenburg. Die Meteorologin ist eine der beiden deutschen Astronautinnen, die 2021 als erste Deutsche ins Weltall fliegen will. Sie gehört der Privatinitiative „erste deutsche Astronautin“ an, die sich zum Ziel gesetzt hat, die erste deutsche Frau ins All zu schicken (www.dieastronautin.de). Rund 200 Schülerinnen aus der Region waren dabei, als Dr. Insa Thiele-Eich von ihrem Werdegang und ihren Erfahrungen als Frau in der Wissenschaft berichtete. Wir führten einige Zeit später ein telefonisches Interview mit Dr. Insa Thiele-Eich.

Dr. Insa Thiele-Eich, Meteorologin und Astronautin. | Foto: ©dieastronautin

Frau Dr. Thiele-Eich, Sie bereiten sich derzeit mit einer weiteren Astronautin im Rahmen der Privatinitiative „erste deutsche Astronautin“ auf einen Weltraumflug im Jahr 2021 vor. Wie weit ist der Stand der Vorbereitungen und wie sehen diese konkret aus?
Jetzt gerade befinden wir uns in den letzten Zügen des Basistrainings. Dazu gehören unter anderem grundlegende Physikvorlesungen, aber auch Tauch- und Zentrifugentraining sowie Parabelflüge. Ziel des Basistrainings ist es, die Teilnehmer:innen auf den gleichen Stand zu bringen, da Bewerber:innen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen dabei sind. Größtenteils haben wir alle schon einen mathematisch-naturwissenschaftlichen Hintergrund, aber es sind auch Pilotinnen und Piloten oder Mediziner:innen dabei.
In einem weiteren Schritt absolvieren wir das so genannte ´Advanced Training´, in dem bestimmte Dinge noch einmal vertieft werden und Kenntnisse aus dem Basistraining erhalten werden. Der letzte Schritt der Vorbereitungen wird darin bestehen, die besonderen Spezifikationen der Mission genau zu beleuchten und uns darauf vorzubereiten. Hier haben wir schon Teile vorgegriffen.

Hat die Corona-Pandemie, die derzeit unser Leben beherrscht, Auswirkungen auf Ihre Vorbereitungen und Ihr Training und wenn ja, welche?
Tatsächlich war noch Tauchtraining vorgesehen, doch das geht derzeit wegen Corona leider nicht, weil die Schwimmbäder und Tauchzentren geschlossen sind. Und aufgrund der Pandemie fanden viele Vorlesungen online statt. Wir sind glücklicherweise beide bereits im Besitz unserer Fluglizenzen. So kann ich weiterhin chartern und meine Flugstunden zum Scheinerhalt fliegen. Das mache ich auch sehr konzentriert, da viele Maschinen derzeit am Boden stehen, weil die Flugschüler:innen nicht fliegen dürfen. Insofern hat Coroan auch einen positiven Effekt für mich. Außerdem waren wir noch bei der Luftwaffe in der Humanzentrifuge.
Wir machen auch viel Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Raumfahrt und halten dazu zahlreiche Veranstaltungen ab. Das ist jetzt alles natürlich komplett abgesagt worden. Sehr schade ist das für unser Bildungsprojekt „Code 4 Space“. Das liegt jetzt leider auf Eis, denn es lässt sich nicht alles online durchführen.
Wir haben in der Zeit der ersten Corona-Maßnahmen mit intensiven Online-Vorlesungen begonnen. Über Skype lief das erstaunlich gut und machte sehr viel Spaß. Ansonsten ist unser Team ohnehin sehr weit verteilt, so dass wir uns nur etwa zweimal im Jahr sehen. Insofern machen die Reiseeinschränkungen für unser Team gar keinen großen Unterschied.
Wir schauen derzeit allerdings gespannt, welche Auswirkungen Corona auf die allgemeine wirtschaftliche Situation haben wird. Da in Deutschland die Raumfahrt – anders als beispielsweise in den USA – nicht systemrelevant ist, könnte durch Corona die Finanzierung unserer Mission gefährdet sein. Das können wir derzeit noch nicht abschätzen.

Wann wissen Sie, ob Sie ins All fliegen werden?
Das hängt, wie gerade dargelegt, davon ab, ob die Finanzierung gesichert ist. Bis zum Lockdown hatten wir hier sehr gute Fortschritte gemacht.

Was werden Ihre Aufgaben sein, wenn Sie im Weltall sind?
Unsere Aufgabe werden humanphysiologische Experimente sein, konkret Untersuchungen des weiblichen Körpers in der Schwerelosigkeit. Dabei wird es darum gehen, welche Auswirkungen die Schwerelosigkeit auf den weiblichen Hormonhaushalt hat. Bisher gibt es dazu – zumindest in Deutschland – keine Daten. Für die Mission haben wir beispielsweise gelernt, uns selbst Blut abzunehmen oder Untersuchungen an uns selbst durchzuführen.
Mit einem unserer Partner – dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR – wird es um Lebenserhaltungssysteme gehen. Fragestellungen hierbei sind beispielsweise, wie man CO² aus der Luft filtern und gewinnbringend recyceln kann. Das ist deshalb eine wichtige Frage, weil auf der Raumstation alle Rohstoffe sehr wertvoll sind. Da möchte man nicht einfach irgendetwas wegwerfen, ohne über eine weitere Verwendung nachzudenken.
Wir haben übrigens einen reinen Forschungsaufenthalt und werden keinerlei Wartungsaufgaben auf der Raumstation übernehmen, weil wir dafür nicht ausgebildet sind. So bleibt uns umgekehrt aber viel Zeit für die Wissenschaft.

Welche Berufsausbildung haben Sie dazu absolviert?
Ich selbst bin Meteorologin. Das ist nicht unbedingt die Ausbildung, die ich als Astronautin benötige. Meine Kollegin und ich sind beide Naturwissenschaftlerinnen und haben ein wissenschaftliches Grundverständnis. Darauf werden grundsätzlich alle Astronaut:innen getestet. Auf dieser Basis lernen wir neue Gebiete kennen, die wir für die Mission brauchen.

Am 11. Februar 2020 waren Sie anlässlich des Internationalen Tages der Mädchen und Frauen in der Wissenschaft an der Technischen Hochschule Aschaffenburg. Sie haben dort von Ihrem Werdegang und Ihren Erfahrungen berichtet und die Mädchen darin bestärkt, ihren eigenen Weg zu gehen. Warum ist Ihnen das so wichtig?
Ich halte es generell für wichtig, den eigenen Weg zu gehen und das, was einen neugierig macht, auch weiter zu verfolgen– egal, ob man ein Mädchen oder ein Junge ist. Unsere Gesellschaft ist leider immer noch sehr stark von Vorurteilen geprägt. Daher appelliere ich im Rahmen meiner Vorträge in erster Linie an die Erwachsenen, denn es ist unsere gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die Rollenbilder und Klischees, die jede:r von uns im Kopf hat, zu überdenken und nach Möglichkeit abzuschaffen. Denn wenn junge Frauen sich nicht dafür entscheiden, einen MINT-Beruf zu ergreifen, dann liegt es nicht daran, dass sie es nicht können oder dass sie sich nicht genug angestrengt haben. Es liegt an den widrigen Umständen, die es für sie viel zu oft zu überwinden gilt.
Ein wichtiger Schritt ist hier übrigens auch die Sprache: wenn ich stets nur von Männern spreche und Frauen „mitgemeint“ sind, ist das eine weitere gedankliche Hürde, die Frauen überwinden müssen: bin ich mitgemeint? Oder meint man wirklich nur Männer? All diese Hürden kosten Energie, die für andere Dinge nicht mehr da ist.

Woher kommen Ihr eigenes Interesse für die MINT-Wissenschaften und das Interesse für das Weltall?
Mein Vater ist Physiker und Naturwissenschaftler und hat diese Begeisterung mit uns geteilt. Auch meine Mutter hat immer viel über die Natur und das Verständnis zwischen Mensch und Umwelt in den Alltag mit eingebaut. So hat mich diese Interaktion zwischen Mensch und Umwelt schon als Kind fasziniert. Da mein Vater auch noch weltallbegeistert ist, war es für mich naheliegend, auch einen Blick für das Universum zu bekommen. Er hat uns die Sterne gezeigt, unter anderem die Andromeda-Galaxie, die man am Nachthimmel mit bloßem Auge sehen kann. Das war sehr eindrücklich für mich, zu sehen und zu spüren, dass es noch andere Galaxien dort draußen gibt. Sicherlich war auch noch eine natürliche Affinität für Naturwissenschaften vorhanden, denn Mathe fiel mir in der Schule viel leichter als Deutsch oder Geschichte.

Die Arbeit im Weltraum ist auch immer mit Gefahren verbunden. Das haben Katastrophen schon auf tragische Weise gezeigt. Wie gehen Sie mit diesen Gedanken um?
Ich rechne nicht mit einer hohen Wahrscheinlichkeit damit, sonst würde ich es nicht machen. Aber die Gedanken daran schiebe ich nicht beiseite, denn die Gefahren sind real. Wir wissen über die Risiken Bescheid und lernen, damit umzugehen. Die Astronautenausrüstung bringt mich manchmal in Situationen, in denen ich meine Selbstbestimmtheit abgeben muss, und die Kontrolle über lebenserhaltende Systeme – z.B. der Sauerstoff beim Tauchen an andere abgeben muss. Das ist ein Lernprozess.
Angst ist andererseits ein ganz natürlicher Instinkt von uns Menschen. Wir müssen alle lernen, Ängste zuzulassen, mit ihnen umzugehen und darauf zu reagieren, ohne unser Handeln davon bestimmen zu lassen.

Wie steht Ihre Familie – Sie sind verheiratet und Mutter – zu Ihrer Entscheidung, als Astronautin ins Weltall zu fliegen?
Mein Mann kennt mich schon sehr lange, denn wir sind zusammen zur Schule gegangen. Ungefähr genauso lange weiß er, dass ich Astronautin werden möchte. Das ist schon lange mein Traum und war schon meinen Mitschülerinnen und Mitschülern bekannt. Meinem Mann war dann natürlich klar, dass ich mich bewerbe. Das stand also gar nicht zur Debatte.
Als ich dann ausgewählt wurde, haben wir natürlich noch einmal darüber gesprochen ob ich das Training beginne, aber eher weil diese Zeit natürlich sehr massiv in unser Leben als Familie eingreift.
Durch meinen Vater, der selbst ins Weltall geflogen ist, bin ich sehr privilegiert aufgewachsen, indem ich beispielsweise die Auseinandersetzung mit dem Risiko, dass er nicht zurückkommt, schon als Kind durchgearbeitet habe. Er ist ja nicht einfach auf Dienstreise gewesen, sondern im Weltall. Ich glaube, davon profitieren meine Kinder gerade sehr – der Umgang mit dem Thema ist meist sehr entspannt. Und: sie wissen auch, dass Opa im All war und sicher wieder zurück gekommen ist. Das ist sicher auch sehr wertvoll.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Das Gespräch führte unsere Redakteurin Andrea Kaller-Fichtmüller am 22. April 2020 während des Corona-Lockdowns.

Stiftung „Erste deutsche Astronautin gGmbH“

Die Stiftung „Erste deutsche Astronautin gGmbH“ möchte im Jahr 2021 die erste deutsche Astronautin ins Weltall schicken.
Ziele der Gesellschaft:
 Mädchen und junge Frauen für die Raumfahrt sowie Naturwissenschaften und Technik begeistern
 Wissenschaft und Forschung an Bord der ISS unterstützen und die Ergebnisse der Wissenschaft zugänglich machen
 Organisation, Planung und Durchführung der Forschung der ersten deutschen Astronautin im Weltall
 Intensive Vorbereitung auf der Erde
 Begleitung des Fluges
 Aufenthalt auf der Raumstation ISS und anschließende Rückkehr
Kontakt:
Stiftung erste deutsche Astronautin gemeinnützige GmbH
Donandtstr. 35
28209 Bremen
Geschäftsführerin Inka Helmke
E-Mail: info@dieastronautin.de
Internet: www.dieastronautin.de

Autor:

Andrea Kaller-Fichtmüller aus Miltenberg

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