Schließung der Arbeitsagentur Miltenberg diskutiert
Auf zum Teil deutliche Kritik sind im Kreistag Überlegungen der Bundesagentur für Arbeit gestoßen, die Dienststelle in Miltenberg zu schließen und die Geschäfte in Obernburg zu konzentrieren. Auf diese Entscheidung, die der Verwaltungsrat der Agentur in Nürnberg trifft, habe der Landkreis allerdings keinen Einfluss, bedauerte Landrat Jens Marco Scherf.
Harald Maidhof, Leiter der Arbeitsagentur Aschaffenburg, listete die Gründe auf, die für diese Entscheidung sprechen. Zum einen trage dazu der erfreuliche Umstand bei, dass sich die Arbeitslosigkeit deutlich verringert habe und somit auch die Zahl der Kunden – im Landkreis Miltenberg mittelfristig um 23 Prozent. Das habe zur Folge gehabt, dass der Personalkörper in den Dienststellen auf einen Stand gesunken sei, der zu Lasten der Hauptagentur gestützt werden müsse. Maidhof machte auch klar, dass sich zwei Drittel der Kundenanliegen im Norden des Kreises konzentrieren – dort befinde sich zudem die Mehrzahl der Betriebe und Arbeitsplätze. Auch seien Arbeitslose dank der guten Konjunktur zurzeit nach durchschnittlich 100 Tagen wieder in Arbeit, so dass sich die Kontakte in Grenzen hielten.
Maidhof stellte fest, dass man allen Kunden auch weiterhin ein umfassendes Dienstleistungsangebot unterbreiten werde – sowohl in der Agentur in Obernburg wie auch im Jobcenter, das am Standort Miltenberg verbleiben werde. Für die Agentur bringe eine einzige Geschäftsstelle den Vorteil, dass personelle Engpässe besser kompensiert werden könnten, so dass die Dienststelle nun an fünf Arbeitstagen pro Woche den Kunden offen stehen werde. Zudem sei der Standort Obernburg von allen Orten im Landkreis in maximal 75 Minuten mit öffentlichen Verkehrsmitteln – und somit in vertretbaren Wegzeiten – zu erreichen. Darüber hinaus werde das Online-Angebot stetig ausgebaut. Bereits heute würden 40 Prozent der Anträge auf Arbeitslosengeld online gestellt.
Maidhof kündigte an, dass in Miltenberg eine Jugendberufsagentur geplant sei, die zusammen mit Landratsamt und Jobcenter Jugendliche beraten und andere Dienstleistungen erbringen werde. Insgesamt, fasste Maidhof zusammen, „können wir zwei Geschäftsstellen guten Gewissens nicht aufrecht erhalten“, denn man müsse mit dem zur Verfügung stehenden Geld wirtschaftlich und sinnvoll umgehen. In der anschließenden Diskussion wurde der Vorwurf laut, diese Entscheidung schwäche den ländlichen Raum. „Die Entscheidung freut uns nicht“, befand Landrat Scherf, allerdings habe die Politik im Landkreis darauf keinen Einfluss.
Diskussionen entwickelten sich im Gremium bei der Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms Bayern, zu dem der Landkreis Miltenberg angehört wird. Laut Matthias Krah, Leiter der Bauabteilung am Landratsamt, habe die Verwaltung dazu mehrere Bedenken geäußert. Diese wurden zum Teil mehrheitlich, zum Teil einstimmig vom Kreistag mitgetragen. So wird unter dem Punkt „Zentrale Orte im Raum mit besonderem Handlungsbedarf“ angeführt, dass der „Raum mit besonderem Handlungsbedarf“ neben dem Landkreis Miltenberg auf Stadt und Landkreis Aschaffenburg ausgeweitet werden soll. Die Bedenken, dass damit pro Gebietskörperschaft weniger Fördermittel bereit stehen, nahm auch der Kreistag auf. Ergänzt wurde die Stellungnahme deshalb einstimmig mit dem Satz, dass auch die Fördermittel insgesamt erhöht werden sollten.
Mehrheitlich stimmte der Kreistag den Bedenken gegen die Lockerung des sogenannten Anbindegebots zu. Darin wird unter anderem geregelt, dass an Autobahnanschlüssen oder autobahnähnlichen Straßen Gewerbegebiete ermöglicht werden. Das Landratsamt erhob dagegen Bedenken, da die Verfassung des Freistaats den schonenden und sparsamen Umgang mit Naturgütern fordert. Das unterstrichen mehrere Kreisräte in Wortmeldungen. Andere argumentierten, ein Anbindegebot verstoße gegen die Planungshoheit der Kommunen.
Mehrheitlich stimmte der Kreistag den Kostenerhöhungen für den Ausbau und die Sanierung der Kreisstraße von Weckbach nach Vielbrunn zu, in der auch der Bau von Krötentunneln vorgesehen ist. Die Angelegenheit war bereits im Ausschuss für Bau und Verkehr beraten worden und dem Kreistag zur Zustimmung empfohlen worden. Beim Ausbau der Kreisstraße waren Mehrkosten von 120.000 Euro durch ungünstige Ausschreibungsergebnisse angefallen, dazu 115.000 Euro für nachträglich erforderliche Schutzeinrichtungen (Leitplanken). Zudem wendet der Kreis 210.000 Euro für ein Amphibienleitsystem auf. „Eine wirtschaftlichere Lösung war nicht möglich“, bedauerte Kreisbaumeister Andreas Wosnik. Das Projekt sei „suboptimal“ verlaufen, stellte er fest und auch der Leiter des Staatlichen Bauamts, Norbert Biller, sprach davon, dass seine Behörde „nicht ganz unschuldig“ an den höheren Kosten sei. Das Ausmaß der Krötentunnel habe man unterschätzt, gab er zu. Während einige Kreisräte die relativ hohen Kosten für das Amphibienleitystem hinterfragten, stellten andere fest, dass Artenschutz nicht umsonst zu haben sei und die Maßnahmen sinnvoll seien.
Künftig wird gemäß einstimmigen Beschlüssen des Kreistags der Kreisrat Ansgar Stich (Bündnis 90/Die Grünen) an Stelle von Petra Münzel (Bündnis 90/Die Grünen) als Verbandsrat dem Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung Bayerischer Untermain angehören. Münzel wird Stichs Platz in der Schulkommission einnehmen.
Einstimmig sagte der Kreistag Ja zur Empfehlung der Verwaltung, dass der Landkreis Miltenberg bis 2020 bei der Altregelung der Umsatzsteuerbesteuerung bleibt. Da die Neuregelung der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung der Tätigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts eine Neubewertung vieler Sachbehalte erfordert, will der Landkreis die Übergangsregelung nutzen, ehe die Neuregelung vom 1. Januar 2017 an angewendet werden muss.
Verabschiedung: Landrat Jens Marco Scherf verabschiedete Kreisrat Dr. Christian Steidl, den es nach Radebeul zieht. Scherf dankte ihm für sein Engagement als Kreisrat sowie für seinen ehrenamtlichen Einsatz als Vorsitzender des Kreisjugendrings: „Es tut weh, ihn zu verlieren.“
Zu Beginn der Sitzung hatte Scherf um eine Gedenkminute für den Polizisten gebeten, der von einem sogenannten Reichsbürger ermordet worden war. Zudem nahm der Landrat zu Presseberichten über den „Sommerrausch“ und Äußerungen von Kreisrat Jürgen Reinhard Stellung, dass die Informationen hierüber nicht ausreichten. Das Thema sei nicht am Kreistag vorbei gegangen, stellte Scherf fest und verwies auf einen Beschluss des Kreistags, Zielvereinbarungsprozesse für die Bereiche Kultur und Tourismus zu initiieren. In diesem Prozess für den Bereich Kultur, der am 23. Juli 2015 stattgefunden habe, seien Vertreter aller Kreistagsfraktionen vertreten gewesen, blickte der Landrat zurück. Über die Ergebnisse sei am 9. November 2015 im Ausschuss für Bildung, Kultur und Soziales berichtet worden. Im Zielvereinbarungsprozess sei damals festgelegt worden, verstärkt Kinder und Jugendliche zu fördern sowie den Kulturwochenherbst durch Fokussierung auf bewährte Veranstaltungsorte und hochwertige Formate, die nicht nur ein breites Publikum ansprechen, konzeptionell weiter zu entwickeln. Auch sollten Angebote für die Gruppe der 25- bis 40-Jährigen entwickelt werden. Unter anderem sei auch über den „Sommerrausch“ gesprochen worden. Scherf berichtete von zunehmenden Rückmeldungen von überlasteten Ehrenamtlichen und stellte die Frage, ob Veranstaltungen mit 3000 Besuchern in den Aufgabenbereich des Kulturreferats eines Landratsamts fallen. Im Workshop sei deshalb festgehalten worden, die privatwirtschaftliche Trägerschaft und die Konzeption der Veranstaltung zu prüfen. Im November sei das nächste Treffen auf Arbeitsebene geplant, parallel würden die Kosten einer externen Organisation geprüft. Alle Beteiligten seien sich einig, ein tragfähiges Format zu entwickeln, fasste Scherf zusammen. Das vorläufige Ergebnis dieser Gespräche werde im November dem Ausschuss für Bildung, Kultur und Soziales vorgelegt sowie, falls nötig, auch dem Kreisausschuss oder dem Kreistag. Dieses Vorgehen gelte auch für den Spessart als möglichen dritten Nationalpark in Bayern. Die Gebietskörperschaften im Bereich des Spessarts hätten sich noch nicht positioniert, ob sie einen Nationalpark wollen oder nicht, verwies der Landrat auf geplante Gespräche im Umweltministerium.
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