Landkreis Miltenberg ist Fairtrade-Landkreis

Fairtrade-Ehrenbotschafter Manfred Holz (links) Ÿberreichte die Zertifizierungsurkunde des Landkreises als Fairtrade-Landkreis an Landrat Jens Marco Scherf
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Seit Donnerstagabend, 22.9.2016 darf sich der Landkreis Miltenberg offiziell Fairtrade-Landkreis nennen: Fairtrade-Ehrenbotschafter Manfred Holz überreichte an Landrat Jens Marco Scherf die Zertifizierungsurkunde. Damit nicht genug: Der Landkreis verbindet sein Fairtrade-Engagement auch mit der Förderung regionaler Produkte. Auf diese Weise gewinnen nicht nur Produzenten aus den ärmeren Ländern, sondern auch einheimische Lebensmittelhersteller.

Untermalt vom Musikduo Romanike (Ulrike Walter und Roman Doubravsky), moderierte Landrat Jens Marco Scherf vor zahlreichen Gästen aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung sowie ehrenamtlich Tätigen die Verleihungsfeier. Die kontroverse Diskussion im Kreisausschuss, als es um das Thema Fairtrade-Landkreis gegangen sei, hatte der Landrat noch gut in Erinnerung. Dennoch sah er diese Gespräch positiv: Sie hätten zum einen darauf hingewiesen, dass auch regionale Produkte Beachtung finden sollten, zum anderen sei sachliche und konstruktive Kritik immer wichtig in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft. Die inhaltliche Auseinandersetzung habe schließlich zur Kampagne „fair und regional – einfach genial“ geführt und werde beiden Ansätzen gerecht.

Der Kreistag habe die Bewerbung des Landkreises einstimmig befürwortet und verfolge damit unter anderem das Ziel, mehr Gerechtigkeit im internationalen Handel durch bessere Handelsbedingungen zu schaffen sowie die sozialen Rechte für benachteiligte Produzentinnen und Produzenten sowie Arbeiterinnen und Arbeiter insbesondere in den Ländern des Südens zu sichern. Nur wenn Menschen überall auf der Erde in Frieden von ihrer Arbeit leben können und eine soziale Grundsicherung haben, könnten Fluchtbewegungen vermieden werden. Dazu trage die Förderung des Handels mit Fairtrade-Produkten bei, zeigte sich der Landrat überzeugt. Er wünschte sich, dass von Jahr zu Jahr mehr Menschen gewissenhaft einkaufen und das Motto „fair und regional – einfach genial“ mit Leben erfüllen. Als Beispiel führte der Landrat den Mango-Apfelsaft an, einer „wunderbaren Kombination von Fairtrade und regionalen Produkten: fair gehandelter Mangosaft von den Philippinen und Saft von den Streuobstwiesen im Landkreis Miltenberg.“

Dass die Bemühungen zum Fairtrade-Landkreis erfolgreich waren, machte Scherf vor allem an den Mitgliedern der Steuerungsgruppe fest: Hubert Eckert, Lukas Hartmann, Petra Münzel, Robert Faust, Annette Dekant, Dr. Jürgen Jung, Karlheinz Paulus und Anna Karl. Die Wiederbelebung des Siegels „Aus der Region“ hätten Harald Blankart, Karlheinz Paulus, Jürgen Jung, Susanne Seidel und Markus Seibel vorangetrieben, lobte Scherf und wies auf die zahlreichen Milch-, Obst- und Fleischerzeuger hin, die an Ständen im Foyer des Landratsamts ihre Produkte zeigten. Weitere Informationen könne man im Internet unter http://fair-regional.landkreis-miltenberg.de bekommen, so Scherf.

Mit „my fair ladies and gentlemen“ begrüßte der Fairtrade-Ehrenbotschafter Manfred Holz die versammelten Gäste in Anspielung auf das Wort Fairtrade. „Die Reichen werden reicher, die Armen zahlreicher“, wies er auf die ungleiche Verteilung des Reichtums in der Welt hin. Es sei Zeit zum Umdenken, fand er und forderte dazu auf, lokal zu handeln und global zu denken. Mehr Solidarität sei gefragt und gerade Deutschland als reiche Industrienation sei in der Pflicht, einen konkreten Beitrag hierfür zu leisten. Von den Bemühungen im Landkreis Miltenberg, Fairtrade-Landkreis zu werden, zeigte er sich sehr beeindruckt. „Die fünf Anforderungen sind hoch, aber der Landkreis hat sie mit Bravour erfüllt“, lobte er. Das Siegel sei ein Auftrag für weitere Aktivitäten, sagte er, denn es müsse alle zwei Jahre wieder erworben werden. Er hob den enormen Einsatz der Steuerungsgruppe hervor und forderte die Bürgerinnen und Bürger auf, ihren Beitrag zu leisten. Es dürfe nicht sein, dass Menschen sich teure Kaffeemaschinen leisten, darin aber billigen Kaffee zu bereiten, sagte er. In Deutschland sei beim Umsatz von Fairtrade-Produkten noch viel Luft nach oben: Während jeder Bürger in der Schweiz 58 Euro pro Jahr mit solchen Waren umsetzt und jeder Brite 33 Euro, liege der Wert in Deutschland gerade einmal bei zwölf Euro. Die Palette der Produkte sei riesig, führte Holz eine lange Liste von Waren auf und überreichte die Zertifizierungsurkunde an Landrat Scherf.

Robert Faust, Mitglieder der Steuerungsgruppe und des Eine-Welt-Ladens Mömlingen, berichtete von erfolgreicher und konstruktiver Zusammenarbeit im Steuerkreis. Es mache Freude, vieles sei in den Gemeinden und Schulen in Bewegung, sagte er und erwähnte unter anderem das Miltenberger Gymnasium, das Fairtrade-Schule werden will. „Die Menschen ziehen mit und entwickeln eigene Ideen“, lautete seine Erkenntnis. Dank des Einzelhandelsfachmanns Hubert Eckert wisse man beispielsweise, wie man richtig an Gastronomen herantritt. Das Fairtrade-Programm entfalte seine Wirkung aber nicht nur in der Breite, sondern auch in der Tiefe. „Wir haben noch viele Ideen“, machte er Neugier auf weitere Vorhaben der Steuerungsgruppe.

Harald Blankart, Kreisrat, Bereichsleiter Landwirtschaft am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Karlstadt und ehemaliger Entwicklungshelfer, stellte die wichtige Arbeit der Landwirte vor. Sie sorgen nicht nur für gesunde und ausreichende Lebensmittel, sondern erhalten auch das Landschaftsbild. Leider seien die Preise für die Produkte alles andere als ausreichend. Die Milchpreise, die aufgrund der hohen Milchmengen im Markt bis auf 20 Cent pro Liter gesunken seien, bezeichnete er als „katastrophal.“ Man steuere nun mit einem Milchmengenreduzierungsprogramm dagegen, sagte er. Die Verbraucherinnen und Verbraucher könnten am besten helfen, wenn er die Milch direkt beim Bauern kauft, das sei aber im Landkreis Miltenberg gar nicht so einfach. Die Entfernungen dürften auch nicht zu groß sein, da weite Fahrten nicht ökologisch seien. Allerdings gebe es nun die Möglichkeit, Käseprodukte aus der Region zu kaufen. Da es keine Molkerei mehr im Landkreis gibt, habe man Kontakt mit der Molkerei im hessischen Hüttenthal aufgenommen und einen Versuch gestartet: Aus 1100 Litern Miltenberger Milch sei dort der „Miltenberger Käsetaler“ hergestellt worden, der über die Bürgstadter Firma Käse Münch vertrieben wird. Dabei gebe es nur Gewinner: Der Erzeuger bekomme einen angemessenen Milchpreis, der Konsument könne zu einem angemessenen Preis ein regionales Milchprodukt kaufen. Blankarts Appell: „Kaufen Sie Produkte aus der Region so nah wie möglich am Erzeuger.“ Man hoffe, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher dieses Angebot wahrnehmen, so dass die nächsten Taler produziert werden können.

Blankart stellte das Regionalsiegel „Aus der Region“ vor, das stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt werden soll. Darüber können regionale Produkte öffentlichkeitswirksam vermarktet werden. Über 40 Betriebe seien gelistet, mehr seien wünschenswert. Das Siegel bekommen beispielsweise Gastronomen, die mindestens zwei regionale Gerichte auf der Speisekarte haben und Einzelhändler, die mindestens zwei Produkte im Sortiment führen. „Fair und regional – einfach genial“ – mit der Umsetzung dieses Mottos sei allen geholfen, stellte Blankart fest.

Mit einem großen Puzzle verdeutlichten anschließend Landrat Jens Marco Scherf, Harald Blankart, Manfred Holz und Robert Faust, wie der Landkreis Miltenberg und die ganze Welt zusammen passen.

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