Viele Fragen zum Zusammenleben von Flüchtlingen und Deutschen
Ein Wochenende lang haben sich 22 junge Flüchtlinge im Jugendhaus St. Kilian in Miltenberg getroffen, um Fragen des Zusammenlebens in Deutschland zu diskutieren. Die Veranstaltung wurde von der Bundeszentrale für politische Bildung gefördert und vom Jugendamt sowie Jugendhaus St. Kilian unterstützt. Auch Thorsten Meyerer, einer der Stellvertreter von Landrat Jens Marco Scherf, stellte sich den Fragen der jungen Migrantinnen und Migranten.
Die jungen Menschen, größtenteils aus Afghanistan, befassten sich unter Moderation von Joachim Schmitt und Angela Merkle sowie deren Team vor allem mit der Frage, wie das Zusammenleben in Deutschland besser gelingen kann und was die jungen Migrantinnen und Migranten dazu beitragen können. Sie formulierten Wünsche und Erwartungen an die Gesellschaft in Deutschland, diskutierten aber auch darüber, was sie selbst tun können und wie sich einbringen können.
Die zwischen 16 und 26 Jahre alten Flüchtlinge arbeiteten in Gruppen zu Themen wie „Mein Leben, mein Alltag und die Regeln“, „Demokratie in Deutschland“ und „Mitbestim-mung vor Ort“. Für den Besuch des stellvertretenden Landrats hatten sie mehrere Anlie-gen zusammengetragen, die ihnen am Herzen liegen.
Sie können es etwa nicht verstehen, dass für manche Deutsche jeder Ausländer gleich ein Terrorist ist. Eine junge Frau stellte fest, dass sie das Kopftuch freiwillig trägt und es nicht
vom Kopftuch abhängt, ob ein Mensch gut oder schlecht ist. Laut Thorsten Meyerer müsse man den Menschen oft erklären, warum Dinge so sind wie sie sind. Es herrsche viel Unwissenheit über die kulturellen Unterschiede zwischen Deutschen und Geflüchteten, so seine Erkenntnis.
Die jungen Flüchtlinge hatten auch Ideen gesammelt, wie sie mit den Menschen in Deutschland umgehen: Sie bleiben höflich, suchen Kontakt und zeigen Respekt, damit sie selbst welchen bekommen. Außerdem halten sie es für wichtig, Geschichten von zuhause zu erzählen, damit sie besser verstanden werden. Ein Flüchtling zeigte in Bildern, wie schön es in Syrien war, dass sich dort in Städten wie Damaskus Tradition und Moderne vereinen, dass häufig Kirchen neben Moscheen gebaut wurden. Thorsten Meyerer konnte sich viele Möglichkeiten vorstellen, diese Geschichten zu erzählen und der Öffentlichkeit vorzustellen. Als Verwaltung sei dies schwierig, aber in Schulen müsse es möglich sein, beispielsweise Ausstellungen zu organisieren. Die Flüchtlinge würden gerne mitmachen, am liebsten aber gemeinsam mit deutschen Schülerinnen und Schülern. Für Thorsten Meyerer wäre es denkbar, solche Ausstellungen auch im Foyer des Landratsamts zu zeigen, damit eine breite Öffentlichkeit über diese Themen informiert wird. Interessiert zeigten sich die jungen Flüchtlinge auch, kurze Videoclips zu erstellen, die beispielsweise über Youtube anzuschauen sind.
Die Migrantinnen und Migranten baten auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jobcenters, die Flüchtlinge nicht immer wieder nach den Gründen für ihre Flucht zu fragen. Viele Flüchtlinge seien traumatisiert und würde nicht gerne über ihre Vergangenheit reden. Vielmehr solle man die Migrantinnen und Migranten zukunftsgerichtet fragen, was sie erreichen wollen. In einem Theaterstück zeigten sie, wie schwierig es für sie ist, etwa Schreiben des Jobcenters zu verstehen. Sie wünschen sich eine einfache Sprache, damit sie nicht Nachbarn, Freunde oder Lehrer fragen müssen, was die Behörde von ihnen will. „Das geht sicherlich auch vielen Deutschen so“, erkannte Thorsten Meyerer und begründete das Amtsdeutsch mit dem Wunsch von Behörden, sich gegen alles Mögliche rechtlich absichern zu wollen. Dennoch wolle er mit dem Leiter des Jobcenters darüber sprechen, ob es nicht eine Möglichkeit gibt, Schreiben verständlicher zu formulieren. Dabei will er auch die Höflichkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jobcenters ansprechen, denn hierüber wurden von mehreren jungen Leuten Klagen geführt.
Sehr berührt zeigte sich Meyerer von zwei jungen Flüchtlingen aus Afghanistan, die vor der Abschiebung stehen. Beide fürchten um ihr Leben, sollten sie zurückgehen müssen.
„Wer einmal in Europa war, ist der Feind der Taliban“, sagte einer. „Ich gebe nicht auf und lerne weiter Deutsch“, zeigte sich ein Flüchtling entschlossen, trotz eines Negativbe-scheids an seiner Zukunft zu arbeiten. Beide haben gute Chancen auf einen Ausbildungsplatz, dürfen diesen aber aufgrund des Bescheids nicht antreten. Daraus resultierte auch ein weiterer Wunsch der Seminarteilnehmerinnen und Seminarteilnehmer: Jeder Mensch, der integriert ist, soll in Deutschland bleiben dürfen. Das sah auch Thorsten Meyerer so, der ein Bleiberecht aus humanitären Gründen für alle forderte, in deren Heimat Krieg herrscht. „Nur weil jemand sagt, dass es dort sicher ist, heißt das noch lange nicht, dass es auch wirklich sicher ist“, stimmte er den beiden Flüchtlingen zu. Leider, so Meyerer, habe der Landkreis Miltenberg keine Möglichkeit, in Entscheidungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge einzugreifen. Lediglich in Fällen, in denen das Jugendamt der Vormund sei, könne man vor Gericht klagen.
Nach rund eineinhalb Stunden konnte der stellvertretende Landrat viele Impulse mit nach Hause nehmen, die er in Gesprächen mit Jobcenter und den regionalen Abgeordneten auch gerne weitergeben wird.
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