Gemeinsam Verantwortung für den Wald wahrgenommen
Vor vollbesetzten Reihen im Umpfenbacher Schützenhaus ist am Freitagabend die öffentliche Hegeschau für den Altlandkreis Miltenberg über die Bühne gegangen.
Umrahmt von Jagdhornklängen der Jagdvereinigung Spessart-Aschaffenburg, appellierte BJV-Kreisvorsitzender Ralph Keller an die Kommunen, öffentliche Flächen im Sinne des Artenschutzes zu pflegen. Es gelte, den Artenschutz im Sinne des Volksbegehrens bereits jetzt ernst zu nehmen, sagte Keller, nicht erst nach Inkrafttreten des Gesetzes. Neunkirchens Bürgermeister Wolfgang Seitz forderte alle Verantwortlichen auf, gemeinsam das Beste für den Wald zu erreichen und zusammenzuhalten.
Landrat Jens Marco Scherf appellierte an die Beteiligten, die Abschusspläne gemeinsam aufzustellen, miteinander zu reden und so gemeinsam der Verantwortung gerecht zu werden. Er dankte den Hegeringleitern Ralph Keller, Joachim Asmussen, Michael Huber, Friedrich Schöffler und Peter Hennig für die Koordination der Abschussplanung auf Hegegemeinschaftsebene sowie für die gute Zusammenarbeit mit der Jagdbehörde. Für Gebiete mit dauerhaft zu hoher Verbissbelastung gebe es aus München mittlerweile deutliche Vorgaben, sagte Scherf und appellierte an die Jägerschaft, die Waldsituation mit den bewährten Jagdmethoden und Bejagungsstrategien nachhaltig zu verbessern. „Setzen Sie die vereinbarten Abschusszahlen um“, bat der Landrat. Welch positives Engagement hinter der Jagd steckt, könne man am Projekt „Action for Kitz“ sehen, bei dem Jäger gemeinsam mit Landwirten und Ehrenamtlichen Rehkitze retten.
Bei der Schießanlage in Mainbullau müsse man zwischen regulärem Schießbetrieb und Altlastenproblematik unterscheiden. „Die Schießanlage besitzt eine gültige Betriebsgenehmigung mit den notwendigen Auflagen, um schädliche Einträge zu vermeiden“, so der Landrat. In Sachen Altlasten laufe im Rahmen eines gerichtlich veranlassten Vergleichs ein Verfahren, mit Hilfe von Saugkerzen die mögliche Gefährdung des Grundwassers durch sich aus Bleischrotkugeln lösendem Blei zu konkretisieren. Es gelte, möglichst gemeinsam eine Lösung zu finden, um mögliche Gesundheitsgefährdungen ausschließen zu können. Das Landratsamt sei immer gesprächsbereit und arbeite lösungsorientiert, so Scherf. Er lobte weiterhin die beispielhafte Einrichtung der Konfiskatsammelstellen in Obernburg und Miltenberg. Beide Einrichtungen seien wichtige Bausteine der Vorsorge angesichts drohender Seuchen wie die Afrikanische Schweinepest.
Marcel Störmer, Jagdbeauftragter der Polizei Miltenberg, ging auf die von Bodo Ballmann entwickelten Wildunfallzeichen ein. Ob das Zeichen an Wildunfallstellen angebracht wird, entscheiden die Polizisten vor Ort, erklärte er – je nachdem, ob das angefahrene Wild gleich gefunden wird oder gesucht werden muss. Die Erfahrungen mit den Wildunfallzeichen seien bislang positiv, sagte Störmer.
Laut Amtsveterinärin Dr. Isabel Boecker-Kessel habe man im Landkreis Miltenberg vielfältige Vorkehrungen getroffen für den Fall, dass die Afrikanische Schweinepest kommen sollte. Sie listete unter anderem eine Übung mit Beteiligten aus Baden-Württemberg und Hessen auf, die Einrichtung eines Arbeitskreises, das Monitoring gesund erlegter und verendeter Wildschweine, die Auslegung der Konfiskatsammelstelle Miltenberg als Verwahrstelle im Seuchenfall sowie die Abstimmung von elf möglichen Standorten für Verwahrstellen. Jägerschaft und Schweinehalter seien mit Briefen ausführlich informiert worden, so Boecker-Kessel.
Auf Einladung von Ralph Keller referierte Professor Dr. Dr. Sven Herzog (TU Dresden) und ging auf die Bedeutung von Aas im Kreislauf der Natur ein. Er erklärte unter anderem, wie Kadaver besiedelt werden und welche Lebewesen sich davon ernähren – Insekten, Vögel, aasfressende Greifvögel sowie Säugetiere wie Marder, Fuchs und Wolf. Abfälle von erlegtem Wild solle man gemeinwohlverträglich im Wald belassen, wenn es keine Anzeichen von Erkrankungen gibt, schlug Herzog vor. Er riet dazu, auch als gesund befundene erlegte Wildscheine stichprobenartig auf die Schweinepest zu untersuchen. Das, entgegnete die Amtsveterinärin, geschehe im Landkreis Miltenberg bereits. Der Professor zeigte sich skeptisch, mit Bejagung Wildschweinbestände kontrollieren zu können. Lokal sei das möglich, großflächig eher nicht. Untersuchungen zeigten, dass sich die Streifflächen der Tiere vergrößern, wenn sie großräumig intensiv bejagt werden. Revierübergreifende Jagden würden die Schweine nur auf größere Areale verteilen, so Herzog. Konfiskatsammelstellen brauche es für gesunde erlegte Tiere nicht, denn deren Aufbruch solle man im Wald liegen lassen. Jagdberater Roland Dotterweich ergänzte, dass das Bedürfnis nach Entsorgung des Aufbruchs aus der Jägerschaft selber komme. Die Aujeszkysche Krankheit beispielsweise sei nicht klar erkennbar, so dass man den Aufbruch von rund 3.500 Wildschweinen pro Jahr lieber ordentlich entsorgen wolle.
Laut Jagdberater Rudi Faber seien in der Hegegemeinschaft I im abgelaufenen Dreijahreszeitraum 1.370 Stück Rehwild abgegangen (101 Prozent Abschussquote, Verbiss tragbar, Empfehlung: Abschuss unverändert), in der Hegegemeinschaft II waren es 1.034 Abgänge (92 Prozent, Verbiss zu hoch, Abschuss erhöhen), in der Hegegemeinschaft III 1.227 Abgänge (94 Prozent, Verbiss zu hoch, Abschuss erhöhen), in der Hegegemeinschaft IV 1.056 Abgänge (96 Prozent, Verbiss zu hoch, Abschuss erhöhen) und in der Hegegemeinschaft V 1.217 Abgänge (98 Prozent, Verbiss tragbar, Abschuss unverändert). Im Altlandkreis Miltenberg wurden im letzten Jagdjahr 1.484 Wildschweine erlegt, 43 wurden überfahren und zwölf wurden verendet aufgefunden. In der Konfiskatsammelstelle Obernburg seien bislang über 20 Tonnen Schweineabfall entsorgt worden, in Miltenberg seit Jahresanfang 1,5 Tonnen. Abschusszahlen nannte Faber auch zum Rotwild, Muffelwild, Damwild und Niederwild. 289 Wildunfälle seien verzeichnet worden, 108 weniger als im Vorjahr.
Forstdirektor Walter Adamek zufolge hoffen die Forstleute und Waldbewirtschafter, dass die Bejagungserfolge in dieser Abschussperiode zu einer Verbesserung der Verjüngungssituation in den Wäldern führen. Die Trockenheit im letzten Jahr habe den Bäumen stark zugesetzt, blickte er zurück. Immer noch seien die Forstbetriebe an der Aufarbeitung der Schadhölzer. Der mit dem hohen Holzanfall einhergehende Preisverfall auf dem Holzmarkt schade den Waldbesitzern erheblich, wusste Adamek. Um die Naturverjüngung erfolgreich zu gestalten, brauche es Hegegemeinschaften, in denen die Abschusszahlen erfüllt werden.
In seiner Betrachtung zur jagdlichen Situation im Landkreis bedauerte Ralph Keller, dass viele Menschen das Schalenwild nur als Schädling sehen. Dabei hätten Wildschäden vielfältige Ursachen. Die Schäden reflektierten Eingriffe des Menschen in die Natur, so Keller – sei es durch Landwirtschaft, Forst und Freizeitnutzung. Das Motto solle deshalb „Partnerschaft mit der Natur“ lauten.
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