Flüchtlinge lernen Rechtskunde
Um den Flüchtlingen die Eingewöhnung an das Leben in Deutschland zu vereinfachen, finden in der Erstaufnahmeeinrichtung des Landkreises Miltenberg zurzeit regelmäßige Kurse in Rechtspflege statt. Jeweils mittwochs um 14 Uhr treffen sich die Bewohner auf freiwilliger Basis in der Kantine der Erstaufnahme, wo Fachleute über das Recht in Deutschland sprechen und Fragen der Bewohnerinnen und Bewohner beantworten.
Die Kurse bestehen aus insgesamt vier Modulen, die an zwei Nachmittagen unterrichtet werden. Anschließend beginnen die Kurse wieder von vorne, um auch den regelmäßigen Neuankömmlingen die Gelegenheit zu bieten, sich fortzubilden.
Am Mittwoch informierten die Richterinnen Romana Beck (Amtsgericht Obernburg) und Katharina Volmer (Landgericht Aschaffenburg) die Flüchtlinge über allgemeines Zivilrecht und Familienrecht. Parallel übersetzt in die Sprachen persisch und arabisch, hörten rund 60 Bewohnerinnen und Bewohner der Erstaufnahme aufmerksam zu, als es unter anderem um Vertragsrecht ging. Besonders das Wissen um Preise, Preisgestaltung und Verträge in Deutschland ist für die Flüchtlinge wichtig, denn sie werden nach dem Auszug aus der Erstaufnahme ständig mit Verträgen konfrontiert – sei es mit Mietverträgen, Arbeitsverträgen oder später auch Kreditverträgen. Dass sowohl Männer als auch Frauen selbstständig Verträge abschließen können, war eine wichtige Information. Was passiert, wenn man Verträge nicht erfüllt, erläuterte Richterin Volmer am Beispiel von Arbeitsverträgen (Entlassung) oder Mietverträgen (Auszug). Allerdings, so die Richterin, stehe jeder Bürgerin und jedem Bürger in Deutschland die Möglichkeit offen, vor Gericht zu ziehen und den Rechtsweg zu beschreiten. Für viele neu war die Tatsache, dass es in Deutschland keine festgesetzten Preise gibt, dass diese sich in der Regel nach Angebot und Nachfrage richten und dass man Preise vergleichen sollte. Mit Bildern und Videos untermalten die Richterinnen ihren Vortrag, so dass am Ende kaum Fragen offen blieben.
Am Mittwoch letzter Woche hatte der ehemalige Rechtspfleger Bernhard Stolz (Bürgstadt) über die Grundprinzipien deutschen Rechts und das Strafrecht referiert. Vor rund 55 Afghanen und 20 Syrern konnte Stolz zahlreiche Fragen beantworten – etwa zu den Grundrechten, zur Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Ehe und zur Religionsfreiheit. „Alle Zuhörer waren äußerst diszipliniert und sehr interessiert“, beschreibt er seine Eindrücke von der rund dreieinhalbstündigen Veranstaltung. Stolz hofft auch auf den Multiplikationsfaktor, denn die Flüchtlinge seien in ganz Deutschland miteinander in Kontakt, so dass das Wissen um den Rechtsstaat sicher auch untereinander weitergegeben werde.
Die nächste Rechtskundeveranstaltung in Kleinheubach steht am 6. April auf der Tagesordnung, Organisator ist Andreas Burghardt, Direktor des Obernburger Amtsgerichts.
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