Bischoffischer Fonds überdauert Jahrhunderte
Noch heute, 200 Jahre nach der Gründung der Bischoffischen Stiftung, profitieren bedürftige Bürgerinnen und Bürger der Kreisstadt vom Testament des Philipp Josef Bischoff und seiner Schwester Maria Josepha Bischoff. Mit ihrer Unterschrift unter das Testament stellte das Geschwisterpaar am 19. März 1817 sicher, dass die Erträge aus ihrem Vermögen unter anderem für Lehrgeld, Stipendien und die Unterstützung von armen Familien verwendet werden. Diese Stiftung ist ein Segen, waren sich der Stiftungsratsvorsitzende Landrat Jens Marco Scherf und Miltenbergs Bürgermeister Helmut Demel sicher, als sie mit zahlreichen Gästen am Sonntag das 200-jährige Bestehen der Stiftung feierten.
Bereits am Vormittag hatten sich die Gäste am Grabmal der Familie Bischoff auf dem Miltenberger Laurentiusfriedhof getroffen. Hier stellte der Historiker Wilhelm Otto Keller die handwerkliche Entstehung dieses beeindruckenden Sandsteinmonuments vor, ehe Dekan Michael Prokschi ein Gebet sprach. Nach dem Familiengottesdienst in St. Jakobus trafen sich die Gäste im Alten Rathaus, wo Landrat Jens Marco Scherf auf das Anliegen der Stiftung hinwies, neben Einzelfällen auch kinderreiche Familien zu unterstützen mit dem Fokus auf der Schul- und Berufsausbildung. Unter anderem unterstütze die Stiftung auch die Hausaufgabenhilfe, so der Landrat. Da sich das Stiftungsvermögen im Laufe der Jahrhunderte durch mehrfache Geldentwertungen deutlich verringert habe, sollten sich auch heute Bürgerinnen und Bürger angesprochen fühlen, die Stiftung zu unterstützen. Denn, so der Landrat, „trotz aller Leistungen des Sozialstaats leben Menschen in unserer Stadt, die dankbar sind für kleine Aufmerksamkeiten, die ihnen über die größte Not hinweghelfen, oder für kleine Maßnahmen in der Adventszeit, die Kinderaugen zum Leuchten bringen.“ Mit der Stiftung Bischoffischer Fonds verfüge man in Miltenberg über ein Hilfsinstrument für Menschen, die sich schwer damit tun, ihre Anliegen vorzubringen und auf ihre besondere Notsituation aufmerksam zu machen.
Bürgermeister Helmut Demel blickte voller Dankbarkeit auf die Stiftung zurück. Im Laufe der Jahrhunderte habe es immer wieder Miltenberger gegeben, die ihre Stadt lieben und unterstützen, nannte er das Beispiel von Wilhelm Klingenstein. Dieser ausgewanderte Bürger der Stadt habe etwa den Bau der „Neuen Synagoge“ stark unterstützt. Gerade Klingenstein sei ein wunderbares Beispiel, was man mit Wohltätigkeit erreichen könne. Er sei der dritte Sohn eines bedürftigen Schneiders gewesen, dessen Ausbildung vom Bischoffischen Fonds gefördert worden sei. Auch nachdem Klingenstein in London ein wohlhabender Mensch geworden sei, habe er nie die wohltätige Hilfe für seine Ausbildung vergessen. Neben der Bischoffischen Stiftung betreue die Stadt sechs weitere Stiftungen, so Demel – insgesamt drei rechtliche Stiftungen und vier rechtlich nicht selbstständige. Jede dieser Stiftung schütte jährlich mindestens 1000 Euro aus, aber die Bischoffische Stiftung sei mit bis zu 20.000 Euro Ausschüttung pro Jahr die mit der weitreichendsten Wirkung. Neben dem Landrat als Vorsitzendem gehörten dem Stiftungsrat noch Elisabeth Büchler, Elke Clausmeier, Nicole Kolbe und Wolfgang Klietsch an, dazu der Stadtpfarrer und Bürgermeister Helmut Demel.
Warum es dem Fonds nach 200 Jahren immer noch recht gut geht, verdeutlichte Historiker Wilhelm Otto Keller in seinem Vortrag. Die Stiftung habe, nachdem Maria Josepha Bischoff als letztes Familienmitglied gestorben war, nach Abzug aller testamentarisch verfügten Legate noch ein Volumen von 125.000 Gulden gehabt, so der Historiker. Zum Vergleich: Als die Stiftung ihre Arbeit aufgenommen habe, habe die Stadt Miltenberg jährlich über Einnahmen von 75.000 Gulden verfügt, dem habe ein Schuldenberg von 150.000 Gulden gegenüber gestanden. Dazu müsse man noch 23,3 Hektar an Äckern und Wiesen rechnen, die verpachtet wurden und regelmäßige Einnahmen generierten. Ein Großteil des Vermögens lag Kellers Recherchen zufolge in Form von Schuldverschreibungen auf Immobilien vor, denn der wohlhabende Vater der Stiftungsgründer hatte sich bei Kreditvergaben stets mit Schuldbriefen abgesichert. Laut Testament sei ein Verkauf der Grundstücke verboten, lediglich Tauschgeschäfte waren erlaubt. Wer um Unterstützung bat, musste seinen Antrag am Tag nach dem testamentarisch vorgesehenen Dankgottesdienst persönlich beim Verwaltungsrat abgeben, wusste Keller, wobei bei der Unterstützung kein Unterschied zwischen den Konfessionen gemacht worden sei. Zum ersten Fondsverwalter war 1817 der damalige Ratsschultheiß Michael Joseph Wirth bestimmt worden. Dieser habe dieses Amt am 18. März 1824 angenommen – gegen Zahlung einer Kaution von 2000 Gulden. Obwohl die Stiftung viel Geld ausschüttete, seien die einzelnen Beträge doch recht gering gewesen, belegte Keller an einem Beispiel. Nach der Schließung des Gymnasiums habe es der Fonds möglich gemacht, dass eine weiterführende Lateinschule eröffnet werden konnte. Von 1851 an habe die Stiftung auch das Institut der armen Schulschwestern unterstützt. In den Hungerjahren 1842 und 1843 half die Stiftung bei der Versorgung der armen Bevölkerung, im Ersten Weltkrieg unterstützte er die Versorgung mit Lebensmitteln. Beim Übergang auf die Stadt im Jahr 1913 belief sich das Grundkapital auf rund 250.000 Mark, wusste Keller, dazu kamen Liegenschaften. Rudolf Vierengel habe 1959 über ein Stiftungsvermögen von 38.000 Mark berichtet sowie von jährlichen Ausschüttungen von 2000 Mark. Wer mehr über den Bischoffischen Fonds wissen möchte: Am Sonntag, 2. April, referiert Keller im Museum der Stadt Miltenberg um 10 Uhr über dieses Thema.
Heute verfügt der Fonds laut Stadtkämmerer Ludwig Klein über ein Vermögen von rund 400.000 Euro und Grundvermögen von rund 22 Hektar Wald, Wiesen und Bauplätze. Das Vermögen sei deshalb so gestiegen, weil verschiedene Grundstücke veräußert worden seien, die beispielsweise für den Straßenbau der Umgehungsstraße benötigt wurden. Diese Gelder seien jedoch wieder in Grundvermögen angelegt worden. Der Fonds sei nach wie vor dankbar für Spenden, so Klein. Eingegangenes Geld würde in das Grundstockvermögen gespendet, so dass nur die Erträge für die Stiftungszwecke verwendet, die Spenden aber dauerhaft erhalten würden. „Bei derartigen Spenden gibt es besondere Steuervorteile, insbesondere wenn es sich um größere Spenden handelt“, so Klein. Das Konto des Bischoffischen Fonds wird bei der Sparkasse Miltenberg-Obernburg, IBAN: DE44796500000620006007, BIC: BYLADEM1MIL verwaltet.
Musikalisch umrahmt wurde die Jubiläumsfeier von einem Musiktrio der Musikschule mit Antonia Schmitt, Lilly Kuhn und Anna Mannherz.
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