Anregungen für Fortschreibung des Seniorenpolitischen Gesamtkonzepts
Acht Jahre nach der Verabschiedung des Seniorenpolitischen Gesamtkonzeptes ist es an der Zeit zu schauen, wie weit die Umsetzung fortgeschritten ist, was besser geworden ist und was weiterverfolgt werden muss. Auch die Frage, ob es neue Herausforderungen gibt, wird bei der derzeitigen Überprüfung des Konzepts beantwortet.
Insgesamt 66 Handlungsempfehlungen in elf Handlungsfeldern seien im derzeitigen Konzept enthalten, erklärte Landrat Jens Marco Scherf bei einem Expertenworkshop am Dienstag im Landratsamt. Einen ganzen Tag lang beschäftigten sich zahlreiche Expertinnen und Experten in Sachen Senioren in Workshops mit der Überprüfung der umgesetzten Empfehlungen und formulierten neue Empfehlungen. Ein Großteil der 2010 angeregten Empfehlungen seien umgesetzt worden, stellte der Landrat fest, manche aber nur eingeschränkt oder möglicherweise gar nicht. Er wies auf die Befragung von 2500 zufällig ausgewählten Seniorinnen und Senioren hin und lobte deren hervorragende Beteiligung an der Umfrage: Fast die Hälfte habe geantwortet, freute er sich. Befragt habe man auch Pflegeeinrichtungen, Landkreisgemeinden, Seniorenvertretungen sowie die Anbieter der offenen Seniorenarbeit. Die Auswertung der Fragebögen sei Sache von Professor Dr. Dieter Kulke, der seit 2009 an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt im Bereich „Angewandte Sozialwissenschaften“ lehrt. Die Fragebögen seien teilweise ausgewertet, so Scherf, der den Professor anschließend um einige Erläuterungen bat.
Kulke zufolge hätten 21,6 Prozent von Problemen mit Stufen oder Treppenhäusern berichtet. „Stufen sind eine erhebliche Barriere“, sagte Kulke. 48 Prozent wollen auf gar keinen Fall eine andere Wohnform wählen, für 42 Prozent der Befragten käme das in Frage. Wenn man schon umziehen will, dann sehr gerne in altersgerechte, barrierefreie Wohnungen, hätten 46,7 Prozent der Befragten geantwortet. Wünschenswert ist für knapp 90 Prozent eine Wohnung mit gesicherter Betreuung, wenn sie krank oder pflegebedürftig sind. Den Wunsch, in ein Heim zu ziehen, hätten nur zwölf Prozent geäußert, sagte Kulke und zog daraus den Schluss, dass Heime „nach wie vor keinen guten Ruf“ hätten, auch wenn die Heime viel täten, um dem entgegen zu wirken. In der Umfrage sei in elf Kommunen von dringendem Handlungsbedarf bei der Nahversorgung berichtet worden. 14 Gemeinden hätten von einer unzureichenden hausärztlichen Versorgung berichtet, in zehn Jahren würde dies sogar 24 Kommunen betreffen. Zudem sei die fachärztliche Versorgung künftig problematisch; es fehlten Kinderärzte, Orthopäden und Augenärzte. In der Befragung der Seniorenvertretungen habe sich unter anderem erwiesen, dass sich 45,8 Prozent Schulungsangebote für pflegende Angehörige wünschten, so Kulke weiter. Für 50 Prozent der Befragten ist es wünschenswert, Nachtpflegeangebote zu etablieren. Der Bedarf an Angeboten der offenen Altenhilfe sei laut Befragung gedeckt, hätten 91,3 Prozent geantwortet. Insgesamt habe sich dem Professor zufolge herauskristallisiert, dass die wichtigsten Handlungsfelder „Wohnen zu Hause“, „Integrierte Orts- und Entwicklungsplanung“ sowie „Unterstützung pflegender Angehöriger“ seien. Beklagt worden sei die Verschlechterung der Nahversorgung in vielen Bereichen, als Probleme seien weiterhin der öffentliche Personennahverkehr, die ärztliche Versorgung und der Nachwuchs an Ehrenamtlichen in der offenen Seniorenarbeit genannt worden. Als notwendige Angebote wurden vor allem gesehen: Schulungsangebote für pflegende Angehörige, Nachtpflegeangebote, ambulant betreute Wohngemeinschaften und gemeinschaftliche Wohnformen.
In acht Workshops wurden die elf Handlungsfelder des aktuellen Seniorenpolitischen Gesamtkonzepts untersucht. Angeregt wurde unter anderem, private Bauherren zu verpflichten, vor dem Bau eine Bauberatung in Sachen Barrierefreiheit zu absolvieren. Zudem sollten Wohnbrachen in den Orten wiederbelebt werden, bevor Neubaugebiete ausgewiesen werden. Passend dazu sollten Verbrauchermärkte verpflichtet werden, bei Neuansiedlungen auch kleinere Niederlassungen in den Ortskernen zu betreiben. Es gelte weiterhin, das Ehrenamt zu stärken. Man müsse Menschen für das Ehrenamt begeistern – am besten durch direkte Ansprache. Dafür gelte es eine Konzeption zu erstellen. Eine Ehrenamtsbörse wäre wünschenswert, hieß es weiter. Helmut Platz, im Landratsamt für das bürgerschaftliche Engagement zuständig, plädierte dafür, diese auf lokaler Ebene und nicht auf Landkreisebene anzusiedeln. Landrat Jens Marco Scherf gab eine wichtige Information weiter: „Jeder Ehrenamtliche in Bayern ist versichert!“ Eine Neuauflage des Seniorenwegweisers wäre wichtig, wurde angeregt. Diesen im Internet anzubieten, sei wünschenswert, die Druckversion sei allerdings nach wie vor nicht wegzudenken. Der Aufbau einer Internetplattform mit Artikeln und Informationen für Senioren wäre zu überlegen, so eine weitere Idee. Sozialamtsleiter Manfred Vill rechnet mit der Neuauflage des Seniorenwegweisers im nächsten Jahr, sobald das Seniorenpolitische Gesamtkonzept in trockenen Tüchern ist. Viele weitere Bewertungen und Anregungen wurden von den jeweiligen Sprecherinnen und Sprechern der Workshops genannt, die allesamt gesammelt und an Professor Kulke weitergeleitet werden.
Die Bearbeitung der Umfrage und die Einarbeitung der Workshop-Ergebnisse und -Anregungen wird noch einige Zeit brauchen, erklärte Sozialamtsleiter Manfred Vill, der mit Christina Jung (Fachstelle Altenhilfeplanung und allgemeine Seniorenarbeit) die Veranstaltung organisierte und moderierte. Der Beschluss des Seniorenpolitischen Gesamtkonzepts durch den Kreistag erwartet Vill für den Sommer 2019.
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