Handballbegeistertes Kirchzell
Dank einer großartig gespielten Saison steigt die Handballmannschaft des TV Kirchzell in die dritte Liga auf
„Handball ist unser Leben, der König Handball regiert unser Dorf!“ So ähnlich könnte das von den deutschen Fußballern 1974 gesungene Weltmeisterlied abgewandelt als Hymne in Kirchzell erklingen, denn die Odenwaldgemeinde ist zweifelsohne DIE Handballhochburg im südlichen Landkreis Miltenberg. Vor wenigen Wochen haben die Kirchzeller Handballer dank einer großartig gespielten Saison den Aufstieg in die dritte Liga perfekt gemacht. Jetzt freut sich das Team um Trainer Andreas Kunz und die Betreuer Andreas Schober und Gottfried Kunz auf die kommende Spielzeit und steckt schon mitten in den Vorbereitungen.
Handball von Kindesbeinen an
Handball – so viel ist sicher – steht an Schnelligkeit, Spannung und der Fähigkeit, große Menschenmassen – oder eben gleich ein ganzes Dorf – zu begeistern, kaum einer anderen Sportart nach. Und so ist es auch kein Wunder, dass in Kirchzell schon die ganz Kleinen von Kindesbeinen an mit dem kleinen, runden Lederball auf der Straße spielen und sich im Handball üben.
Turnvater Jahn als Vorbild
Dabei war Handball keine der Sportarten, die die Gründer des TV Kirchzell im Kopf hatten, als sie den Verein am 19. Januar 1908 gründeten. Sie wollten die Idee des Turnvaters Friedrich Ludwig Jahn, dass „Turnen eine die Volkskraft stärkende und den Staat erhaltende Sache sei“, in die Tat umsetzen. Und so widmeten sich die ersten Vereinsmitglieder dem Turnen, das zunächst nur aus Körperübungen, später auch aus Übungen am Reck und am Barren bestand.
Neben Turnen wurden noch Leichtathlethik und Freizeitsportarten angeboten und im Jahr 1927 schlug endlich die Stunde des Handballs. Am 1. November wurde die Handballabteilung gegründet und damit der Grundstein für die heute so erfolgreichen Handballer gelegt.
Anfänge auf freiem Feld
„Handball, das wissen viele gar nicht, wurde zur damaligen Zeit wie Fußball auf freiem Feld gespielt“, erinnert sich Gottfried Kunz. Er ist neben Andreas Schober einer der beiden Betreuer der 1. Mannschaft und war in seiner Jugend selbst ein erfolgreicher Handballer. „Selbst die Tore waren beim Handball und beim Fußball gleich groß. Der Ball war allerdings schon immer kleiner. Wichtig war die Bewegung, den Ball ins Tor zu befördern das Ziel.“
Handball zieht in die Halle
Ende der 60er- bzw. Anfang der 70er-Jahre zog der Handball in die Halle um. Der Bau der neuen Halle, mit der der Verein 1973 begonnen hatte und die 1976 feierlich eingeweiht wurde, markiert einen entscheidenden Wendepunkt in der Handballgeschichte, denn nun konnte optimal trainiert und vor allem vor eigenem Publikum gespielt werden. In der großen, heute noch bestehenden Halle wurde 1978 die erste Meisterschaft als Kreismeister der damaligen A-Klasse gefeiert – ein großartiger Erfolg. „Dass die Halle in Eigenleistung gebaut wurde, ist einmalig in Deutschland“, ist Gottfried Kunz zurecht stolz. In der Folge stiegen die Handballer von der A-Klasse, die auf Kreisebene agiert, bis in die Oberliga auf Landesebene auf. Dieser Erfolg ist in der Geschichte des süddeutschen Handballsports einmalig.
Handballeuphorie in Kirchzell
Die erfolgreiche Zeit im Kirchzeller Handball hat eine regelrechte Handballeuphorie in der kleinen Odenwaldgemeinde ausgelöst. Und es dauerte nicht lange, da begann eine neue Ära mit noch größeren Erfolgen. „Im Jahr 1991 stieg unsere damalige Mannschaft in die Regionalliga auf“, so Trainer Andreas Kunz. „Dies ist die dritthöchste Spielklasse in Deutschland.“ In der Folge konnten sich die Handballer 26 Jahre lang in dieser Liga behaupten. „Ausnahmen gab es nur in den Jahren 2017 und 2018. Daher ist der jetzige Erfolg der Mannschaft in diesem Jahr umso bemerkenswerter!“
Erfolgreiche Nachwuchsarbeit
Der Erfolg kommt allerdings nicht von ungefähr. Er ist das Ergebnis einer hervorragenden vereinseigenen Nachwuchsarbeit, aus der schon viele große Talente hervorgegangen sind. So ist Andreas Kunz, der amtierende Trainer der ersten Mannschaft, neben Heiko Grimm und Bernd Roos einer von mehreren Nationalspielern, die für Deutschland gespielt haben. Andi Wolff und Carsten Lichtlein sind zwei weitere prominente Spieler, die in jungen Jahren für den TVK aktiv waren und 2016 als deutsches Torhütergespann bei der Europameisterschaft in Polen sogar den Pokal am Ende mit nach Hause nehmen konnten. „Diese erfolgreiche Arbeit spricht für unseren Verein“, ist Andreas Kunz überzeugt.
Handball von der Pike auf
In Kirchzell kommen die Kinder schon von Kindesbeinen an mit Handball in Berührung. „Die erfolgreichen Mannschaften bringen Idole hervor“, erinnert sich Andreas Kunz an seine eigene Jugendzeit. „Die Kinder haben einfach Spaß am Spiel. Sie spielen auf der Straße, denn so wie es Straßenfußballer gibt, gibt es auch Straßenhandballer. Sie probieren sich aus, schauen von anderen ab, bringen sich selbst und gegenseitig etwas bei und entwickeln sich dabei weiter. So entstehen junge Talente, die wir dann im Verein gerne weiterentwickeln.“
Spieler mehrfach pro Spiel einwechselbar
Handball wird auf einem rund 40 Meter langen Feld in der Halle über zwei Halbzeiten mit jeweils 30 Minuten gespielt. Jeweils 6 Feldspieler und ein Tormann kommen zum Einsatz. Die Wechsel können, anders als im Fußball, permanent vorgenommen werden, so dass die Feldspieler immer wieder zum Einsatz kommen können. „Diese Spielvariante ist sinnvoll, denn so können wir als Trainer die Spieler nach ihren Stärken einsetzen – je nachdem, ob sie im Angriff oder in der Abwehr stärker sind“, erklärt Andreas Kunz. „Diese Spezialistenwechsel sind gelebte Praxis.“ Ein Handballspiel bringt pro Mannschaft etwa 50 bis 60 Angriffe hervor, die allerdings längst nicht alle zum Erfolg, sprich Tor, führen.
Erfolgreich im Mädchen- und Damenhandball
Ebenfalls sehr erfolgreich sind mittlerweile auch die Damenhandballerinnen, die in der 5. Liga spielen. „Der Start einer Mädchenmannschaft Mitte der 80er-Jahre gestaltete sich allerdings etwas schwierig“, weiß Gottfried Kunz noch aus den Anfängen. „Auch ich war zunächst sehr skeptisch, ob wir das Unterfangen Mädchenhandball starten sollten, denn ich befürchtete, dass wir uns verzetteln.“ Der Erfolg hat alle Skeptiker eines Besseren belehrt. „Inzwischen ist unser Damenhandball fast erfolgreicher als der Herrenhandball“, gesteht Gottfried Kunz. „Dass wir mit den Mädchen angefangen haben, war eine gute und richtungsweisende Entscheidung. Aus diesen Mädchen ist dann Mitte der 90er-Jahre unsere erste Damenmannschaft entstanden, die sich äußerst erfolgreich geschlagen hat. Natürlich ist es von den einzelnen Personen abhängig, ob ein Team erfolgreich ist, aber die Arbeit, die wir im mit dem Verein im Mädchenbereich leisten, ist sensationell.“
Junge Mannschaft mit Potenzial
Die heutige 1. Mannschaft der Herren um Kapitän Nico Polixenidis ist eine junge Mannschaft mit viel Potenzial und besteht aus insgesamt 15 Spielern. „Das Durchschnittsalter ist etwa 23 Jahre“, so Andreas Kunz. „Jetzt sind wir bereits in der Vorbereitung für die neue Saison.“ Das bedeutet, dass in insgesamt sieben Wochentagen ungefähr fünf bis sechs Einheiten trainiert werden. Kein leichtes Unterfangen, wenn man bedenkt, dass die Spieler manchmal durch Beruf oder Ausbildung nicht vor Ort sind und daher auch nicht zum Training kommen können.
Einfach tolle Sportart!
Das Ziel für die neue Saison ist indes klar: „Wir wünschen unseren Fans und uns eine super Saison, die jedem Spaß macht“, meint Andreas Kunz abschließend. „Handball ist athletisch, schnell, dynamisch, attraktiv für die Zuschauer, taktisch, körperbetont und durchaus von einem hohen Grad an Fairness geprägt. Das macht die Sportart einfach so toll!“
Stimmen zum Handball:
Nico Polixenidis: „Ich kam eigentlich erst relativ spät zum Handball und spiele erst seit etwa dem 13. Lebensjahr. Das liegt daran, dass ich vorher schon von Kindesbeinen an Fußball gespielt und Leichtathletik gemacht habe. Als ich mit Leichtathletik aufhörte, begann ich mit dem Handballspielen. Ich bin sportbegeistert und würde gerne noch mehr machen. Handball und Fußball gefielen mir und liefen eine Zeitlang ganz gut nebeneinander. Da aber beides auch viel Zeit in Anspruch nimmt, musste ich mich irgendwann schweren Herzens für eine Sportart entscheiden. Das war dann Handball. Die Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen, aber sie war richtig und ich habe sie nicht bereut.
Wir haben derzeit eine junge Mannschaft, die an sich arbeiten will und motiviert ist. In den vergangenen Jahren wurde eine gute Aufbauarbeit geleistet. Wir sind als Team sehr gut zusammengewachsen und aufeinander abgestimmt. Klar, wir sind nicht die stärkste Mannschaft, und es gibt in der 3. Liga, in die wir jetzt aufgestiegen sind, sicherlich Mannschaften, die besser sind, aber wir haben Qualität. Unsere mannschaftliche Geschlossenheit hilft uns dabei, über uns selbst hinauszuwachsen, Erfahrungen zu gewinnen, Fehler zu minimieren und eine gewisse Konstanz im Spiel zeigen zu können.
In der neuen Spielklasse geht es jetzt darum, die Klasse zu halten. Das wird eine anspruchsvolle, aber auch schöne Aufgabe für uns. Wir werden von Beginn an Gas geben, um fleißig Punkte zu sammeln, denn jeder Punkt kann am Ende entscheidend für den Klassenerhalt sein. Jetzt in der Vorbereitung geht es darum, die Zeit optimal zu nutzen, konzentriert zu arbeiten, unsere neuen Spieler zu integrieren und uns als Team noch mehr zu finden.“
Tim Häufglöckner: „Bei mir führte am Handball kein Weg daran vorbei, denn Handball wurde mir schon in die Wiege gelegt. Bereits mein Vater spielte beim TV Kirchzell und nahm mich als kleines Kind mit. So spiele ich ebenfalls Handball seit ich denken kann. Die Sportart macht mir viel Spaß, denn sie lebt von Schnelligkeit und Dynamik. Außerdem kann ich dabei viel Zeit mit Freunden verbringen.
Mein Traum war es immer, in der ersten Mannschaft zu spielen, was ich jetzt auch tue. Unsere Mannschaft ist schon etwas Besonderes, denn wir haben sehr viele Spieler aus der Region. Wir sind ein eingeschworenes Team und lösen unsere Aufgaben daher auch gemeinsam als Team. Was uns darüber hinaus auszeichnet ist die Nähe zu den Fans und unsere Willenskraft.
Als Aufsteiger gilt es für uns zunächst, sich in der höheren Klasse zu akklimatisieren und Fuß zu fassen, um die anstehenden Spiele anzugehen. Ich wünsche uns einen guten Start für unser schwieriges Auftaktprogramm. Persönlich erhoffe ich mir eine geschlossene Weiterentwicklung in meinen Spielbereichen Angriff und Abwehr.“
Fynn, 13 Jahre, und Lenny, 10 Jahre, Wild:
„Wir beide spielen Handball schon sehr lange, denn wir haben bereits mit jeweils drei Jahren angefangen. Das lag daran, dass unser Vater schon immer gespielt hat, und da er die Jugend trainierte, kamen wir eben häufig mit. Wir spielen auch alle beide in der gleichen Position – linksaußen und in der Mitte. Diese Positionen bekamen wir vom Trainer – das ist übrigens unser Vater – zugewiesen.“ Der jüngere der beiden, Lenny, hilft, da er schon sehr gut spielt, gelegentlich in der klassenhöheren Mannschaft seines Bruders Fynn aus. Und Fynn wiederum ist ebenfalls ein begabter Handballer, denn er war schon mehrfach auch im Schulhandball erfolgreich und ist wiederholt Bayerischer Meister geworden. „Handball macht uns beiden großen Spaß, denn es ist schnell, intensiv und man kann gemeinsam mit den Freunden spielen. Das ändert auch nichts daran, dass unser Vater unser Trainer ist. Das hat nämlich Vor- und Nachteile. Ein Vorteil ist, dass er uns mit ins Training nehmen kann. Nachteilig ist es allerdings, wenn er die Mannschaften auch mal kritisieren muss. Das ist für uns dann nicht immer so einfach.“
Rosalie und Fridolin Zipp:
Rosalie, 12 Jahre: „Ich spiele seit meinem 7. Lebensjahr Handball. Meine Mutter hat früher selbst gespielt und mich ermuntert, es auch einmal zu probieren. Das habe ich gemacht und seitdem spiele ich Handball, weil es mir Spaß macht. Der Teamgeist beim Handball gefällt mir besonders gut. Ich bin Torfrau und habe mich selbst dafür entschieden. Mein Ziel ist es, einmal in unserer Damenmannschaft zu spielen.“
Fridolin, 10 Jahre: „Mit 6 Jahren habe ich angefangen, Handball zu spielen. Meine Oma meinte, dass ich gut werfen könne und weil ich so groß sei, soll ich es doch mal probieren. Beim ersten Training fand ich Handballspielen gleich richtig super. Als Feldspieler spiele ich Mitte oder halblinks, manchmal sogar im Tor. Mein großes Vorbild ist Andi Wolff, der war früher auch beim TVK. Handball ist ein Mannschaftssport, bei dem man neue Freunde kennenlernt. Das gefällt mir!“
Autor:Andrea Kaller-Fichtmüller aus Miltenberg |
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