Vorlesepaten: Vorlesen macht Freu(n)de

Die Vorlesestunden im Seniorenwohnstift Erlenbach mit Claudia Schüssler-Volz (hinten links) sind stets gut besucht. | Foto: Seniorenwohnstift Erlenbach
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  • Die Vorlesestunden im Seniorenwohnstift Erlenbach mit Claudia Schüssler-Volz (hinten links) sind stets gut besucht.
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Es ist ein grauer Mittwochnachmittag im Januar. Gebannt sitzen einige Zuhörer um den Tisch in der Cafeteria des Seniorenwohnstifts Erlenbach. Sie lauschen. Sie hören ganz genau zu. In ihrem Kreis sitzt Claudia Schüssler-Volz, die mit ruhiger Stimme, aber klar und betont einen aktuellen Beitrag aus der Tageszeitung vorliest. Es ist wieder Zeit für die Vorlesestunde mit den Vorlesepaten.

Seit rund 5 Jahren gibt es jetzt das Projekt der Vorlesepaten im Landkreis Miltenberg, von dem Seniorinnen und Senioren in ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen profitieren. Die ehrenamtlichen Helfer so wie Claudia Schüssler-Volz – allesamt Menschen, die gerne lesen und Freude am Umgang mit Menschen haben – lesen in Gruppen und im Bedarfsfall auch für Einzelpersonen. Regelmäßig bereiten sie älteren Menschen mit ihrer Vorlesetätigkeit Freude und gewinnen neue Freunde.

Projekt, das Freude macht

Claudia Schüssler-Volz liest seit einem Jahr regelmäßig alle zwei Wochen mittwochnachmittags im Seniorenwohnstift Erlenbach. „Mir macht diese Tätigkeit viel Freude.“ Zum Projekt Vorlesepaten kam Claudia Schüssler-Volz über ihre eigene Vorliebe. „Ich lese selbst gern und viel und habe schon meinen Kindern immer wieder vorgelesen. Dazu bin ich vielseitig interessiert und suchte nach einer Möglichkeit, mich in zeitlich begrenztem Umfang bei irgendeinem Projekt zu engagieren, das mir Freude macht. Als ich dann in einem Flyer von den Vorlesepaten gelesen habe, wusste ich sofort: Das ist es, das will ich machen!“

Grundseminar beim Freiwilligen-Zentrum absolviert

Umgehend hat sie sich für das Grundseminar angemeldet, das das Freiwilligen-Zentrum anbietet. „Das Grundseminar zu absolvieren war sehr hilf- und lehrreich für mich. Referentin war die Schauspielerin, Vorleserin und Rezitatorin Gudrun Wiedemann aus Nürnberg, die mich sehr ermuntert hat. Ich lernte, wie man liest, was man liest und worauf ich bei der Betonung achten muss. Das Ganze hat mir gut gefallen, mich motiviert und einfach Lust auf mehr gemacht.“ Den Anfang ihrer Vorlesetätigkeit bestreiten die neu ausgebildeten Vorlesepaten mit einem Paten. Claudia Schüssler-Volz: „Bei mir war dies Alfons Schneider, mit dem ich in die Vorlesestunden gegangen bin. Inzwischen sind wir ein Team und lesen manchmal auch gemeinsam.“

Durch Vorlesen Zuhörer erreichen

„Bei meinen Vorlesestunden ist es mir wichtig, nicht das zu lesen, was ich selbst lesen möchte, sondern zu versuchen, auf die Menschen einzugehen, die mir zuhören“, legt Claudia Schüssler-Volz ihre Leseabsicht dar. „Um eine Vorlesestunde vorzubereiten, benötige ich etwa eine Stunde Zeit. Meine Stunden stelle ich dabei immer unter ein bestimmtes Motto. Dazu suche ich dann aktuelle Texte sowie allgemeine Literatur und untermale das Ganze mit Musik. Den Anfang der Stunde gestalte ich mit dem Gedicht ´Hab Sonne im Herzen´. Das ist für meine Zuhörer das Zeichen, dass jetzt die Vorlesestunde beginnt. Zuerst lese ich einen aktuellen Text, um die Sinne zu schärfen. Das können politische oder auch regionale Themen sein, aber nichts Aufregendes. Ich versuche, meine Zuhörer zu erreichen, sie gleichsam zu locken, um über das Gelesene ins Gespräch zu kommen. Die Menschen sollen etwas von der Stunde haben. So ist mir die Interaktion mit den Zuhörern sehr wichtig. Auch versuche ich, zum Gelesenen Musikstücke zu finden, die ich als Untermalung einsetze. Die Vorlesestunde dauert in der Regel etwa eine Stunde.“

Humor und Freude haben

Um passende Literatur zu finden, setzt Claudia Schüssler-Volz neben ihrem eigenen Fundus auf Bibliotheken und die Tageszeitung. „Daneben ist natürlich auch das Internet eine gute Quelle. Bei allem, was ich lese, ist Humor ganz wichtig. Meine Zuhörer sollen Freude haben und lachen können. Die Hauptthemen, die wir Vorlesepaten behandeln, sind die Jahreszeiten und dazu bezogene Themen wie Fasching, Ostern, Muttertag, Erntedank oder Advent und Weihnachten. Außerdem habe ich immer eine gewisse Auswahl an Literatur dabei, um situationsbedingt reagieren zu können. Und die Stücke, die ich lese, dürfen nicht zu lang sein.“

Feedback ist wichtig

„Das Feedback der Bewohner begeistert mich immer wieder“, führt Claudia Schüssler-Volz weiter aus. „Wir Vorlesepaten bekommen oft ein großes Lob für die Geschichten, die wir vorlesen, aber auch wie wir Berichte oder ähnliches vortragen. So habe ich schon Dialekt gelesen, das kommt meist gut an. Ich gehe jedenfalls immer mit einem guten Gefühl nach Hause, weil ich nicht nur gebe, sondern auch etwas zurückbekomme.“

Bereicherung für beide Seiten

Das Seniorenwohnstift Erlenbach freut sich über die regelmäßigen Vorlesestunden. Waltraud Blatz-Pfützner, die verantwortliche Fachkraft für Gerontopsychiatrie und Leiterin des sozialen Dienstes, schätzt die Vorteile, die die Vorlesepaten bieten. „Die Vorlesestunden mit Frau Schüssler-Volz erfreuen sich bei unseren Bewohnern großer Beliebtheit und sind für beide Seiten eine Bereicherung. Viele kommen gerne und hören zu. Unsere Bewohner werden mit ihren Sinnen und in ihrer Fantasie angeregt. Dazu kommt, dass das Vorgelesene oftmals Erinnerungen weckt.“

Nicht mit Geld zu bezahlen

„Zum Glück war die Leitung hier im Haus für das Projekt Vorlesepaten sehr offen“, ergänzt Waltraud Blatz-Pfützner. „Es ist super aufgenommen worden. Bei Frau Schüssler-Volz hat von Anfang an einfach alles gut gepasst. Dass sie und alle anderen Vorlesepaten ehrenamtlich arbeiten, ist in der heutigen Zeit sehr hoch einzuschätzen. Ohnehin sind die Vorlesepaten wie Frau Schüssler-Volz nicht mit Geld zu bezahlen. Wir vom Pflegeteam unterstützen das Projekt in unserem Haus, indem immer eine Mitarbeiterin in der Stunde anwesend ist, um sich um die Belange der Zuhörer zu kümmern“, so Waltraud Blatz-Pfützner weiter. „Über das Projekt der Vorlesepaten habe ich eher zufällig erfahren. Es hat mich aber sofort begeistert, so dass ich vor gut eineinhalb Jahren selbst das Grundseminar absolviert habe. Ich lese in unserer Einrichtung vor, wenn Frau Schüssler-Volz nicht da ist.“

Wann werden Sie Vorlesepate?

Die Schulungen der Vorlesepaten werden vom Freiwilligen-Zentrum durchgeführt. Christa Buchschmid ist die Organisatorin und Vermittlerin der Vorlesepaten und leitet das Basis-Seminar. „Im Basis-Seminar werden interessierte Menschen gründlich auf die Vorlesetätigkeit vorbereitet. Wir besprechen, wie man Bücher aussucht, üben das laute Vorlesen, schulen Stimme, Mimik und Gestik, machen Übungen zum Thema Atmung und geben Hilfestellungen und Tipps zur Gestaltung der Vorlesestunde. Das Basisseminar dauert etwa vier bis fünf Stunden. Mittlerweile nehmen insgesamt 15 Senioreneinrichtungen und Tagesstätten unsere Vorlesepaten gerne in Anspruch. In regelmäßigen Abständen treffen sich immer wieder unterschiedliche Vorlesepaten, darunter ein harter Kern, um ihre jeweiligen Erfahrungen untereinander auszutauschen und sich gegenseitig Tipps zu geben. Wir vom Freiwilligen-Zentrum stehen auch immer zur Seite, wenn jemand nach dem Besuch des Seminars Hilfe benötigt. Übrigens sind wir immer auf der Suche nach Menschen, die sich ehrenamtlich für Seniorinnen und Senioren engagieren möchten. Wenn auch Sie sich für eine Tätigkeit als Vorlesepate interessieren, dann freuen wir uns sehr über Ihren Anruf.“

Hierhin können Sie sich wenden, wenn Sie Vorlesepate werden möchten:
Freiwilligen-Zentrum
Beratungsstelle für Senioren und pflegende Angehörige
Brückenstr. 19
63897 Miltenberg
Tel. 0 93 71/6 69 49 20
www.seniorenberatung-mil.de

Autor:

Andrea Kaller-Fichtmüller aus Miltenberg

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