Seniorenpolitisches Gesamtkonzept fortgeschrieben
Neun Jahre nach Verabschiedung des ersten Seniorenpolitischen Gesamtkonzepts war es für den Landkreis Zeit, das Erreichte zu überprüfen, Nachbesserungsbedarf zu ermitteln und festzustellen, welche neuen Herausforderungen es zu meistern gilt und wie man diese umsetzen kann.
In der Sitzung des Ausschusses für Bildung, Kultur und Soziales stellten Manfred Zehe (Forschungsinstitut Modus, Bamberg) und Professor Dr. Dieter Kulke (Professor an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt) die Evaluation und die Fortschreibung des für die Zukunft so wichtigen Gesamtkonzepts vor. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Pflegebedarfsplan zu – ein Plan, der aufgrund verschiedener sozialer Indikatoren Bestand und Bedarf der unterschiedlichen Pflegeformen untersucht. Wie Zehe sagte, basierten die Aussagen zur Bedarfsentwicklung auf detaillierten Bestandserhebungen, aber auch auf einer Bevölkerungsprojektion und einer darauf aufbauenden Prognose der Pflegebedürftigen. Zehe kam zum Ergebnis, dass in der ambulanten Pflege zum Stichtag 31. Dezember 2017 die Versorgung ausreichend war, mittel- und langfristig jedoch ein Ausbau notwendig ist. Die Tagespflege sei sehr gut aufgestellt, so Zehe. Wenn die bestehenden Ausbaupläne realisiert werden, sei der Bedarf mittel- bis langfristig gedeckt. Die Kurzzeitpflegeplätze seien derzeit ausreichend, aber der Fachmann sah Ausbaubedarf. Da hier eine steigende Nachfrage zu erwarten sei, müssten hierfür mehr Plätze bereitstehen. Auch in der stationären Pflege sprach Zehe reiche der Bedarf, aber auch hier gelte: Wenn die geplanten Ausbauprojekte umgesetzt werden, könnte der Mindestbedarf mittel- bis langfristig gedeckt werden.
Im Ausschuss herrschte die übereinstimmende Meinung, dass es gelte, mehr Fachkräfte für die Pflege zu gewinnen und diese auch angemessen zu entlohnen. Landrat Jens Marco Scherf wies darauf hin, dass die Pflege schon früh in der Gesundheitsregion plus als wichtiges Thema identifiziert worden sei. Der positiven Darstellung des Pflegeberufs fühle sich auch das PflegeNetz im Landkreis Miltenberg verpflichtet, sagte er und lobte die von den Akteurinnen und Akteuren geleistete Arbeit.
Professor Kulke führte das Gremium durch die Fortschreibung des Seniorenpolitischen Gesamtkonzepts. Dabei wurde klar: In den vergangenen Jahren hat sich im Landkreis sehr viel getan. So gibt es in fast allen Gemeinden Ansprechpartner für Seniorinnen und Senioren, auch ist die Hospiz- und Palliativversorgung sehr gut vorangekommen. Als zentrales Thema habe sich das Wohnen zuhause herausgestellt, so Kulke. Wohnen habe für das körperliche und seelische Wohlergehen eine große Bedeutung, sagte er. Auch wenn der Unterstützungsbedarf zunimmt, wollten die meisten Menschen zuhause bleiben und nicht in ein Pflegeheim. Die Voraussetzungen im Landkreis seien dafür günstig angesichts eines Anteils von fast 73 Prozent von Älteren, die in den eigenen vier Wänden wohnen. Kulke riet unter anderem dazu, in die Beratung der Seniorinnen und Senioren zu investieren (Wohnen, Wohnungsanpassung) und finanzierbare Angebote des betreuten Wohnens auszubauen. Einige Kommunen täten das bereits, indem sie etwa bei Bauanträgen auf die Barrierefreiheit hinweisen.
Als genauso wichtig erachtete es der Professor, die Bedürfnisse der Älteren bei der Integrierten Orts- und Entwicklungsplanung mehr zu berücksichtigen. Dazu gehören etwa der Erhalt und die Stärkung der Ortskerne mit Ärzten und Einkaufsmöglichkeiten. Mit der Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs sowie der Schaffung von barrierefreien Gebäuden und Wegen könnten die Mobilität und der Verbleib älterer Menschen in ihren angestammten Wohnorten erleichtert werden.
Obwohl es in den Kommunen ein breites Angebot zur gesellschaftlichen Teilhabe gibt, gebe es noch einiges zu tun, so Kulke. Auf der anderen Seite werde aber auch von mangelnder Nachfrage bei Angeboten berichtet, was sehr schade sei. Weiterhin sollten generationenübergreifende Projekte und der Umgang mit den neuen sozialen Medien gestärkt werden.
Erfreulich sei, dass das bürgerschaftliche Engagement deutlich zugenommen habe, denn immerhin 32 Prozent der Seniorinnen und Senioren unterstützen Angehörige, Nachbarn und Andere. Dieses Engagement gelte es, aufrecht zu erhalten und zu stärken.
Der Professor sprach sich zudem für den Erhalt und den Ausbau präventiver Angebote aus. So solle man beispielweise prüfen, ob nicht präventive Hausbesuche möglich sind, um Bewusstsein und Motivation für die gesundheitliche Motivation zu fördern.
Da pflegende Angehörige eine zentrale Rolle für den Verbleib von Seniorinnen und Senioren in der eigenen Wohnung spielen, werde es umso wichtiger, pflegende Angehörige durch Informations- und Entlastungsangebote zu stärken. Ein wichtiger Baustein sei die Beratungsstelle für Senioren und pflegende Angehörige, sagte Kulke und empfahl den weiteren Ausbau von Entlastungsangeboten.
Menschen mit Demenz, mit Behinderung und Migrationshintergrund sind Kulke zufolge mit ihren speziellen Bedürfnissen bei der Entwicklung der Seniorenarbeit zu berücksichtigen. Die Angehörigen dieser Gruppen sollten die Möglichkeit bekommen, an den örtlichen Regelangeboten teilnehmen zu können.
Obwohl sich die Hospiz- und Palliativversorgung deutlich verbessert hat, sollten – dem Bedarf entsprechend – die ambulante und stationäre Versorgung ausgebaut werden. Besondere Bedeutung habe die allgemeine ambulante Palliativversorgung.
Kooperation und Vernetzung seien auf kommunaler Ebene unverzichtbar, damit lokale Angebote der offenen Seniorenarbeit möglich werden. Auf Landkreisebene seien das Seniorennetzwerk und die Fachstelle für Altenhilfeplanung für die zentrale Steuerung wichtig.
Beratung, Information und Öffentlichkeitsarbeit seien wichtig, um Unsicherheit bei Seniorinnen und Senioren zu vermeiden, Ältere in ihren Rechten zu stärken und sicherzustellen, dass sie über die vielen Angebote Bescheid wissen. Künftig stehe die konsequente Nutzung von Internet und sozialen Medien im Vordergrund.
Im Bereich Betreuung und Pflege verwies Kulke auf eine drohende Unterversorgung in der Kurzzeitpflege. Er empfahl den Ausbau kleinteiliger und gemeindenaher Wohn- und Pflegeangebote sowie die Schaffung von Angeboten für Menschen mit besonders hohem Pflege- und Betreuungsaufwand.
Für Landrat Jens Marco Scherf ist mit dem Seniorenpolitischen Gesamtkonzept die Grundlage für die Umsetzungen der neuen Handlungsempfehlungen geschaffen. Die Arbeit werde aber nie ausgehen, sagte er in die Runde. Klar sei zudem, dass es einige Punkte gibt, auf die der Landkreis keinen Einfluss hat, so eine Wortmeldung aus dem Gremium. Ein Kreisrat forderte dazu auf, aus den vielen Empfehlungen eine Liste mit priorisierten Vorhaben zu erstellen.
Der Ausschuss empfahl dem Kreistag am Ende einstimmig, das Seniorenpolitische Gesamtkonzept fortzuschreiben und Ja zur Pflegebedarfsplanung zu sagen.
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