Raubt das G8 unseren Kindern die Jugend?

Das G 8 fordert viel von den Schülern.
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G8 oder G9 – was ist besser für unsere Kinder?

Die 13-jährige Marina kommt von der Schule nach Hause. Es ist 16.30 und dämmert bereits. So ist das an mehreren Tagen in der Woche. Auch ihr Bruder Alex, 15 Jahre, verbringt mindestens 32 Stunden pro Woche in der Schule, denn beide Kinder besuchen ein Gymnasium. Das achtjährige Gymnasium fordert viel Engagement von den Schülern. Da bleibt für Freizeit, Freunde und Vereine nicht mehr viel Zeit, denn auch wenn die Kids daheim sind, ist noch lange nicht Schluss mit Lernen. Hausaufgaben müssen gemacht werden und schließlich müssen sich die Kinder auch noch auf Schulaufgaben, Abfragen und Anderes vorbereiten. So ein Arbeitspensum steht den Erwachsenen in Vollzeitbeschäftigung in nichts nach.

Im Jahr 2004/05 wurde das achtjährige Gymnasium relativ überraschend in Bayern eingeführt. Am Anfang wurde es bejubelt, weil man die Schüler schneller dem Arbeitsmarkt zuführen wollte. Das kann als gescheitert angesehen werden, da viele Unis beklagen, dass viele der Studenten, die sie heute bekommen, noch nicht reif für ein Studium sind. Aus diesen Gründen ist mittlerweile ein Dauerstreit zwischen den Befürwortern und den Gegnern des sogenannten G 8 entbrannt.

Ist das G8 wirklich sinnvoll?

Der NEWS-Verlag sprach mit Menschen, die besonders nah an dieser Thematik dran sind: dem Schulleiter am Johannes-Butzbach-Gymnasium Miltenberg, OStD Joachim Fertig, der Elternbeiratsvorsitzenden Traudl Kunz und ihrem Stellvertreter Sergio do Adro und den Schülern Moritz Kern (9. Klasse), Lea Kunz (10. Klasse) und Alexander Roth (11. Klasse).

NEWS-Verlag: „Was halten Sie vom G 8?“

Traudl Kunz: „Das ist schon ein Wahnsinns –Stundenpensum, was die Kinder hier absolvieren müssen. Die Freizeit für Sport, Musik oder die Vereine kommt zu kurz. Ich habe zwei Töchter, eine hat noch im G 9 Abitur gemacht und die Jüngere ist jetzt im G 8. Von daher kann ich den Unterschied gut beurteilen. Ich vermisse beim G 8 die Leistungskurse, da konnten die Abiturienten ihre Stärken besser einbringen.“

OStD Joachim Fertig: „Der Lehrplan war damals schon beschlossen, die Leistungskurse wären auch beim G 9 weggefallen und auch das Abitur hätte in 5 Fächern abgelegt werden müssen. Das hat also nichts mit dem G 8 zu tun. Der Unterrichtsstoff wurde ans G 8 angepasst und die Lehrpläne reduziert. Allerdings gibt es in anderen Ländern, die das G 8 haben die Ganztagsschulen. Da haben die Kinder dann keine schriftlichen Hausaufgaben mehr, wenn sie am Nachmittag nach Hause kommen, das ist bei der Nachmittagsbetreuung, wie sie bei uns üblich ist, anders.“
Sergio do Adro: „Dass die Kinder ein Jahr früher zum Abitur kommen, war nur ein wirtschaftlicher und kein pädagogischer Grund. In Deutschland haben die Kinder auch weniger Stunden in Mathe und in Englisch als im internationalen Vergleich.“

Alexander Roth: „Bisher konnte ich Schule und Privatleben gut vereinbaren. Ich war in zwei Vereinen, aber jetzt in der 11. Klasse geht das nicht mehr. Da gehen schon Kontakte verloren und das Privatleben leidet. Deshalb nutze ich Freistunden zur Unterrichtsvorbereitung, damit ich am Nachmittag nicht mehr so viel zu tun habe.“

Lea Kunz: „Ich habe am Montag und Dienstag auch am Nachmittag Unterricht. Da bin ich dann schon ganz schön platt, wenn ich nach Hause komme. Trotzdem muss ich dann noch Hausaufgaben machen und lernen.“
Moritz Kern: „Ich versuche in der Schule gut aufzupassen, dann brauche ich am Nachmittag nicht so viel aufarbeiten und man muss nur die Hausaufgaben machen. So kann ich noch zweimal die Woche Fußball spielen und zum Schwimmen gehen.“

OStD Fertig: „Wer einen strukturierten Tagesablauf hat, kommt auch mit dem G 8 gut zurecht.“

NEWS-Verlag: Was hat es mit dem Flexibilisierungsjahr auf sich?“

OStD Fertig: „Hier gibt es zwei Varianten: 1. Der Schüler hat das Klassenziel erreicht und war in Kernfächern schlecht. Er könnte das Jahr wiederholen und sich nur auf die schlechten Fächer konzentrieren. Die 2. Version ist, im Vorfeld zu reduzieren und die Fächer zu splitten, so dass nur die Kernfächer in beiden Jahren doppelt zu belegen wären. Das würde bis zu 6 Stunden pro Woche sparen und die Zeit könnte zum Lernen genutzt werden. Allerdings werden beide Alternativen bei uns nicht angenommen. Wir haben keinen einzigen Schüler, der das macht.
Was allerdings gut angenommen wird, ist der Förderunterricht. Hier kann man in kleinen Gruppen mit dem Lehrer vieles aufarbeiten.“

NEWS-Verlag: „Ist es vorstellbar G 8 und G 9 zusammen anzubieten oder sollte zum G 9 zurückgekehrt werden?“

OStD Fertig: „G 8 und G 9 zusammen an einer Schule ist sicher schwer zu organisieren und nur an großen Schulen möglich. Ein guter Schüler kommt auch mit dem G 8 gut zurecht. Außerdem ist das G 8 insofern schülerfreundlich, dass bei Prüfungen und auch im Abitur Schriftliches und Mündliches eins zu eins gewertet wird. Allerdings hat es das G 8 nicht geschafft, dass die Schüler früher der Wirtschaft zugeführt werden.“

Sergio do Adro: „Durch das G 8 gehen wieder mehr Kinder auf die Realschule und wählen einen anderen Bildungsweg. Wo es möglich ist, gehen die Schüler lieber auf eine Schule, die G 9 anbietet. Das G 8 hat den Vorteil, dass man früher aus der Schule kommt. Viele nutzen das um ein Jahr ins Ausland zu gehen. Das sehe ich als sehr vorteilhaft an.“

Traudl Kunz: „Es ist für mich kein gewonnenes Jahr, denn die Eltern müssen noch alles unterschreiben, da die Kinder meist noch nicht mal 18 Jahre sind, wenn sie aus der Schule kommen. Viele Eltern klagen, dass im G 8 mehr Nachhilfe nötig ist – das ist auch ein finanzieller Aspekt.“

NEWS-Verlag: „Was sollte Ihrer Meinung nach am G 8 verbessert werden?“

Sergio do Adro: „Gut wäre, wenn die Kinder ab der 8. Klasse oder spätestens ab der Oberstufe wählen könnten, ob sie G 8 oder G 9 machen wollen. Auf alle Fälle muss eine gewisse Stabilität reingebracht werden.“
Traudl Kunz: „Ich würde die Wochenschulstunden reduzieren und die Leistungskurse wieder einführen, denn da konnten die Kinder ihre Stärken gut einbringen. Ich würde wieder zum G 9 zurückkehren, denn das war zwar eine längere, aber auch entspanntere Schulzeit. Die meisten Eltern wollten übrigens wieder zum G 9 zurückkehren.“

Lea Kunz: „Ich würde mir kleinere Klassen und etwas weniger Stunden wünschen. Toll wäre auch, wenn wir am Nachmittag keine Kernfächer hätten.“
Alexander Roth: „Für mich wäre es wichtig, den Übergang von der Grundschule in das Gymnasium besser zu gestalten. Ich bin damals ins kalte Wasser geworfen worden und schlecht in den Rhythmus des Gymnasiums reingekommen. Ansonsten sehe ich das G 8 nicht als problematisch an. Wenn man Schule als Ort gestaltet, wo man gerne hingeht und das ‚Wir-Gefühl‘ an der Schule stärkt, dann ist das ok, denn meine Freunde sind auch hier an der Schule.“

Moritz Kern: „Die Pflicht, in den Kernfächern Abitur zu machen, erzeugt bei vielen Angst.“

OStD Fertig: „Das Abitur in den fünf Hauptfächern stand schon vor der Einführung des G 8 fest, das wäre sowieso gekommen. Ich bin für das G 8, aber da auch die Lehrer viele Stunden mehr in der Schule verbringen müssen, wäre es gut, wenn es Arbeitsplätze für die Lehrer gäbe. Außerdem würde ich das Personal aufstocken, so dass die Schüler intensiver und individueller begleitet werden könnten, denn man braucht heute länger, um Schülern einen Sachverhalt näher zu bringen als früher.“
Die jetzt wieder verstärkt aufgeflammte Diskussion zur Rückkehr zum G 9 oder massiven Änderungen im G 8 trägt zur weiteren Verunsicherung aller Beteiligten bei.
Schon Viertklässler und deren Eltern beschleicht eine diffuse Angst, dem Druck und den Anforderungen des achtjährigen Gymnasiums nicht Stand halten zu können.
Die Meinungen über G 8 werden auch weiterhin auseinander gehen. Es bleibt zu hoffen, dass das G 8 so weiterentwickelt wird, dass die Schüler nicht trotz, sondern durch die Schule für das Leben gerüstet sind.

L.S.

Autor:

Liane Schwab aus Miltenberg

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