Kommen endlich genug Lehrer?

Rektor Horst Kern, Vorsitzender BLLV Obernburg: „Man kann es den jungen Lehrkräften nicht verdenken, dass sie lieber nach Baden-Württemberg oder Hessen gehen als hier zu bleiben, denn sie bekommen dort eine Festanstellung als Beamte und teilweise sogar ein höheres Gehalt.“ | Foto: Andrea Kaller-Fichtmüller
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  • Rektor Horst Kern, Vorsitzender BLLV Obernburg: „Man kann es den jungen Lehrkräften nicht verdenken, dass sie lieber nach Baden-Württemberg oder Hessen gehen als hier zu bleiben, denn sie bekommen dort eine Festanstellung als Beamte und teilweise sogar ein höheres Gehalt.“
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In Grund- und Mittelschulen des Landkreises herrscht seit einigen Jahren akuter Lehrermangel – Abhilfe durch „Lex Untermain“

Es ist ein Problem, das es – glaubt man den offiziellen Zahlen und Statistiken – eigentlich gar nicht geben dürfte: An unseren Schulen herrscht Lehrermangel. Vor allen in den Grund- und Mittelschulen ist die Situation schon seit einigen Jahren nur unter Aufbietung aller Kräfte und mit dem guten Willen der Schulverantwortlichen zu meistern. Die Leidtragenden sind – wie immer – unsere Kinder. Sie müssen mit ausgefallenem Unterricht (und dadurch fehlendem Lernstoff) und einem oftmals gänzlich fehlenden Angebot an freiwilligen Arbeitsgemeinschaften leben. Vor allem aber müssen sie sich immer wieder auf neue Lehrerinnen und Lehrer einstellen und den Verlust einer gewohnten und geliebten Lehrkraft verarbeiten. Denn nicht selten haben Schüler in der Grundschule statt der gesetzlich fest geschriebenen zwei Lehrkräfte vier, fünf, sechs oder noch mehr verschiedene Lehrer oder Lehrerinnen während ihrer Grundschulzeit.

Bedarf höher als Angebot

„Bei uns im Landkreis ist der Bedarf an Lehrern höher als das Angebot.“ Schulamtsdirektor Engelbert Schmid vom Staatlichen Schulamt Miltenberg kennt das Problem des Lehrermangels schon seit Jahren. „Das ist spezifisch nur bei uns so. Aktuell fehlen gut ausgebildete Grundschullehrer, denn wir haben, gemessen an anderen Regionen in Unterfranken, einen höheren Bedarf an genau diesen Lehrkräften.“

Zwei Hauptgründe für Lehrermangel

Es gibt zwei Hauptgründe für den Lehrermangel: Fertig ausgebildete Junglehrer werden nach Oberbayern versetzt und die Lehrer, die in den Landkreis kommen, erhalten oft Angestelltenverträge für die Dauer eines Jahres.

Angestelltenvertrag für ein Jahr

„Natürlich versuchen wir, dem Lehrermangel entgegenzuwirken“, so Schulamtsdirektor Engelbert Schmid. „In Grund- und Mittelschulen werden offene Stellen für ein Jahr mit Real- oder Gymnasiallehrern besetzt. Dies kann aber nur eine Zwischenlösung sein.“

Besondere Situation

Erschwerend kommt noch die besondere Situation im Dreiländereck hinzu. „Durch die benachbarten Bundesländer wandern viele Lehrkräfte nach Baden-Württemberg oder Hessen ab“, legt Horst Kern dar. Er ist Rektor der Kardinal-Döpfner-Schule in Großwallstadt und Vorsitzender des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes Kreisverband Obernburg e. V. (BLLV). „Man kann es ihnen nicht verdenken, denn sie können in ihrer Heimat bleiben, erhalten eine feste Beamtenstelle und teilweise sogar ein höheres Gehalt. Wir bilden in Bayern die Grund- und Mittelschullehrer aus, die zu denen mit der besten Ausbildung zählen, aber sie bleiben nicht.“

Real- und Gymnasiallehrer

„Über die Real- und Gymnasiallehrer sind wir sehr froh, denn sie bringen von ihrer Einstellung her wunderbare Voraussetzungen mit“, fährt Schulamtsdirektor Schmid fort. „Sie sind aber für die Schulen, in denen sie eingesetzt werden, nicht qualifiziert. Denn in den Grund-, vor allem aber in den Mittelschulen sieht die Situation anders aus als in den Gymnasien oder Realschulen. Die Lehrer hier müssen alle Fächer unterrichten, viele der angestellten Lehrkräfte müssen sich dazu erst einarbeiten. Außerdem steht in den Mittelschulen eine grundlegende qualifizierte pädagogische und psychologische Ausbildung im Zentrum. Diese fehlt aber.“

Versetzung nach Oberbayern

„Den eklatanten Lehrermangel gab es vor einigen Jahren noch nicht“, berichtet Horst Kern. „Früher durften die jungen Lehrer nach ihrer Ausbildung in der Region, aus der sie kamen und in der sie leben, bleiben. Dadurch war ein Sockel an Lehrkräften da. Heute werden fertig ausgebildete Grund- und Mittelschullehrer nach Oberbayern versetzt, wo der Bedarf noch höher ist. Und bei uns fehlen sie dann.“

Budget nur für Grundbedarf

Alle Schulen bekommen vom Regierungsbezirk zwar ein festgelegtes Budget zur Verfügung gestellt. „Das Budget reicht aber gerade dazu, den Grundbedarf zu decken“, erläutert Engelbert Schmid. „Denn das Budget wird nicht mehr an der Anzahl der Klassen, sondern an den Schülerzahlen gemessen.“ „In unserer ländlichen Struktur gibt es verhältnismäßig kleine Schulen mit kleinen Klassen von teils 10 bis 15 Schülern“, fügt Horst Kern hinzu. „So haben wir für viele Klassen weniger Lehrerstunden zur Verfügung als in Oberbayern, wo die Klassen mit 25 bis 30 Kindern pro Klasse relativ groß sind.“

Problem mobile Reserven

„In der Grundschule sind wir hier in Kleinheubach nicht von Lehrermangel betroffen“, sagt Ekkehard Seit, Rektor der dortigen Grund- und Mittelschule. „Wir sind hier gut ausgestattet und mit Lehrern versorgt. Unser Problem ist die Mittelschule. Drei Kollegen sind ab nächstem Schuljahr weg, einen adäquaten Ersatz bekommen wir nicht. Zurzeit findet eine Umschichtung in unserem Mittelschulverbund mit Großheubach statt. Auch bei uns sind Gymnasiallehrer eingesetzt, sonst wüssten wir nicht, wie wir die Klassen im nächsten Schuljahr besetzen sollen. Erschwerend kommt die Situation unserer mobilen Reserven hinzu, die die Situation eigentlich auffangen sollen, uns momentan aber gänzlich fehlen. Wir hatten zu Anfang des Schuljahres vier mobile Reserven, davon sind zwei inzwischen in Elternzeit und zwei seit Februar pensioniert und somit nicht im Einsatz oder ganz ausgeschieden.“

Petition erzielt Teilerfolg

Etwas bewegt in dieser Angelegenheit hat vor drei Jahren der Elternbeirat der Dr.-Ernst-Hellmut-Vits-Grundschule in Erlenbach. „Wir haben eine Eigeninitiative gegen den Lehrermangel gestartet“, erzählen die beiden Elternbeiräte Antje Stuckert-Hahn und Susanne Wehrle. „Ausgelöst durch die uns unverständliche, immer wiederkehrende Versetzung gut ausgebildeter, motivierter Junglehrer haben wir im Juli 2012 eine Petition an den Landtag gerichtet.“ Damit wollten die Elternbeiräte unter anderem erreichen, dass Angestelltenverträge für Lehrer für die Dauer von mindestens zwei Jahren abgeschlossen werden, um den gesetzlich vorgeschriebenen Zweijahres-Turnus in den Grundschulen einzuhalten und dass Lehrkräfte aus der Region, die nach Oberbayern versetzt wurden, wieder zurückkehren können. „Unterstützung bekamen wir durch eine Liste mit rund 3.300 Unterschriften, die wir in allen Grund- und Mittelschulen des Landkreises gesammelt haben. Insgesamt drei Mal waren wir in München. Beim ersten Besuch wurde unser Antrag im Bildungsausschuss des Landtages mit dem Vermerk zur Berücksichtigung abgewiesen. Auch beim zweiten Anlauf an gleicher Stelle hörte man sich unsere Nöte an, schmetterte uns aber trotzdem bei der Abstimmung ab. Beim dritten Mal wurde unser Antrag im Plenum des Landtages erörtert. Nach kontroverser Diskussion der Parlamentarier ließ uns die Abstimmung erneut scheitern, weil die Stimmen von SPD, Freien Wählern und Grünen für eine Mehrheit nicht ausreichten. Dennoch entspannte sich die Situation an unserer Schule daraufhin, weil wir durch unsere Hartnäckigkeit erreicht hatten, dass man ein besonderes Augenmerk auf die Dr. Vits-Schule hatte. So war unsere Schule nunmehr zwei Jahre lang von übermäßigen Versetzungen verschont. Allerdings zeichnet sich eine erneute Verschärfung der Situation bereits wieder ab.“ Die beiden Frauen sind sich einig: „Man muss einen langen Atem haben, viel Zeit investieren und darf sich nicht abwimmeln lassen, dann kann man etwas erreichen.“

Sonderregelung für den Untermain

Trotz des Teilerfolges sehen sowohl Schulamtsdirektor Engelbert Schmid als auch Rektor Horst Kern nur eine Lösungsmöglichkeit für das Problem Lehrermangel und das heißt „Lex Untermain“. „Es muss eine besondere Regelung für den Untermain her“, sagen die beiden übereinstimmend. „Diese soll so aussehen, dass für die nächsten fünf Jahre die Junglehrer, die aus der Region kommen und auch hier bleiben wollen, hier bleiben dürfen. Nur so kann es uns gelingen, die Talsohle mit viel zu wenigen Lehrkräften zu verlassen und vergleichbare Verhältnisse wie in anderen Schulamtsbezirken zu erreichen.“

Autor:

Andrea Kaller-Fichtmüller aus Miltenberg

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