Ein Experiment mit ungewissem Ausgang!
Über 40 Prozent neue Verkaufsfläche am alten Bahnhof. Wird das die Bekleidungsgeschäfte in der Innenstadt von Miltenberg stärken?

Alles was bisher die Innenstadt schützen sollte, wird über Bord geworfen? Für Bekleidung, Schuhe und Sport gibt es aktuell in Miltenberg gut 5.000 qm Ladenfläche. Überwiegend in der Innenstadt. Nun möchte unser Stadtrat am alten Bahnhof weitere 2.380 qm genehmigen. Die Verkaufsfläche wächst damit um über 40% an. Chance oder Risiko für unsere Innenstadt?

Der gültige Bebauungsplan für das Gelände am alten Bahnhof wurde im Sommer 2007 geändert. Anlaß war die Ansiedlung des Edekamarktes.

In diesem Zusammenhang wurde das Gebiet planungsrechtlich aufgeteilt. Eine Fläche wurde als Sondergebiet auf Edeka zugeschnitten.

Die restliche Fläche wurde als Mischgebiet definiert und mit umfangreichen Verboten versehen, um die Innenstadt zu schützen.

Nun wird ein neuer Bebauungsplan erstellt, und wesentliche Dinge freigegeben, die 2007 noch zum Schutz der Innenstadt als notwendig angesehen wurde.

Interessant finde ich Aussagen, Edeka habe die Ansiedlung eines Discounters zur Bedingung gemacht. Dann war der damalige Bebauungsplan von vorneherein Unsinn oder eine Täuschung der Bürger, denn ein weiterer Lebensmittelmarkt wurde ausdrücklich verboten!

Es wäre mal interessant zu hören, wie die Verantwortlichen ihre Kehrtwende um 180 Grad begründen:

  • Ist die Gefahr für die Innenstadt heute geringer? Ich denke eher größer
  • Hat man die Innenstadt eh bereits aufgegeben? Bürgermeister und Stadträte wurden unter anderem gewählt, um die Innenstadt zu erhalten und zu stärken. Das stand glaube ich auch in jedem einzelnen Wahlprogram

Ich bin gespannt auf die angekündigte Veranstaltung, wo die Bürger erstmals umfassend informiert werden sollen und sich zum Vorhaben äußern können.

Das war bisher verboten - Einzelhandelsbetriebe mit folgenden Kernsortimenten:
- Lebensmittel (mit Ausnahme von Getränken)
- Reformwaren
- Drogeriewaren (Wasch-, Putz-, Reinigungsmittel, Körperpflegemittel, Kosmetika, Pharmazie, Sanitätswaren)
- Papier- und Schreibwaren, Schulbedarf, Zeitschriften, Bücher, Briefmarken
- Geschenkartikel
- Spielwaren
- Oberbekleidung, Wäsche, Kürschnerwaren, Wolle, Kurzwaren/Handarbeiten, Stoffe, sonstige Textilien
- Schuhe, Lederbekleidung, Lederwaren, Modewaren incl. Hüte, Accessoires und Schirme, Orthopädie
- Schnittblumen
- Sportartikel (incl. Bekleidung)
- Heimtextilien, Gardinen und Zubehör, Bettwaren
- Uhren, Schmuck, Silberwaren
- Fotogeräte, Videokameras, Fotowaren
- Musikalienhandel, Ton- und Bildträger
- Optische und feinmechanische Erzeugnisse
- Kleinelektrogeräte ( "weißes Sortiment ", z.B. Haus- und Küchengeräte )
Diese Auflistung steht im aktuell gültigen Bebauungsplan, Hervorhebungen sind von mir.

Das soll künftig erlaubt werden - Zulässig sind:
1. Ein großflächiger Lebensmittel-Einzelhandelsbetrieb mit einer max. Verkaufsfläche von 1.100 qm.
2. Ein Textilfachmarkt mit einer Verkaufsfläche von max. 1.000 qm.
3. Ein Drogeriefachmarkt mit einer Verkaufsfläche von max. 1.200 qm.
4. Ein Textilhandelsbetrieb mit einer Verkaufsfläche von max. 350 qm.
5. Ein Textilhandelsbetrieb mit einer Verkaufsfläche von max. 220 qm.
6. Ein Textilhandelsbetrieb mit einer Verkaufsfläche von max. 450 qm.
7. Ein Schuhfachmarkt mit einer Verkaufsfläche von max. 360 qm.
8. Ein Multisortiment-Fachmarkt (Sonderpostenmarkt) mit einer Verkaufsfläche von max. 640 qm.
9. Sonstige Handelsbetriebe, die im Kernsortiment keine Sortimente des Innenstadtbedarfs führen. Sortimente des Innenstadtbedarfs sind:
Arzneimittel, medizinische und orthopädische Produkte
Baby-und Kinderartikel
Bekleidung
Brillen und Zubehör, optische Erzeugnisse
Bücher, Zeitungen, Zeitschriften
Drogerie-und Parfümeriewaren
Elektronikartikel (Unterhaltungselektronik („braune Ware“),
Haushaltselektronik („weiße Ware“), Computer und Zubehör, Foto, Film)
Glas, Porzellan, Keramik, Geschenkartikel, Haushaltswaren
Haus-und Heimtextilien, Bettwaren
Lederwaren
Papier-und Schreibwaren, Bürobedarf
Schuhe
Spielwaren
Sport-und Campingartikel
Uhren und Schmuck
Das ist ein Auszug aus dem Sitzungsbuch des Stadtrates Miltenberg über die Sitzung des Stadtrates am 13.03.2019, Hervorhebungen sind von mir.

Die Auflistung zu Punkt 9 finde ich besonders bemerkenswert. Bekleidung, Drogeriewaren, Parfümeriewaren und Schuhe werden als Innenstadtbedarf definiert. Nachdem man unter 1-8 Bekleidungsmärkte mit 2.020 qm, einen Drogeriefachmarkt mit 1.200 qm und ein Schuhgeschäft mit 360 qm freigegeben hat. Diese wenigen qm Verkaufsfläche gefährden die Innenstadt offensichlich noch nicht.

  • Lebensmittel bisher verboten - es sollen 1.100 qm genehmigt werden
  • Bekleidung bisher verboten - es sollen 2.020 qm genehmigt werden
  • Drogerie bisher verboten - es sollen 1.200 qm genehmigt werden
  • Schuhe bisher verboten - es sollen 360 qm genehmigt werden

Eine Zählung im Jahr 2012 ergab für Miltenberg 43 Geschäfte, die Bekleidung, Schuhe und Sport anbieten. Diese hatten eine Verkaufsfläche von 5.625 qm. Mit 2.380 qm neuer Verkaufsfläche für Bekleidung und Schuhe steigt also die Verkaufsfläche um 42%.

Angesichts des offensichtlich riesigen Bedarfs an Verkaufsfläche stellt sich die Frage, warum die ortsansässigen Händler nicht schon längst den Leerstand absorbiert und weitere Bekleidungsgeschäfte eröffnet haben.

Die Stadt stützt sich in ihrem neuen Bebauungsplan auf uralte Einzelhandelsuntersuchungen. Seit dem sind im Umfeld bereits viele neue Verkaufsflächen entstanden. Ich wäre dafür, ein aktuelles Gutachten anfertigen zu lassen, um die möglichen Auswirkungen auf unsere Innenstadt aktuell neu zu beurteilen.

Angesichts der wichtigen Weichenstellung und langfristigen Auswirkung des Projektes alter Bahnhof für die Stadt wären die Kosten dafür und eine evtl. Zeitverzögerung in Kauf zu nehmen.

Unabhängig davon wäre es wünschenswert, wenn die Stadt Miltenberg die bisher vorhandenen Gutachten, Untersuchungen und Stellungnahmen zur Einzelhandelssituation in Miltenberg öffentlich macht. Auch die Beurteilung der Regierung von Unterfranken im Rahmen der regionalen Raumplanung wäre für uns Bürger interessant.

Noch ist die Entscheidung über die geplante Änderung offen!!!

Die Änderung des Bebauungsplans soll den Bürger erst noch in einer Veranstaltung vorgestellt werden. In dieser Veranstaltung sollen auch Anregungen der Bürger aufgenommen werden.

Erst danach wird der Stadtrat erneut tagen, und entscheiden. Es ist also noch nichts endgültig entschieden. Wir Bürger können noch Einfluss nehmen!

Eine Übersicht zu weiteren Veröffentlichungen zur Bebauung am alten Bahnhof finden Sie hierDie Sprachlosigkeit der Miltenberger Kommunalpolitker am Beispiel alter Bahnhof

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