Trotz 10,4 Millionen Euro Rücklagen: Scherf-Koalition gegen Senkung der Kreisumlage

Der Politikwechsel im Landkreis nimmt langsam Gestalt an. Während der Landkreis früher nur so viel Kreisumlage erhob, dass er seine Aufgaben erfüllen konnte und allenfalls kleinere Rücklagen bildete, setzte die Bunte Koalition von Landrat Jens-Marco Scherf trotz Rücklagen in Höhe von 10,4 Millionen Euro die Beibehaltung der Kreisumlage von 43 Prozent durch. CSU und Neue Mitte hatten für 41 Prozent plädiert. Das hätte den Städten und Gemeinde 2,2 Millionen Euro mehr in ihren Kassen belassen.

Landrat Jens-Marco Scherf argumentierte in seiner Haushaltsrede, er wolle die Gymnasien in Miltenberg und Erlenbach gleichzeitig sanieren, für zahlreiche neue Aufgaben zusätzliches Personal einstellen und gleichzeitig Schulden abbauen. Von der Sozialplanung über die Integration von Asylbewerbern bis zur vernetzten Bildung gebe es Bedarf an neuen Mitarbeitern, argumentierte Scherf. Er gestand ein, in früheren Jahren bei niedrigeren Rücklagen für eine Senkung der Kreisumlage eingetreten zu sein. Dennoch lehnte er die von CSU und Neuer Mitte vorgeschlagene Senkung der Kreisumlage ab. Der Landkreis brauche das Geld und mache damit sinnvolle Dinge. Zudem sei die konjunkturelle Entwicklung in den nächsten Jahren unsicher. Scherf sah den Verzicht auf die sonst übliche Anpassung der Kreisumlage an den Finanzbedarf des Landkreises nicht als Politikwechsel an, sondern nahm für sich in Anspruch, Kontinuität zu wahren, da er die von Landrat Roland Schwing im letzten Jahr vorgeschlagene Kreisumlage beibehält.
Schulbauprogramm mit 41 Prozent Kreisumlage finanzierbar
Der Vorsitzende der CSU-Kreistagsfraktion, Niedernbergs Bürgermeister Jürgen Reinhard hielt dem entgegen, zu den 10,4 Millionen Euro Rücklagen komme noch hinzu, dass der Haushalt 2014 mit einem Überschuss von 4 Millionen statt der geplanten 2,7 Millionen abschließe. Deshalb reiche eine Kreisumlage in Höhe von 41 Prozent, die 45,0 Millionen Euro von den Kommunen abschöpft, um die Aufgaben des Landkreises inclusive des Schulbauprogramms zu erfüllen. Der Appell von Jürgen Reinhard an die Freien Wähler, sich nicht ihrem Fraktionszwang zu unterwerfen, sondern den Griff des Landkreises in die Kassen der Kommunen verhindern, fiel jedoch nicht auf fruchtbaren Boden. Niemand wollte von der Fahne gehen. Daran änderte auch der Hinweis von Bezirkstagspräsident Erwin Dotzel (CSU) auf die 1-prozentige Senkung der Bezirksumlage nichts. Dotzel forderte, diese Ersparnis von 550.000 Euro müsse der Landkreis an die Kommunen weitergeben.
Die Kommunen könnten das Geld gut gebrauchen, so die Überzeugung von Jürgen Reinhard. Auch die Kommunen investieren in Bildungseinrichtungen und Mönchbergs Bürgermeister schreibe Bettelbrief an umliegende Gemeinden für einen Zuschuss zu seinem Freibad. Mit der Senkung der Kreisumlage hätte er 36.000 Euro in die Kasse bekommen, rechnete Jürgen Reinhard vor. Die Kommunen brauchen das Geld dringend, um die Lebensqualität zu erhalten und die Infrastruktur zu verbessern, während der Landkreis alle seine geplanten Projekte auch mit einer Kreisumlage von 41 Prozent finanzieren könne. Daher forderte er vom Landrat Scherf die Umsetzung seines Wahlsolgan „gerecht muss es sein“.
10 Prozent Personalkostensteigerung
Jürgen Reinhard erinnerte auch an das Einstiegsgeschenk des Landrats: die im Haushalt versteckte Stelle, „Geburtstagsfrei“. Wenn 460 Mitarbeiter einen halben Tag nicht arbeiten, bedeute dies 230 Manntage und dies entspreche einer Vollzeitstelle, die im Durchschnitt 50.000 Euro koste. Der in der freien Wirtschaft arbeitende Steuerzahler kenne solche Geschenke nicht.
Kritik äußerte er an der 10-prozentigen Personalkostensteigerung. Bei einem Personalkörper von 460 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sollte es möglich sein, neue Aufgaben zu erledigen, ohne 18 neue Leute einzustellen. Anderen Behörden werde diese Vorgehensweise ebenso abverlangt. Dennoch trug die CSU die zusätzlichen Planstellen mehrheitlich mit – allerdings unter der Bedingung, dass diese so lange befristet besetzt werden, bis das ebenfalls gestern auf den Weg gebrachte Organisationsgutachten abgeschlossen ist. Hierfür sind zwei bis drei Jahre veranschlagt. So lange sollte auch die Befristung gelten, hatte der Kreisausschuss in der letzten Woche einmütig beschlossen. Für etwas Verwirrung sorgte daher Landrat Scherf, als er gestern erklärte, es werde bei Neueinstellungen bei der generellen, einjährigen Befristung bleiben, wie sie in den letzten Jahren schon worden praktiziert sei.
Hans-Jürgen Fahn (MdL) von den Freien Wählern forderte mehr Geld vom Freistaat Bayern. Über eine Senkung der Kreisumlage könne vielleicht nächstes Jahr geredet werden. Die Rücklagen von 10,4 Millionen Euro seine schnell weg, prophezeite Fahn. „Das glaube ich sofort“, rief ihm sein Landtagskollege Berthold Rüth von der CSU daraufhin zu, denn er kennt Fahns Ausgebefreudigkeit.
Der SPD-Kreisrat Roland Weber bezeichnete den Einsatz der CSU für die finanziellen Interessen der Kommunen als „kindisches Trotzverhalten“. Zur Personalkostensteigerung sagte er, das Personal für die Betreuung der Asylbewerber zahle der Landkreis gerne, weil die Zuwanderung dieser gut gebildeten Menschen eine Chance sei, unsere negative demographische Entwicklung auszugleichen.
Grüne und FDP: "Es gibt auch wohlhabende Kommunen!"
Petra Münzel von den Grünen war der Meinung, dass es nicht allen Kommunen schlecht gehe. Der Landkreis brauche das Geld für die Bildung, die Energiewende und den neuen Wertstoffhof im südlichen Landkreis. Auch Heinz Linduschka (FDP) verwies auf die wohlhabenden Kommunen und meinte, die CSU werde vom Teufel geritten. Der Ökolandwirt Ulrich Frey (ÖDP) sah ein Luxusproblem in der Frage, ob der Landkreis „richtig viel Geld“ oder „zu viel Geld“ habe. Seiner Meinung nach ist es „nicht zu viel“ und daher solle die Kreisumlage nicht gesenkt werden.
Neue Mitte: "Kommunen brauchen das Geld!"
Großheubachs Bürgermeister Günther Oettinger (Neue Mitte) stellte heraus, dass viele Kommunen schlechter da stehen als das Landkreis. Für diesen würde die Senkung der Kreisumlage keine Einschränkungen bei irgendwelchen Projekten bedeuten. Die Kommunen bräuchten das Geld, um gleichwertige Lebensbedingungen im Landkreis zu schaffen. Kirchzells Bürgermeister Stefan Schwab (CSU) ergänzte hierzu, mit den zusätzlichen 34.000 Euro könne er den DSL-Ausbau in den Ortsteilen voran bringen. Amorbachs Bürgermeister Peter Schmitt (CSU) würde die zusätzlichen 64.000 Euro gerne für dringend notwendige Fenstersanierungen verwenden. Der ebenfalls aus Amorbach kommende Kreisrat Bernd Schötterl (FW) hingegen befand, dass wirklich bedürftigen Kommunen durch eine Kreisumlagensenkung nicht geholfen werde. Der ehemalige Landtagsabgeordnete Dr. Heinz Kaiser ergänzte, der Landkreis sei nicht für einen kommunalen Finanzausgleich zuständig. Das sei Aufgabe des Freistaates Bayern.
Bürgermeister Erich Kuhn aus Schneeberg (CSU) stellte fest: „Der Kreis schwimmt im Geld!“ Er argumentierte, dass eine Kreisumlagensenkung kein Geschenk an die Kommunen sei. Vielmehr werde ihnen lediglich weniger weggenommen. Dennoch stimmte der Kreistag mehrheitlich – gegen die Stimmen von CSU und Neuer Mitte – für den von Landrat Scherf vorgelegten Haushaltsplan mit einer Kreisumlage von 43 Prozent.

Autor:

Christian Steidl aus Erlenbach a.Main

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