Runder Tisch sieht Integrationsbeirat positiv
Kommt es im Landkreis Miltenberg zur Gründung eines Integrations- oder Ausländerbeirats? Die Teilnehmer des runden Tisches zur Integration unter Leitung von Landrat Jens Marco Scherf zeigten sich am Montagabend im Landratsamt von der Idee sehr angetan, allerdings sind noch umfangreiche Vorarbeiten notwendig.
Wichtige Informationen zur Umsetzung einer solchen Idee lieferten Mitra Sharifi Neystanak, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Ausländer-, Migranten- und Integrationsbeiräte Bayern (AGABY) sowie AGABY-Geschäftsführerin Réka Lörincz. Neystanak erklärte den rund 30 Teilnehmern, dass es solche Beiräte in allen großen und mittelgroßen Städten Bayerns bereits gibt, auf Landkreisebene dagegen kaum. Die Beiräte seien gegründet worden, um die Migranten als aktive Akteure der Integrationspolitik zu gewinnen. Integrationspolitik könne nur gemeinsam funktionieren, sagte Neystanak und forderte dazu auf, die Expertise von Migranten einzubeziehen. Die Beiräte sollten rechtzeitig auf Probleme aufmerksam machen, aber auch selbst aktiv werden und Ideengeber für Projekte sein. Sie könnten etwa Foren und sonstige Veranstaltungen organisieren und niedrigschwellige Begegnungen ermöglichen.
„Wir haben lange die Augen zugemacht vor der Tatsache, dass sich Parallelgesellschaften gebildet haben“, meinte Neystanak. Nun sei es umso wichtiger, Menschen zum Anpacken zu motivieren. Die Bildung von Integrations- oder Ausländerbeiräten sei in Bayern eine freiwillige Entscheidung von Kommunen, während dies in anderen Bundesländern gesetzlich geregelt sei. Grundlage eines Ausländerbeirats sei eine Satzung. Hier gebe es eine große Palette an Möglichkeiten, wusste sie und bot an, einen Empfehlungskatalog der AGABY zur Verfügung zu stellen. In diesem sind zahlreiche Tipps aufgeführt, wie ein solcher Beirat funktionieren kann, welche Themen er bearbeiten kann und wie die Zusammenarbeit mit den politischen Gremien funktionieren kann. Festzulegen sei auch, ob die Mitglieder der Beiräte gewählt werden oder entsandt werden. Als äußerst wichtig erachtete sie die Arbeit des Beirats über ethnische und religiöse Grenzen hinweg. Für Neystanak ist es auch erforderlich, dass die Erfahrungen der Eingebürgerten mit Migrationshintergrund einfließen. Ein Beirat dürfe sich aber nicht nur viermal im Jahr treffen, ergänzte sie, zwischen den Treffen müssten auch Arbeitsgruppen aktiv werden – entweder in Regional- oder Themengruppen.
Dass es im Landkreis Miltenberg bereits einen Ausländerbeirat gegeben hat, ergänzte Gerald Rosel, am Landratsamt zuständig für Öffentliche Sicherheit und Ordnung. Dieses Gremium, 1985 gegründet, sei schließlich eingeschlafen. Grund: Es lagen so wenige Wahlvorschläge vor, dass der Beirat nicht handlungsfähig gewesen wäre. „Wir hatten damals alles erledigt“, ergänzte eine Teilnehmerin. Nun aber, da mit der Integration der Flüchtlinge viele neue Aufgaben warten, sei ein neuer Beirat sehr zu begrüßen.
Die Teilnehmer stimmten einem Vorschlag von Landrat Jens Marco Scherf zu, der das nächste Treffen des runden Tisches für den Herbst ankündigte. Dann will man eine mögliche Satzung vorlegen und diese in einer Arbeitsgruppe unter die Lupe nehmen. Auch thematisch soll in der nächsten Sitzung gearbeitet werden – vermutlich zum Thema „Anerkennung ausländische Berufsqualifikationen“. Landrat Scherf bat alle Anwesenden, sich darüber Gedanken zu machen, welche weitere Gruppen in die Arbeit einbezogen werden sollen.
In der Sitzung des runden Tischs legten Fachleute auch aktuelle Zahlen zur Flüchtlingssituation im Landkreis vor. Werner Strobel (Ausländeramt) berichtete von zurzeit 13.500 Ausländern im Landkreis Miltenberg. Er zählte 1008 Asylsuchende auf – vor drei Monaten seien es noch 1147 gewesen –, dazu kommen 77 unbegleitete Minderjährige. Hauptherkunftsland sei Afghanistan (316), das Syrien abgelöst habe (275). Zwölf Flüchtlinge seien asylberechtigt (höchste Stufe), 356 seien anerkannte Flüchtlinge und 32 genössen sogenannten subsidiären Schutz, und zwar überwiegend Syrer. Die Altersstruktur führte Strobel wie folgt auf: 148 Kinder unter sechs Jahren, 203 Jugendliche zwischen sechs und 16 Jahren, 118 Jugendliche zwischen 16 und 21 Jahren sowie 539 Erwachsene.
Andrea Hager (Sozialamt) erklärte, dass unter den 1224 Asylbewerbern zurzeit 191 Fehlbeleger seien. Zurzeit gebe es für sie noch 309 freie Unterkunftsplätze bei insgesamt 65 Unterkünften mit 1548 Plätzen. Die meisten Plätze stünden in Elsenfeld (222) und Obernburg (216) zur Verfügung. Die Notunterkunft in Kleinheubach sei seit Mai leer und befinde sich im Stand-By-Betrieb. Hager listete zudem die verstärkten Anstrengungen des Landkreises in Sachen Bildung Ausbildung auf und nannte unter anderem die neue Stelle für Bildungskoordination, die Kooperation „Jugend stärken“ und die Ausbildungsinitiative Asyl. „Wir bemühen uns stark um den Bereich Bildung“, hob Landrat Jens Marco Scherf hervor und freute sich, dass der Freistaat mittlerweile viele zusätzliche Lehrerstunden ermöglicht habe. Er ging auch auf die Wohnraumvermittlungsstelle ein, die bei der Caritas angesiedelt sein wird. Laut Heinrich Almritter, dem Caritas-Kreisvorsitzenden, werde die mit 25 Wochenstunden ausgestattet Stelle zum 1. Oktober 2016 die Arbeit aufnehmen. Sie werde Öffentlichkeitsarbeit leisten, den Kontakt mit allen potenziellen Anbietern von Wohnraum suchen und auch die Kunden beraten – ungeachtet von deren Herkunft. Dass man auch versuche, die Fehlbeleger aus den Gemeinschaftsunterkünften zu bekommen, erläuterten Andrea Hager und Landrat Scherf. „Wir signalisieren den Fehlbelegern deutlich, dass eine gewisse Eigeninitiative nötig ist, um eine Wohnung zu finden“, sagte der Landrat auf Nachfrage aus dem Teilnehmerkreis.
In der kurzen Diskussion wurde auch deutlich, dass der Familiennachzug die Gemeinden vor Probleme stellt. Diese Familien kämen häufig sehr kurzfristig nach Deutschland, so dass man es laut Günther Oettinger, Kreisvorsitzender des Städte- und Gemeindetags, nur mit großem Aufwand schaffe, die Familien unterzubringen. Hier müsse das Ministerium eine Lösung erarbeiten, forderte er. Dennoch sei man dankbar, dass der Landkreis zur Verfügung stehende Unterkünfte gegen Kostenersatz bereitstelle. „Dieses neue Problem muss in der Praxis gelöst werden“, meinte auch Landrat Jens Marco Scherf.
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