Leitlinien sollen beim Waldaufbau helfen
Der zu hohe Verbiss macht Reviereigentümern und Jagdpächtern in der Hegegemeinschaft 7 Klingenberg schon seit dem Jahr 2003 das Leben schwer. Das Landwirtschaftsministerium hat nun von den Unteren Jagdbehörden gefordert, in Hegegemeinschaften mit dauerhaft zu hohem Verbiss gemeinsam mit Jagdbeirat und Experten Leitlinien zu entwickeln, um die Waldverjüngung gerade auch vor dem Hintergrund der klimabedingten Belastungen nachhaltig zu verbessern.
Eine Arbeitsgruppe von Fachleuten und Betroffenen hat deshalb unter Leitung der Jagdbehörde am Landratsamt deshalb Leitlinien entwickelt und am Donnerstagabend im Bürgersaal Mönchberg den über 30 kommunalen und jagdgenossenschaftlichen Waldbesitzern vorgestellt. Diese waren von der Jagdbehörde gebeten worden, auch ihre Jagdpächter mit einzuladen. Um der Verbissbelastung Herr zu werden und die Waldverjüngung hin zu einem stabilen und klimastabilen Mischwald zu steuern, müsse man gemeinsam agieren, so die Erkenntnis des Abends. Die Verbissbelastung sei besorgniserregend, stellte Landrat Jens Marco Scherf fest, weshalb alle Akteure, egal ob Waldbesitzer oder Jagdpächter, gemeinsam neue Strategien entwickeln müssen. Die Leiterin des Sachgebiets Naturschutz, Jagd- und Fischereiwesen, Regina Groll, stellte die rechtlichen Rahmenbedingungen vor, wonach der Abschussplan von Revierinhabern gemeinsam im Einvernehmen mit Jagdvorstand und Jagdberechtigten erstellt werden muss. Trotz einer Abschussplanerfüllung von 102 Prozent beim Rehwild in der letzten Periode sei Handlungsbedarf offensichtlich, so Groll. Forstexperte Walter Adamek zeigte, dass Stürme, Käferbefall und Dürre den Wald stark belastet hätten.
Die Folge: Die Waldverjüngung müsse auf großen, verstreuten Flächen umgesetzt werden, die in Folge von Baumverlusten entstanden seien. Das Ziel sei der Aufbau eines stabilen, naturnahen und klimabeständigen Mischwalds mit möglichst standortgemäßen Baumarten. Hier sei die hohe Verbissbelastung ein Problem.
Dass die Jagd in den letzten Jahren viel höheren Aufwand erfordert, verdeutlichte der Leiter der Hegegemeinschaft 7, Armin Rubach. Er beklagte die massive Beunruhigung des Wildes durch Freizeitdruck. Quadfahrer, Mountainbiker, Geocacher und Holzmacher sowie zuletzt „Pilzsucher in Heerscharen“ stressten das Wild, so dass die Bejagung mitunter nicht möglich sei. Menschen seien zu teilweise unmöglichen Zeiten im Wald, teilweise mit Stirnlampen ausgerüstet. Die Tiere würden gestresst, was zu hohem Energieverbrauch führe und letztlich zu höherem Verbiss.
Erschwerend kommt in der Hegegemeinschaft 7 dazu, dass sie an das Rotwildgebiet Spessart-Süd grenzt. Wanderndes Rotwild sorgt auch in den Klingenberger Revieren für Verbiss. Ziel sei es laut dem Vorsitzenden der Rotwild-Hegegemeinschaft Spessart-Süd, Florian Vogel, die Ausbreitung des Rotwildes über die Grenzen des Rotwildgebiets hinaus zu verhindern. Um belastbare Abschusszahlen zu erhalten, habe man den freiwilligen körperlichen Nachweis eingeführt: Abschüsse würden sofort gemeldet. Damit habe man genaue Abschusszahlen und könne effektiv steuernd eingreifen.
Gerhard Schnabel und Bürgermeister Thomas Zöller schilderten mit Kurzbeiträgen aus der Sicht eines Jagdpächters und einer Kommune ihre Einschätzung der Situation.
Anschließend stellten Roland Dotterweich, Josef Fischer, Sebastian Spatz und Bernd Spilger die entwickelten Leitlinien vor, die unter anderem folgende Empfehlungen vorsehen: die Forcierung jagdrechtskonformer revierübergreifender Bewegungsjagden für Reh- und Rotwild, die Erlegung allen Rotwilds außerhalb des Rotwildgebiets, das Schießen im Schießkino zur Förderung sicherer Schussabgaben bei Drückjagden, die Schwerpunktbejagung im Wald an Verjüngungsflächen, die Intervalljagd sowie die Einhaltung des Nachtjagdverbots außer bei Schwarzwild.
Weiter sei auf die Einhaltung der Wildfütterung zu achten, die nur in Notzeiten erlaubt ist. Als wichtig werden regelmäßige Reviergänge aller am Jagdwesen Beteiligten erachtet, bei Bedarf auch mit Wildlebensraumberatern.
Der regelmäßige Austausch von Revierinhabern und Jagdvorstehern sei notwendig, um sich über die Erfüllung der Abschussplanung zu unterhalten. Auf freiwilliger Basis könnten freiwillige körperliche Nachweise vereinbart werden nach dem Vorbild im Rotwildgebiet.
Der Abschuss könne heute etwa mit WhatsApp problemlos gemeldet werden. Im Gegenzug könne der Jagdpächter bei Erfüllung des Abschussplanes finanziell vergütet werden.
Die Verbesserung des Wildlebensraums sollte revierübergreifend gestaltet werden, auch solle man ganzjährige Einstands- und Äsungsflächen schaffen. Bei der Neuausweisung von Wanderwegen und sonstigen Freizeiteinrichtungen im Wald sollte auf die Belange von Wild und Jagd geachtet werden. Vorstellbar sei auch, die Brennholz-Selbstwerbung auf die Zeit von Anfang Oktober bis Ende April zu begrenzen.
Mehrere Besucher forderten, die Freizeitnutzung im Wald zu begrenzen. Schon alleine die Bitte, auf den Hauptwegen zu bleiben und Hunde angeleint zu lassen, würde helfen, dass Wildtiere weniger Stress haben. Das Betreten des Waldes, das auch verfassungsrechtlich verankert ist, wolle man nicht verbieten, nur sollten gewisse Regeln auf freiwilliger Basis durch die Bevölkerung beachtet werden. Das aber, glaubte Moderator Stefan Pache (Abteilungsleiter Umweltschutz am Landratsamt), werde schwer und sei nicht von heute auf morgen zu realisieren.
Beklagt wurde von Seiten der Jäger zudem, dass in der Bevölkerung der Stellenwert und die Bedeutung der Jagd auch für den Aufbau eines klimastabilen Waldes häufig nicht anerkannt werden. Walter Adamek und Forstabteilungsleiter Sebastian Spatz erklärten auf Nachfrage die Methode, die der Verbissaufnahme zugrunde liegt. „Behalten wir den engen Austausch bei“, schloss Landrat Jens Marco Scherf nach zweieinhalb Stunden die Veranstaltung, nur gemeinsam komme man weiter: „Lassen Sie uns miteinander reden und nicht übereinander.“
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