Zukunft der Hebammen ungewiss
Für Mai geplante Entscheidung im Konflikt um Änderungen im Vergütungssystem auf Juli vertagt – keine Einigung in Sicht
Es geht nicht voran! Die für den 19. Mai geplante Entscheidung im Konflikt um die Änderungen im Vergütungssystem von Beleghebammen wurde auf den 4. Juli vertagt. Es ist keine Einigung in Sicht und das ist kein gutes Zeichen.
Worum geht es?
Der GKV-Spitzenverband (Verband der Angestellten Krankenkassen) plant weitreichende Änderungen im Vergütungssystem von Beleghebammen. Beleghebammen sind freiberuflich arbeitende Hebammen, die mit einer oder mehreren Geburtskliniken einen Belegvertrag abgeschlossen haben. Beleghebammen sind auch diejenigen, die in einem Krankenhaus mit einem Belegsystem arbeiten. Diese arbeiten in der Regel im Schichtdienst im Kreißsaal oder in der Wochenstation, ähnlich wie dies auch angestellte Hebammen tun (Quelle: Wikipedia).
Wie sollen diese Änderungen aussehen?
Vorgesehen ist, dass eine Hebamme nur noch maximal die Betreuung zweier Frauen abrechnen darf. Was sich zunächst nicht so schwerwiegend anhört, ist in der Praxis kaum realisierbar. Denn Geburten lassen sich nicht planen. Daher ist es durchaus üblich, dass eine Hebamme mehrere Frauen gleichzeitig betreut. Würde eine solche Änderung, wie von der GKV-SV vorgeschlagen, umgesetzt werden, würde das bedeuten, dass eine Hebamme gebärende Frauen in eine andere Geburtsklinik schicken oder die Geburt privat abrechnen müsste.
Was passiert dadurch?
Setzt der GKV-Spitzenverband die Änderungen durch, dann werden die Einnahmen vieler freiberuflicher Hebammen erneut massiv sinken. Denn schon in der Vergangenheit haben die horrende gestiegenen Prämien für die Berufshaftpflichtversicherung von Hebammen für viele Diskussionen und in der Folge für merkliche Verdiensteinbußen gesorgt.
Was heißt das für werdende Mütter?
Sollten die Änderungen umgesetzt werden, wäre die Zukunft der Geburtsklinik in Erlenbach nicht in Gefahr. „Für Schwangere und Kreißende würde sich überhaupt nichts ändern“, erklärt Sylvia Breckl, Pressesprecherin der HELIOS Klinik Erlenbach. „Der Betrieb der Babyfreundlichen Geburtsklinik wird ganz normal weiterlaufen – das steht gar nicht zur Debatte. Die Behandlungs- und Betreuungsqualität durch das engagierte, babyfreundliche Team bleibt unverändert für die künftigen Mamas und jungen Familien.“ Werdende Mütter könnten also auch weiterhin im Landkreis Miltenberg ihre Kinder auf die Welt bringen. Allerdings müsste das dort sehr gut funktionierende Beleghebammensystem komplett umorganisiert werden. Daher haben die Verantwortlichen vereinbart, zunächst die Entscheidung der Schiedsstelle Anfang Juli abzuwarten, um dann entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.
Wie sieht die Situation in Erlenbach aus?
Die HELIOS Klinik Erlenbach arbeitet schon lange mit dem Beleghebammensystem, das dort bereits zu Landkreis-Zeiten eingeführt und von HELIOS übernommen wurde. Über die derzeitige Situation ist die Klinikleitung mit den Hebammen im Gespräch. „Die Hebammen hatten sich damals entschieden, so zu arbeiten, und bislang hat es keinen Änderungswunsch gegeben“, so Klinikgeschäftsführer Norbert Jäger. Dass die hiesigen Beleghebammen mit der Beschäftigungssituation sehr zufrieden sind, weiß auch der Chefarzt der nach WHO/UNICEF-Kriterien zertifizierten Babyfreundlichen Geburtsklinik an der HELIOS Klinik Erlenbach Dr. med. Jan Kemnitz: „Für mich ist es ein Geschenk, ein so stabiles und engagiertes Hebammenteam im Krankenhaus zu haben. Dienst und Rufbereitschaft werden selbst organisiert, sodass auch bei größerem Ansturm die Kreißenden hervorragend betreut werden. Alle Hebammen sind ambulant rege tätig und schließen somit eine Brücke zwischen Klinik und häuslicher Betreuung. Es wäre für das Konzept ´Babyfreundliche Geburtsklinik´ bitter, wenn durch neue finanzielle Rahmenbedingungen ein sehr gut funktionierendes Team in Gefahr gebracht würde.“
Was sagen die Beleghebammen dazu?
Christine Hold, seit 28 Jahren Hebamme an der Geburtsklinik in Erlenbach und seit 12 Jahren als Beleghebamme beschäftigt, bestätigt das: „Wir können uns als freiberufliche Hebammen viel besser im Team organisieren. Die Zusammenarbeit auf Station funktioniert hier sehr gut. Dazu kommt, dass wir flexibler unsere Urlaubs- und Arbeitszeiten gestalten können und unterm Strich finanziell ggfs. sogar etwas mehr übrigbleiben kann." Sollten sich allerdings die politischen Rahmenbedingungen wesentlich ändern – wie etwa die starke Einschränkung der Anzahl der gleichzeitig zu betreuenden Frauen im Kreißsaal – könnte das bislang hier sehr gut funktionierende Beleghebammensystem gefährdet sein. Bis zur Entscheidung geht es für die Hebammen erst einmal weiter wie bisher. „Wir warten auf die Entscheidung im Juli. Erst dann ist absehbar, wie es weitergeht“, so Hold.
Warum wurde die Entscheidung vertagt?
Die Vertagung ist dem großen Umfang der Verhandlungsmasse geschuldet. Ähnlich, wie bei Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebervertretern, gibt es ein Stillschweigegebot. Der Inhalt der Verhandlungen wird nicht nach außen getragen. Das bedeutet auch, dass von Seiten der Hebammenverbände bis zum Schiedsspruch keine weiteren Aktionen in der Öffentlichkeit und in der Presse initiiert werden.
Was haben die Hebammen im Landkreis unternommen?
„Wir haben in Bayern und auch im Landkreis Miltenberg durch die guten Aktionen von Seiten der Beleghebammen und durch unsere gute politische Arbeit alles getan, was uns möglich war, um die Entscheidungsträger über die Folgen der geplanten Abrechnungsbeschränkungen zu informieren“, sagt Lisa Fritz dazu. Sie ist die Vorsitzende der Hebammenkreisgruppe Miltenberg. „Dies ist gelungen. Politiker, Politikerinnen und die Öffentlichkeit in Bayern haben die Tragweite der GKV-SV-Forderungen verstanden und haben sich für den Erhalt der Belegsysteme positioniert. Der Bayerische Hebammen Landesverband e. V. (BHLV) wird bis zum Schiedsspruch nicht mehr aktiv werden. Nun gilt es, das Ergebnis abzuwarten.“
Was leisten Hebammen?
Das Arbeitsspektrum einer Hebamme reicht von der Geburtsvorbereitung über die Geburt bis zur Nachsorge. Sie ist während der Schwangerschaft, der Geburt und den ersten Monaten zuhause für Mutter und Kind die wichtigste Ansprechperson. „Mit der Hebamme ist immer jemand da, an den ich mich wenden kann“, erzählt Sabrina Klein aus Weilbach. Die zweifache Mutter, die im Erlenbacher Krankenhaus entbinden möchte, erwartet in wenigen Wochen ihr drittes Kind. „Sie gibt mir Sicherheit, ihr kann ich einfach vertrauen. Die persönliche Begleitung während der Schwangerschaft, die fast schon eine Freundschaft ist, bestärkt mich und gibt mir die Zuversicht, der Natur einfach ihren Lauf zu lassen. Die Hebamme ist jederzeit erreichbar. Dadurch weiß ich, dass ich nicht auf mich alleine gestellt bin. Dieser psychologische Aspekt ist sehr wichtig.“ Was viele nicht wissen: Hebammen dürfen – genauso wie Ärzte – den Mutterpass ausstellen und die Vorsorgeuntersuchungen übernehmen. „Die Vorsorge bei der Hebamme ist viel angenehmer, denn sie kommt zu mir nach Hause und ich bin einfach entspannter. Das kommt meinem Kind und mir zugute“, sagt Sabrina Klein dazu. Carina Rudolf aus Amorbach hat vor wenigen Wochen ihren Sohn Tilo in der Babyfreundlichen Geburtsklinik Erlenbach zur Welt gebracht. Ihre Tochter Lea ist bereits zwei Jahre alt. „Die Hebamme hat mir während der Geburtsvorbereitung mit Rat und Tat einfühlsam zur Seite gestanden und mich in allen offenen Fragen und Sorgen begleitet. Vor allem während der Geburt, die ich ambulant gemacht habe, war sie Anker und Halt und hat mir Kraft gegeben. Sie geht individuell auf Gebärende ein und probiert auch Alternativen, wenn man sich darauf einlässt. Eine Geburt ohne Hebamme – das ist beängstigend! Die Nachsorge ist durch die Hebamme top. Sie besucht meinen Sohn und mich zuhause, das entlastet ungemein.“ „Die Geburtsvorbereitung durch die Beleghebamme war super“, erinnert sich Andrea Müller aus Obernburg. Die junge Mutter hat vor wenigen Tagen ihren Sohn Samuel in der Babyfreundlichen HELIOS Klinik Erlenbach geboren. „Auch wenn es für mich schon das dritte Kind war, hat mir die Kursvorbereitung für die Geburt gut geholfen und ich bin sehr froh darüber. Bei der Geburt ist die Unterstützung durch die Hebamme unverzichtbar, denn sie ist einfach da – mental und physisch –, lässt einem Freiraum, wenn sie es spürt und hilft, wenn es nötig ist. Sie hat viel Erfahrung, ist kompetent und hilft ganz individuell. Ein Kind ohne Hebamme zu bekommen, das kann ich mir nicht vorstellen. Zur Nachsorge war schon gleich nach der Entlassung aus dem Krankenhaus die Hebamme bei uns“, berichtet Andrea Müller weiter. „Sie ist zu jeder Zeit erreichbar, auch am Wochenende. Sie kann vermitteln und hilft mir weiter. Für mich ist sie in dieser ersten Zeit allein mit meinem Baby eine wichtige Vertrauensperson, mit der ich vieles besprechen kann. Die Hebamme ist ganz einfach Gold wert!“
Autor:Andrea Kaller-Fichtmüller aus Miltenberg |
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