Landkreis Miltenberg
Situation im Bereich Asyl bleibt angespannt
Die Situation im Bereich Asyl ist nach wie vor angespannt. Dies ließ sich den Äußerungen von Verantwortlichen der Bereiche Jugendhilfe, Sozialamt und Jobcenter in der Kreistagssitzung am Donnerstag, 21. März, entnehmen.
Laut Simone Greulich (Sozialamt) waren deutschlandweit in den ersten beiden Monaten des Jahres insgesamt 47.090 Erstanträge zu verzeichnen, Hauptherkunftsländer waren Syrien (rund 30 Prozent), die Türkei (rund 16 Prozent) und Afghanistan (rund 14 Prozent) – insgesamt entfallen also 60 Prozent aller Erstanträge auf diese drei Staatsangehörigkeiten. Mitte März waren im Landkreis Miltenberg 1.967 Menschen in Asylunterkünften untergebracht, der Großteil aus Afghanistan (949), der Ukraine (316),
Syrien (156), Somalia (138) und der Türkei (126). Greulich zufolge waren im März insgesamt 4.231 Geflüchtete im Landkreis gemeldet. Im Vergleich dazu waren es im März 2016 lediglich 1.478. Diese hohe Zahl sei laut Greulich „eine enorme Herausforderung“ für die Mitarbeitenden in der Verwaltung, denn sie hätten „keine Möglichkeit, Luft zu holen.“ Auch für die Flüchtlingsintegrationsberatung seien die Zahlen eine Herausforderung: Kümmerte sich 2016 eine Vollzeitkraft noch um 246 Klienten, so liege diese Zahl pro Berater aktuell bei 973. In den 104 Asylunterkünften befänden sich zudem 593 Fehlbeleger – also Menschen, die einen Aufenthaltstitel haben und eine eigene Wohnung suchen müssten, aber keine finden. Die Unterkünfte seien mittlerweile im ganzen Landkreis verteilt, verdeutlichte Greulich mit einer Liste und sagte, dass von den zur Verfügung stehenden 2.267 Plätzen derzeit 1.959 belegt seien. Die Notunterkunft in Klingenberg sei derzeit nicht belegt, in Miltenberg sei eine mit 110 Plätzen geplant. Immer noch kämen pro Woche bis zu 40 Neuankömmlinge aus dem Ankerzentrum, die man unterbringen müsse, sagte Greulich und befürchtete, in absehbarer Zeit die Notunterkunft aktivieren zu müssen. Die Bezahlkarte werde man vermutlich im zweiten Quartal 2024 einführen, kündigte sie an und bat alle Gemeinden, gemeinnützige Arbeitsgelegenheiten für die Geflüchteten zu melden.
Für das Jobcenter berichtete Geschäftsführerin Heide Moos von stark steigenden Zahlen erwerbsfähiger Leistungsbeziehenden aus Syrien, Iran, Irak, Somalia, Eritrea, Afghanistan, Pakistan und Nigeria – im Oktober 2023 waren es 527. Aus der Ukraine seien es zu diesem Zeitpunkt 472 gewesen. Das Jobcenter habe aufgrund der stetig ansteigenden Besucherzahlen ein zweites Anmeldefenster eingerichtet, da zusätzlich die Vorsprachen der Kundinnen und Kunden aufgrund der Sprachbarriere länger dauerten und die Wartezeiten sich sonst immer weiter erhöht würden. Die Integration von
Geflüchteten in den Arbeitsmarkt erfolge grundsätzlich in drei Phasen: Nach der Orientierung in Deutschland und dem Erwerb grundständiger deutscher Sprachkenntnisse erfolgten die Vermittlung in Arbeit und Qualifizierung. Hier setze auch der Job-Turbo mit dem Ziel an, Geflüchtete schneller in Arbeit zu bringen. Im Agenturbezirk Aschaffenburg gebe es mittlerweile viele gemeldete Stellen für Geflüchtete mit geringen Sprachkenntnissen. Um Betriebe und Leistungsbeziehende rasch zusammen zu bringen,
richte man im Jobcenter Bewerbertage aus, bei denen Firmen auf geeignete Arbeitskräfte treffen. Die Geflüchteten könnten so erste Arbeitserfahrungen in Deutschland sammeln und dabei weitere Deutschkenntnisse erwerben. In der dritten Phase gehe es darum, das Arbeitsverhältnis zu stabilisieren und auszubauen. Auch in ihrem Haus seien die Mitarbeitenden in allen Bereichen weiterhin sehr engagiert, aber zunehmend erschöpft.
Für das Jugendamt berichtete Leiter Rüdiger Rätz von steigenden Zahlen unbegleiteter minderjähriger Ausländer (UMA) – deutschlandweit seien es im Februar 41.154 gewesen. Der Landkreis Miltenberg sei in den letzten Jahren immer für rund 50 Jugendliche zuständig, die alleine ohne Bezugsperson nach Deutschland kommen. Sie brauchen umfangreiche Betreuung, da sie keine Familie haben und eventuell mit Traumata belastet sind. Sie kommen zumeist aus Syrien und Afghanistan. Von den zurzeit 56 Unbegleiteten in Verantwortung des Jugendamts sind 41 regulär jugendhilferechtlich untergebracht, zwei bei Verwandten und 39 in neun verschiedenen Jugendhilfestandorten auch außerhalb des Landkreises. Neun befanden sich bis Ende Februar in zwei Notunterkünften, sechs kommen in Kürze.
Laut Birgitta Fuchs (Jugendamt, Leiterin Verwaltung und Jugendsozialarbeit) werde es immer schwerer, Unterbringungsmöglichkeiten für unbegleitete minderjährige Ausländer zu finden. So habe sich der Landkreis schließlich für den Betrieb einer eigenen Jugendhilfeeinrichtung entschieden. Dafür habe man das ehemalige AWOJugendgästehaus auf dem Klotzenhof für zwei Jahre angemietet. Im sogenannten Waldhof kümmere sich Personal von zwei freien Trägern um zurzeit acht Jugendliche, Platz sei für 20 Jugendliche. Personell brauche man eine Leitung, einen Fachdienst, einen Gruppendienst, einen Sicherheitsdienst für die Randzeiten, einen Hausmeister und einen Reinigungsdienst in unterschiedlichen personellen Stärken. Zudem benötige man einen Kleinbus und Fahrräder – gerne gebrauchte Fahrzeuge. Die Kosten für den Betrieb der UMA-Wohngruppe werden Fuchs zufolge vom Bezirk Unterfranken erstattet. Welche Kosten genau anfallen, könne man aber noch nicht sagen, beantwortete Fuchs eine Frage aus dem Gremium, denn es handele sich um das erste Projekt dieser Art im Landkreis. „Wir tun das nicht gerne, aber der Markt ist überlastet und wir müssen jetzt etwas tun, was originär nicht unsere Aufgabe ist“, kommentierte Landrat Jens Marco Scherf die Situation bei der Unterbringung.
Der Kreistag nahm alle Ausführungen zur Kenntnis und sprach der Landkreisverwaltung ein großes Lob für die geleistete Arbeit aus. Das Gremium ermächtigte zudem die Kreisverwaltung, den Betrieb auf dem Waldhof zu organisieren und dem Jugendhilfeausschuss zu berichten.
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