Sternenkinder - für immer ein Teil der Familie
Nicht immer endet eine Schwangerschaft glücklich, umso wichtiger sind Erinnerungen

Tröstende Vorstellung vieler Sternenkindeltern: Abschied über die Regenbogenbrücke. | Foto: Quelle: Pixabay
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  • Tröstende Vorstellung vieler Sternenkindeltern: Abschied über die Regenbogenbrücke.
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Sie nähen, häkeln, stricken und basteln: Anna Ebert aus Miltenberg, Regina Graßmann aus Bürgstadt und viele weitere Frauen aus der gesamten Region, die sich ihrer Nähgruppe Leander angeschlossen haben. In liebevoller Handarbeit entstehen kleine Deckchen, winzige Kleidungsstücke, Häkelschmetterlinge, Stoffherzen, Karten, Taufaufleger und Perlenengel für Sternenkinder und Frühchen. Hilfe sein für Frühgeborene und deren Eltern, Hilfe sein für all die kleinen Menschen, die gestorben sind, bevor ihr Leben richtig beginnen konnte, und für ihre trauernden Angehörigen. Das ist das Anliegen der rund 50 Frauen, die sich in der Nähgruppe ehrenamtlich engagieren.

Wer nicht persönlich betroffen ist, kann den Schmerz kaum nachempfinden. Ein Kind zu verlieren gehört zu den schlimmsten Erfahrungen, die ein Mensch machen kann. Endet das Leben des Ungeborenen vor der 22. Schwangerschaftswoche und mit einem Gewicht von unter 500 Gramm, dann spricht man von einer Fehlgeburt. Da Fehlgeburten nicht meldepflichtig sind, gibt es keine genauen Zahlen, jedoch enden nach Informationen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung von allen klinisch festgestellten Schwangerschaften 11 bis 15 Prozent mit einer Fehlgeburt. Stirbt das Kind während der Schwangerschaft nach der 22. – 24. Woche oder bei der Geburt und wiegt mindestens 500 Gramm, so ist es in der Fachsprache ein „Totgeborenes“. Laut statistischem Bundesamt traf dieses Schicksal im Jahr 2017 die Familien von 3000 Kindern in Deutschland.

Wenn du bei Nacht den Himmel anschaust, wird es Dir sein, als lachten alle Sterne, weil ich auf einem von ihnen wohne, weil ich auf einem von ihnen lache. – Antoine de Saint-Exupéry
Sternenkinder werden die kleinen Menschen liebevoll genannt, deren kurzes Leben bereits während der Schwangerschaft, der Geburt oder kurz nach der Geburt endet. Eines haben sie alle gemeinsam: Sie wurden bereits sehr geliebt. Die Wortschöpfung „Sternenkinder“ verdeutlicht das und beschreibt den tiefgreifenden Verlust eines Kindes ohne negative Wertung und tröstender, als die Begriffe Tot- und Fehlgeburt, die das Erlebte versachlichen. Hinter der Bezeichnung steckt der Gedanke an helle Sterne, die im Dunkeln leuchten. So wie Sterne immer da sind, selbst wenn man sie nicht sieht, sind auch die Sternenkinder für immer im Herzen ihrer Angehörigen.

Emotionale Begleitung in der Hilflosigkeit
Paare erfahren in ganz unterschiedlichen Phasen der Schwangerschaft, dass ihr Kind aufgrund verschiedenster Ursachen die Bauchzeit nicht überleben wird oder nur wenige gemeinsame Stunden nach der Geburt verbleiben. Andere trifft der Schicksalsschlag nur Tage vor der Geburt, wenn sie bei einer Untersuchung erfahren, dass ihr Kind nicht mehr lebt. Häufig sind keine Hinweise für den Tod des Kindes sichtbar. Das ist eine große Last, besonders für die betroffenen Mütter. „Man weiß nicht immer, warum so etwas passiert und viele Frauen fragen sich, ob sie etwas falsch gemacht haben“, sagt Christine Hold, Hebamme an der Geburtsklinik der Helios Klinik Erlenbach. Umso wichtiger ist die emotionale Zuwendung für die Mütter und die ganze Familie. Die Hebammen und Seelsorger in Erlenbach begleiten die Betroffenen in dieser schwierigen Situation. Auch Frauen, die in der frühen Schwangerschaft erfahren, dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass ihr Kind nicht lebend zur Welt kommen wird, werden von den erfahrenen Hebammen ab der 14. Woche betreut. „Wir führen bereits im Vorfeld viele Gespräche“, so Christine Hold. So gut es geht, werden Eltern auf den Tag vorbereitet, an dem sie ihr Kind kennenlernen und der gleichzeitig auch Abschied bedeutet.

Die kurze Begegnung dokumentieren
Manche Eltern dürfen ihr Kind nach der Geburt für kurze Zeit noch lebend in den Armen halten, um es dann beim Sterben liebevoll zu begleiten, andere Mütter bringen ihr Baby still zur Welt, das bedeutet, es wird bereits tot geboren. In jedem Fall befinden sich die Eltern in einer absoluten Ausnahmesituation. Sie haben nur diesen einen Moment, in dem sie alle Erinnerungen an ihr Kind aufsaugen und mitnehmen können. „Wir lassen den Eltern ganz viel Zeit, sich zu verabschieden“, sagt Hebamme Christine. „Manchmal kommen auch Großeltern und Geschwisterkinder dazu, um Abschied zu nehmen“. Die Hebammen machen Fotos für die Eltern, die auch erst zu einem späteren Zeitpunkt abgeholt werden können.

Den Abschied vom Baby würdevoll und tröstend zu gestalten, dazu tragen auch die Handarbeiten der Nähgruppe Leander bei. Die kleinen Menschen werden in die weichen Stoffschiffchen oder Einschlagdeckchen gebettet, die Eltern behalten als Andenken Häkelschmetterlinge oder Stoffherzen in der gleichen Farbe. Für den Fall einer Segnung stehen auch Taufaufleger zur Verfügung. Auch Fußabdrücke des Babys in gebastelten Karten werden zur wichtigen Erinnerung.

Ehrenamtliches Engagement
Die Nähgruppe möchte die Familien in ihrer Trauer unterstützen. Das geht nur dank ehrenamtlicher Arbeit, Zeit- und Materialspenden. Jede der Frauen bringt sich nach ihren Fähigkeiten ein. Anna Ebert und Regina Graßmann koordinieren den Bedarf. Die Handarbeiten bekommen regionale Krankenhäuser, Gynäkologen, Bestatter vor Ort, aber auch Privatpersonen. Die katholische und evangelische Kirche binden die Andenken in ihre Seelsorge ein. Jegliche Unterstützung sowie Stoff- und Wollspenden sind sehr willkommen.

Teil der Familie
Eine Frau wird Mutter, ein Mann wird Vater– auch wenn es keiner sieht. Sie suchen die Nähe ihres Kindes in Erinnerungen und an seinem Grab. Seit 2013 ist es in Deutschland möglich, die Geburt von Kindern mit einem Geburtsgewicht von unter 500 Gramm beim Standesamt anzuzeigen, ihnen einen Namen und damit offiziell eine Existenz zu geben, auch nachträglich nach Jahren oder Jahrzehnten. Die Eltern haben das Recht, ihr Kind mit einer individuellen Zeremonie bestatten zu lassen.

Selbsthilfegruppe für Sternenkindeltern im Landkreis Miltenberg und darüber hinaus

In den Räumen des Ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienstes Miltenberg in Kleinheubach treffen sich ab September 2019 jeden 3. Donnerstag im Monat unter der Leitung von Jenniffer Hartmann Mütter und Väter von Sternenkindern. In entspannter Atmosphäre findet man dort Raum für Gespräche und gemeinsame Aktionen. Jeder Teilnehmer entscheidet selbst, wann er seine Geschichte teilen will oder bereit ist, eine andere zu hören. In einem ersten Treffen mit Frau Hartmann alleine wird überlegt, ob die Gruppe den Erwartungen entspricht oder ob andere Hilfen gebraucht werden.

Anna Ebert aus Miltenberg, Mutter eines Sternenkindes und Gründerin der Nähgruppe Leander:
„Ein ´Es tut mir leid´, ist nie zu distanzlos und auf jeden Fall besser als zu schweigen, die Trauer zu übergehen oder gar mit unbedachten Sätzen abzuwerten. Bei engerem Kontakt kann man konkrete Hilfe anbieten, auf die betroffenen Menschen zugehen und fragen ´Was braucht ihr?´. Wenn man akzeptiert, dass das Baby schon längst zu einem gehört, unabhängig in welcher Schwangerschaftswoche es verstarb, dann trägt einen diese Liebe mit durch die Trauer. Verdrängen funktioniert nicht. Mir hat es geholfen, wenn mir dafür Verständnis entgegengebracht wurde.“

Weitere Informationen:

Kontakt Nähgruppe Leander: luamarca@gmx.de

Kontakt Jenniffer Hartmann: mein.sternenkind.miltenberg@gmail.com
https://meinsternenkindmiltenberg.com/

Initiative für Eltern von Sternenkindern, die deutschlandweit mit ehrenamtlich arbeitenden Fotografen einfühlsame Fotografien von sterbenden oder bereits verstorbenen Sternenkindern anfertigt:
https://www.dein-sternenkind.eu

Autor:

Marlene Deß aus Miltenberg

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