Kooperation im Pflegekinderwesen voranbringen

Groß war das Interesse an der Fortbildungsveranstaltung zu den rechtlichen Aspekten von Kindern in Pflegefamilien.
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Kinder brauchen einen möglichst guten Start ins Leben, doch nicht immer gelingt das. Das Jugendamt hilft Eltern vielfältig, aber in manchen Fällen bleibt kein anderer Weg, als das Kind vorübergehend oder dauerhaft aus ihrer Obhut zu nehmen. Dann ist nicht nur das Jugendamt gefragt, sondern viele weitere Institutionen wie etwa das Familiengericht oder Familienhelfer. Deshalb ist die Zusammenarbeit aller Beteiligten sehr wichtig. So war es kein Wunder, dass eine Fortbildung zu den rechtlichen Grundlagen zur Unterbringung von Kindern in Pflegefamilien sehr gut besucht war.

Trotz der Corona-Pandemie kamen 20 mit dem Thema befasste Fachleute am Mittwoch zur Weiterbildung in das Landratsamt, darunter Familienrichter, Verfahrensbeistände, Umgangsbegleiter sowie aus dem Landratsamt Vormünder, Allgemeiner Sozialer Dienst, ambulante Jugendhilfe, wirtschaftliche Jugendhilfe und Pflegekinderdienst – natürlich unter Einhaltung der Infektionsschutzmaßnahmen.
„Die spezielle Situation von Pflegekindern ist in jeder Hinsicht herausfordernd für die beteiligten Fachkräfte“, wusste Landrat Jens Marco Scherf, der die Veranstaltung eröffnete und darauf hinwies, dass die Idee einer Veranstaltung für die beteiligten Fachkräfte im Landkreis Miltenberg während einem der zahlreichen Vorträge im Bereich Pflegekinderwesen geboren wurde.
Die Zuhörerinnen und Zuhörer hätten für die Fortbildung keinen besseren Referenten gewinnen können als Professor Doktor Ludwig Salgo, Seniorprofessor, Fachbereich Erziehungswissenschaften, und Professor am Fachbereich Rechtswissenschaft an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Er konnte mit seinem enormen Fachwissen in Familien- und Sozialrecht, dem Verhältnis Eltern-Kind-Staat, behördlichen und gerichtlichen Verfahren, Sorge- und Umgangsregelung und Kindeswohlgefährdung viele Informationen vermitteln. In dem vierstündigen Seminar ist es ihm gelungen, dieses komplexe Thema – untermauert mit anschaulichen Beispielen aus der Praxis – verständlich darzustellen, so dass keine Fragen mehr offenblieben.

Bei Pflegekindern handele es sich um eine „sehr empfindliche Gruppe junger Menschen“, fand Salgo bereits zu Beginn seines Vortrags passende Worte. Die Balance zu finden zwischen den Rechten der Eltern und der Kinder sei eine große Herausforderung, wusste er aus seiner beruflichen Erfahrung. Es sei nicht einfach, Kinder aus einer Gefährdungszone zu holen und sich gleichzeitig Gedanken darüber zu machen, wie es mit den Kindern weitergeht. Das Instrumentarium sei reichhaltig, aber was ist am besten für die Entwicklung des Kindes?
An erster Stelle stehen Stabilität und Kontinuität, stellte er fest, „instabile Platzierungen stören die Heilprozesse.“ Wenn Kinder wüssten, wie es weitergeht, helfe ihnen das sehr. Denn, so der Professor, Rückführungen seien nur verantwortbar, wenn Gefährdungen ausgeschlossen würden. Dass diese Rückführungen mitunter nicht funktionieren, belegte er mit Zahlen aus wissenschaftlichen Untersuchungen. In ca. 35% sei beispielsweise eine erneute Fremdplatzierung notwendig.

Er zitierte zahlreiche Paragraphen aus diversen Gesetzen, die nicht nur national, sondern auch international ähnliche Inhalte haben: Eltern und Kinder haben Recht auf Gehör, Kinder brauchen aber den besonderen Schutz des Gesetzes. So zitierte er Artikel 20 aus der UN-Kinderrechtskonvention: „Ein Kind, das vorübergehend oder dauernd aus seiner familiären Umgebung herausgelöst wird oder dem der Verbleib in dieser Umgebung im eigenen Interesse nicht gestattet werden kann, hat Anspruch auf den besonderen Schutz und Beistand des Staates.“
Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte messe in den letzten Jahren dem Kindeswohl mehr Gewicht bei, so Salgo. Er bezog sich dabei auf eine Erkenntnis des renommierten Professors Walter Pintens, wonach die Wiedervereinigung eines Kindes mit den Eltern keine absolute Priorität mehr habe. So werden der sozialen Bindung des Kindes mit den Pflegeeltern, der Meinung des Kindes und den traumatischen Folgen einer Wiedervereinigung wieder höheres Gewicht beigemessen. Es sei also eine große Verantwortung der beteiligten Institutionen, das Beste für das Kind zu erreichen.

Um die Rückkehr eines Kindes zu den leiblichen Eltern zu ermöglichen, seien laut Salgo viele Faktoren zu beachten, es gebe aber auch Ausschlusskriterien: wenn ein Kind trotz aller Bemühungen etwa erheblichen Widerstand gegen die Rückkehr leistet, die Eltern das Kind nicht mehr wollen oder keine Hilfe annehmen wollen.
Damit eine Rückkehr gelingen könne, brauche es Transparenz, so der Professor. So müsse man beispielsweise eindeutige und umsetzbare Ziele in einem Hilfeplan sowohl Eltern wie auch Pflegeeltern darstellen, eventuelle „Schwebezustände“ möglichst früh beenden und realistisch klären, ob die Rückkehr eine Option ist. Unabdingbar sei in allen Konstellationen die Arbeit mit der Herkunftsfamilie, machte der Professor klar. Hierbei ist das Kind stets altersgemäß zu beteiligen.
Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu in einer Entscheidung vom 03. Februar 2017 festgestellt: „Der Staat darf und muss daher zunächst versuchen, durch helfende, unterstützende, auf Herstellung oder Wiederherstellung eines verantwortungsgerechten Verhaltens der natürlichen Eltern gerichtete Maßnahmen sein Ziel zu erreichen. Darauf ist er jedoch nicht beschränkt, sondern er darf und muss, wenn solche Maßnahmen nicht genügen, den Eltern die Erziehungs- und Pflegerechte, vorübergehend, gegebenenfalls sogar dauernd entziehen.“

Professor Salgo führte die interessierten Zuhörerinnen und Zuhörer in der Folge durch viele weitere rechtliche Aspekte des Pflegekinderwesens wie etwa den Umgang des Pflegekindes mit beiden Elternteilen und den Kontakt zu anderen Menschen, zu denen es Bindungen hat. In jedem Pflegeverhältnis besteht grundsätzlich ein Umgangsrecht für Eltern und Kind. Bei einer geplanten Rückführung haben die Kontakte eine „Schlüsselrolle“. Es kann allerdings auch Gründe geben, die gegen den Umgang mit den leiblichen Eltern sprechen – auch dies ist rechtlich geregelt. Im Zweifelsfall gelte laut Salgo, dass der Schutz des Kindes immer Vorrang habe.
Am Ende der Fortbildung hatte jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin viele Aspekte aufgenommen, die die künftige Zusammenarbeit aller am Pflegekinderwesen Beteiligten sicher bereichern werden.

Groß war das Interesse an der Fortbildungsveranstaltung zu den rechtlichen Aspekten von Kindern in Pflegefamilien.
Professor Doktor Ludwig Salgo beleuchtete in seinem Vortrag zahlreiche rechtliche Aspekte des Pflegekinderwesens.

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