Bildergalerie und Essay.
Winteraustreiben in Windischbuchen 2024.
Vorfreude auf hoffentlich bald wärmere Tage:
Winteraustreiben in Windischbuchen 2024
Eichenbühl-Windischbuchen. Noch gepflegt wird am Vortag des vierten Fastensonntags („Lätare“) ein alter Brauch: das Winteraustreiben.
Kinder ziehen im 100-Einwohner-Odenwalddorf von Haus zu Haus und sammeln nach alter Tradition für sich Süßigkeiten, Eier und Geld in einem Handwagen.
Unterstützt werden die Grundschulkinder seit einigen Jahren von Mitgliedern der hiesigen freiwilligen Feuerwehr, die nach dem Umzug im Ortszentrum nahe der einstigen Schule ein gemütliches Beisammensein am wärmenden Lagerfeuer bei Eintopf, Bratwurst, Brötchen und Getränken organisieren.
Erwähnenswert ist der mitgetragene „Butz“, eine puppenähnliche Begleitfigur, die nach Aussagen älterer Bürger die kalte Jahreszeit, sozusagen „Väterchen Frost“ symbolisiert und den selten gewordenen Brauch des Winteraustreibens darstellt.
Nur noch in wenigen Orten im Umkreis, beispielsweise in Watterbach, Ebenheid ,Rauenberg und Faulbach gibt es diesen sicherlich jahrhundertalten Heischebrauch.
In Windischbuchen bleibt die faschingsähnliche Butz-Maske nach dem Umzug erhalten, nur das farbenprächtige „Outfit“ aus Papierschnipseln, Tapetenresten und Textilstreifen wird alljährlich erneuert.
Besondere Zäsur zwischen Fasching und Ostern.
Der Wechsel zwischen Winter und Frühjahr, nachlassender Kälte und zunehmender Wärme steht sinnbildlich im Mittelpunkt dieser offensichtlichen Zäsur, die es zu feiern gilt. Gleichzeitig ist es wohl auch ein Willkommensgruß an den baldigen Sommer.
Schon vor fünfhundert Jahren heißt es bei Sebastian Franck (1534): „Zu miterfasten machen s ... ein stroinen man oder butzen angethan und zugericht wie ein tod.“
Seitdem wird eine Strohpuppe, der Doudemmo“ (Totenmann) mit Gesang und lustigen Sprüchen durch den einen oder anderen Ort im Spessart, Odenwald oder Bauland getragen. Die Kinderschar freut sich über Bonbons, kleine Würstchen und „Haijo-Weckli“ der Bürgerinnen und Bürger.
Das Winteraustreiben verweist mit dem sogenannten „Todaustragen“ unverkennbar auf den Frühlingsanfang und beinhaltet auch vorchristliche Glaubensvorstellungen.
Erinnerung an Pest, Hungersnot und weitere Krisenzeiten im Mittelalter.
Kulturhistoriker haben Belege aber auch im Spätmittelalter, wo Deutschland und östliche Nachbarländer von Pest und Hungersnot heimgesucht wurden. Der vermeintliche todbringende Dämon wurde in einem Abbild sichtbar gemacht, aus dem Ort hinausgetragen, im Bach bzw. Fluss ertränkt oder dem Feuer übergeben.
Vermutlich haben mit dem Sommerholen auch andere Gedanken und Vorstellungen aus dem Volksglauben in das Mittfasten-Brauchtum Eingang gefunden.
Im Spannungsfeld zwischen Leben und Sterben, Werden und Vergehen müssen auch manche Bräuche wie das Winteraustreiben angesiedelt werden, die man in der Vergangenheit wegen ihrer fröhlichen, farbenfrohen Erscheinung sicherlich allzu leicht der Fastnacht zugerechnet hatte.
Unverkennbar ist und bleibt bei diesem alten Brauch die Vorfreude auf Ostern, den Frühling und ein Ausklinken aus der noch bestehenden Fastenzeit.
Roland Schönmüller
Roland Schönmüller
Weitere Bilder und Infos folgen!
Autor:Roland Schönmüller aus Miltenberg |
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