Bildergalerie und Essay
Weihnachten und Winterferien bei uns anno dazumal.
Kindheitserinnerungen in den 1960er Jahren. Und: Weihnachten heute?
Zerschlagen sind viele Träume deutscher Gemütlichkeit.
Weihnachten war früher ein zentraler Bezugspunkt im Leben der Menschen, ein wirklicher Ankerplatz der Sehnsucht nach Geborgenheit und Harmonie - fern von immer größerer Geschenk-Erwartungen, vom Feiertags-Stress und von Fernreise-Fluchten.
Gerade jetzt - in der Zeit der Krisen, Katastrophen und Kriege bietet es sich an, selbst zur Besinnung zu kommen, Wichtiges und Wesentliches wieder zu erkennen, was wir Menschen trotz Reizüberflutung und unguter Nachrichten brauchen und geben können: Liebe und Frieden.
Weihnachten - Chiffre der guten, alten Zeit?
Vorfreude auf die Ferien, auf die Freizeit und auf Freiheiten im Winter, zu meisternde Herausforderungen in der Kälte und in der Gemeinschaft von Familie, Schule, Kirche sowie Öffentlichkeit - erholsame Rückzugsphasen beim Lesen, Spielen und Kreativsein - so lässt sich nicht nur der emotionale Aktionsradius heutiger Senioren vor rund sechs Jahrzehnten umschreiben.
Die letzten Schultage vor den Weihnachtsferien waren früher vielerorts facettenreich geprägt.
Da wartete das tägliche Instrumenten-Üben für einen gemeinsamen Musik-Auftritt in der Schule und Kirche oder auf einer Vereinsfeier.
Advents-und Weihnachtslieder wurden geprobt und gefühlvoll gesungen.
Der nicht immer stressfreie Einzel-Vortrag typischer Gedichte vor der Klasse oder Schulgemeinschaft verlangte viel zeitaufwändige Vorbereitung und Wiederholung, die man gerne anders genutzt hätte.
Eher entspannt gelangen die ansehnlichen Heftgestaltungen und großformatigen Winterbilder auf dem Malblock im Unterricht und zu Hause.
Gemütliche, kreative Zeit.
Selbst die kurzweiligen Krippenspiel-Darbietungen vor Eltern und Großeltern wurden von den engagierten Schülerinnen und Schüler oft mit Bravour und Begeisterung gemeistert.
Eine rote, brennende Adventskerze, umgeben von einem grünen Fichtenzweig, war auf jeder Schulbank im Klassenzimmer platziert.
Gerne hörte man der Lehrerin und dem Pfarrer zu: sie erzählten im Deutsch- und Religionsunterricht Weihnachts- und Wintergeschichten, die wohl jeden Zuhörer berührten oder betroffen machten.
In den Schulpausen wurde die Krippe in der Aula mit echtem Moos, skurrilem Wurzelwerk aus dem nahen Wald und echtem, flackernden Lagerfeuer-Licht samt den Akteuren im Stall und auf dem Feld bewundert.
Magisch anziehende Krippe.
Interessiert schaute man in die gütigen Gesichter der heiligen Familie mit Maria, Josef und dem lächelndem Jesuskind, bestaunte den imposanten, thronenden Engel, die überraschten Hirten oder die sympathischen Stall- und Weide-Tiere.
Viel Beachtung fanden auch der leuchtende Stern über den Stall von Bethlehem, der mit einem wildromantischen Ambiente als Hintergrund in heimatliche Gefilde verlegt werden war.
In Gedanken erreichte man über eine robuste Brücke eine nahe Quelle neben einer bläulich blitzenden Höhle.
Faszinierend war auch das echte, sprudelnde Wasser, das sich in Form eines Baches quer zur Krippen-Szenerie plätschernd fortsetzte.
Vielfältige Winterfreuden und reichlich frische Luft.
Zuhause wurden die letzten Hausaufgaben gemacht. Schnell war man draußen mit Schlitten, Schlittschuhen oder Skiern in der verschneiten Winter-Landschaft bei Freunden und genoss die vielen Möglichkeiten an der frischen Luft.
Zwei zugefrorene Dorfweiher luden zum Schlittschuhlaufen und Eishockey-Spiel ein.
Ein Steilhang mit selbstgebauten Sprungschanzen oder geräumige Rodel-Abfahrten warteten als weitere, beliebte Winter-Ziele im Nahbereich auf die Risikofreudigen und Mutigen.
Bei Pappschnee entstanden Schneemänner, „Iglus“, Schneehöhlen oder Burgen. Schneeballschlachten gab es weniger, eher schon das Werfen auf leblose Ziele wie Dosen oder Büchsen.
Schnell durchweicht waren manche Finger- oder Fausthandschuhe durch den Umgang mit Schnee, Eis und Wasser.
Erst in der Abenddämmerung kehrten die Kinder und Jugendlichen nach Hause zurück. Groß war die Sehnsucht nach Wärme und trockener Kleidung. Mit großem Appetit wartete man auf das Abendessen und einen heißen Tee.
„Das Christkind ist da!“
Waren dann die Weihnachtsferien endlich da und die letzten Adventskalender-Türchen geöffnet, freute man sich auf die kommenden Feiertage in der Familie und auf die feierlichen Gottesdienste in der gut beheizten Kirche.
Die Geschenke für die Kinder beschränkten sich vor rund fünfzig oder sechzig Jahren auf praktische Dinge wie Kleidung, Bücher, Schul- und Spielsachen, die das Christkind unter den Christbaum gelegt hatte.
Der Christmetten-Besuch war Pflicht, wenn man nicht krank war.
Die vom Orgelspiel und Kirchenchor musikalisch gestaltete Christmette am Heiligen Abend besuchten die Kleinen und Heranwachsenden mit ihren Eltern.
Dort warteten manche Aufgaben auf die Schulkinder - als Musikant, Sänger, Lektor, Ministrant oder Spieler in einem Christmetten-Theaterstück.
Nicht immer gelangen die Beiträge perfekt und problemlos - aber Versprecher, Misstöne- oder Missklänge, nicht eingeplante Kunstpausen, Stolper-Aktionen und andere Aufgeregtheiten waren vom mehr oder weniger aufmerksamen Publikum schnell wieder verziehen oder bald vergessen.
Danach gab es zuhause vor dem Zubettgehen noch eine einfache Brotzeit für alle. Ältere, noch nicht müde Kinder sahen sich mit den Eltern die Weihnachts-Mitternachtsmesse aus Rom im Fernsehen an.
Nette Paten-Präsente.
An den beiden Weihnachtsfeiertagen folgten nach den Gottesdienstbesuchen üppige Mittagessen, winterliche Wanderungen sowie Verwandtentreffen im verschneiten Dorf oder Nachbarort.
Patinnen und Paten brachten weitere Geschenke. Lebkuchen und selbst gebackene Plätzchen wurden serviert oder ausgetauscht, Christbäume und Hauskrippen bei Bekannten bewundert.
„Die Zeit zwischen den Jahren war damals sehr entspannt und erholsam!“, berichtet ein Senior, Mitte sechzig.
Eifrig wurde in Büchern gelesen. Die großen und kleinen Bausteine aus Holz, Plastik und Metall sowie Gesellschaftsspiele (Dame, Mühle,“Mensch-ärgere-dich-nicht“ & Co. blieben nicht unberührt. Von Langeweile also keine Spur.
Im Fernsehen freute man sich über mysteriöse Märchen und spannende Karl-May-Verfilmungen.
Die nächsten Feiertage Silvester, Neujahr und Dreikönig kamen und gingen - meist schneller als gedacht.
In Franken waren zuvor noch am Unschuldig-Kinder-Tag die Pfefferer ( zum Beispiel in Hesselbach, Lahm, Effelter, Nurn, Birnbaum und Neufang im Frankenwald) unterwegs: sie zogen in unterschiedlichen Rollen von Haus zu Haus, wurden bewirtet und wünschten alles Gute zum Neuen Jahr.
Ehe man sich versah, begann nach Dreikönig und den Sternsinger-Auftritten die Schule schon wieder. Man freute sich auf die Klassenkameraden, auf gemeinsame Veranstaltungen und den einen oder anderen Lernstoff.
Bis Mariä Lichtmess’ (2. Februar) und dem Ende des Weihnachtsfest-Kreises stand in den meisten Familien noch der Christbaum in vielen „guten Stuben“ und Wohnzimmern.
Dann verschwanden Beleuchtung, Lametta, Kugeln und Fensterdekorationen in Kartons auf dem Dachboden - bis zum nächsten Dezember.
Fasching, Fastnacht, Karneval und närrisches Treiben in Schule und Dorf standen bereits vor der Tür.
Fazit: Advent, Weihnachten, Winter und Ferien waren vor mehr als einem halben Jahrhundert im Gegensatz zur Gegenwart abwechslungsreicher und stressfreier. Viele damalige Eindrücke und Erlebnisse in der Gemeinschaft von Schule, Gemeinde, Vereinsleben und Kirche sind der heutigen älteren Generation noch nachhaltig in Erinnerung geblieben.
Roland Schönmüller
Autor:Roland Schönmüller aus Miltenberg |
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