Kindheitserinnerungen an Martini
Was wären die Gänse ohne ihren Schutzpatron?

Richtige Gänse sind aber bei uns heute nur noch selten zu entdecken: ganz im Gegensatz zu früher, wo sie beliebte Haustiere waren und unüberhörbar Stall, Gehege, Grasgarten oder Dorfweiher beherrschten.
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Bekanntlich gilt der 11.11. als Faschingsbeginn und Start in die närrische Zeit. Leider ist die diesjährige Karnevals-Kampagne heuer in der Öffentlichkeit durch die Corona-Pandemie nahezu unbedeutend geworden.

Geblieben ist der Namenstag des heiligen Martin am 11. November, wobei auch hier das traditionelle Brauchtum (abendliche Laternenumzüge von Kindern und deren Eltern und Erzieherinnen) 2020 wohl sehr eingeschränkt gepflegt werden dürfte.

Aktueller denn je: Menschen in Not helfen

Die Geschichte vom hilfsbereiten, römischen Offizier, der mit einem Bettler seinen Mantel teilt, kennt jeder: die liebevolle Legende steht ohne Frage als Ausdruck der christlichen Nächstenliebe und ist auch heute Ansporn und Motivation zu einer positiven Einstellung und zum Engagement gegenüber Menschen in Not.

Bettler, römischer Offizier, Mantel-Teilung, Pferd, Lichter, Laternen und Fackeln in der Finsternis, leuchtende Kinderaugen, fröhliche St. Martinslieder - das sind beliebte Assoziationen zum Tag des beliebten November-Heiligen.

Kapellen und Kirchen zu Ehren des heiligen Martin gibt es reichlich in Franken und Nord-Baden: sie verweisen auf ein frühes Patronat im beginnenden Mittelalter und auf erste Ortsgründungen auch bei uns in der Region.

Der Heilige und die Gans

Eine weitere Legende erzählt von laut schnatternden Gänsen, die das Versteck des heiligen Martin verraten und aus dem frommen Einsiedler einen „Mann Gottes“ mit späterer Bischofswürde gemacht haben sollen.

Martinsgänse, leibhaftige Geschöpfe und knuspriges Gebäck, gibt es an seinem Ehrentag - als Braten oder Brötchen-Spezialität zu Erinnerung an den Namenstag des Heiligen am 11.11, aber auch, weil sie jetzt am besten schmecken - meinen die Gourmets und Gaumenfreunde.

Gänse prägten früher das Dorfbild

Richtige Gänse sind aber bei uns heute nur noch selten zu entdecken: ganz im Gegensatz zu früher, wo sie beliebte Haustiere waren und unüberhörbar Stall, Gehege, Grasgarten oder Dorfweiher beherrschten.

„Gänse wurden noch in den 1960er Jahren in allen Bauern-Anwesen gehalten“, erzählt eine ältere Bäuerin.

Mehr als die Hühner bildeten sie eine Gemeinschaft, die unter Führung des Gänserichs („Ganser“) eng zusammenblieb.

Auf zum Futterplatz!

Im Hof hatten sie einen eigenen Stall, den „Genns-Stoul“, wo sie nachtsüber eingesperrt waren. Morgens riegelte die Bäuerin oder die Magd die Stalltüre auf, und die Gänsetruppe (manchmal 15 bis zu 20 Stück) strebte schnatternd und flügelschlagend in den Hof und zum Futterplatz.

„Gänse galten als Allesfresser Sie bekamen gekochte Kartoffeln, Rüben, Gras und Klee, Rübenblätter und Getreidekörner“, berichtet ein ehemaliger Landwirt aus Nordbaden.

Achtung Gänserich! Armer Postbote!

Der Gänserich verteidigte seine Mannschaft gegen Eindringlinge und Angreifer, aber auch häufig gegen gegen harmlose Fußgänger oder Radfahrer.

Mit vorgerecktem Hals, heftig schnatternd und flügelschlagend, manchmal auch auffliegend, stürzte er sich auf vermeintliche Feinde.

Immer wieder gab es in einzelnen Bauernhöfen besonderes aggressive Gänseriche. Sie wurden von Postboten und sonstigen Besuchern oft mehr gefürchtet als Hunde. Der Biss eines Gansers konnte ganz schön weh tun.

Tagsüber hielt sich die Gänseschar im Hof auf. Grenzte ein Grasgarten oder eine Streuobstwiese an das Hofgrundstück, so hatten sie hier ihren Auslauf.

Ein- oder zweimal marschierten sie auch zu einem der zwei oder drei Dorfweiher. Hier schwammen und plusterten sie nach Herzenslust.

Das Wasser war manchmal auch verschmutzt und der Grund versumpft. Doch das machte den Gänsen nichts aus, hier wurde geduldig nach schmackhaften Wasserpflanzen gesucht.

Idyllisches Bild: die Gänsemutter und ihre „Wiewele“ unterwegs

Die Eier-Erzeugung war kein Hauptziel der Gänsehaltung . Die Gänse legten viel weniger Eier als die Hühner. Die doppelt bis dreimal so großen Gänseeier wurden zur Nachzucht gebraucht. Hie und da schlug manche Bäuerin ein überzähliges Gänseei in den Nudelteig. Zehn, zwölf Eier wurden der brütenden Gans unterlegt und in rund 28 Tagen ausgebrütet.

Es war ein idyllisches Bild, wenn die Gänsemutter voraus und die kleinen „Wiewele“ - wie in Marschrichtung hinterher - durch den Bauernhof zogen.

Gänsefleisch und Gänsefedern

Der Hauptnutzen der Gänsehaltung bestand in der Fleisch-Erzeugung und in der Federn-Gewinnung.
Bis zum Herbst, rund um den 11. November, den Martinstag oder eben an Martini, waren die Gänse ausgewachsen. Nun wurden sie zum Eigengebrauch geschlachtet, aber auch an einen Landprodukten-Händler verkauft.

Brustflaum und Bauchfedern

Ein anstrengendes und lärmerzeugendes Geschäft war das „Gänsrupfa“ (Gänserupfen“) - eine ausgesprochene Frauenarbeit.

Die Gänse wurden eingefangen, auf den Schoß genommen, zwischen die Oberschenkel eingeklemmt und mit kräftiger Hand ihrer Bauchfedern beraubt.
Die erfahrenen Frauen trennten den zarten Brustflaum /Daunen) von den stärkeren und härteren Bauchfedern.

„Alle Jahre kam der Federreiniger. Er hatte seine Reinigungsapparatur in seinem Wagen, mit dem er von Pferden oder vom Traktor gezogen, von Dorf zu Dorf fuhr“- weiß eine andere Bäuerin zu berichten.

Ehrensache: Mit dem eigenen Bett in den Ehestand

Waren die Federn gereinigt, konnten sie in „Inletts“ gefüllt und für manche Aussteuer der Tochter gelagert werden. Es war Ehrensache für die Bäuerin, dass jedes Kind, das das Haus verließ, sein eigenes Bett mitnehmen konnte.

Ungehorsame Gänse und Enten

Enten wurden nur von wenigen Bauern gehalten. Sie waren mehr in den Obermain-Dörfern zu finden.

Haltung, Fütterung und Nutzen sind mit der Gänsehaltung vergleichbar. Lediglich mehr Wasser zum Tauchen und Gründeln war erwünscht. Deswegen hielten sich die Enten meist den ganzen Tag über auf der Dorfweihern auf.

Manchmal wollten am späten Nachmittag manche Gänse- oder Entenschar den einen oder anderen Weiher nicht verlassen.Wenn Rufen oder Futter am Ufer ohne Erfolg blieben, mussten vom Besitzer und weiteren Helfern zusammengebundene Seile und Stricke zu Hilfe genommen werden, um das Federvieh ans Ufer zu holen.

Heute gibt es nur noch wenige Gänse in den süddeutschen Dörfern. Verschwunden sind auch manche Dorfweiher, das beliebte Tages-Domizil von Gänsen und Enten. Das Geschnatter und Gequake ist Geschichte.

Autor:

Roland Schönmüller aus Miltenberg

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