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Warum fliegen die Glocken nach Rom?

Reisen die Glocken nach Rom?
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Altes Brauchtum.
Warum fliegen die Glocken nach Rom?

Mit dem Palmsonntag begann am Wochenende vor Ostern die Karwoche. Der Name geht zurück auf das althochdeutsche Wort „kara“, das „Trauer“ oder „Klage“ bedeutet.

Die letzten Tage der Passionszeit erinnern an das Leiden und Sterben Jesu. Sie führen hin zur Kreuzigung, derer am Karfreitag gedacht wird.
Besonders in den evangelischen Kirchen ist auch die Bezeichnung „Stille Woche“ verbreitet.

Gesetzlicher Feiertag.

Der Karfreitag ist nicht nur kirchlich, sondern auch gesetzlich ein stiller Feiertag. An ihm sind beispielsweise öffentliche Musik- und Tanzveranstaltungen untersagt, sofern sie dem Charakter des Tages widersprechen.

Das betrifft natürlich nicht spezielle Aufführungen etwa von Bachs Matthäus- oder Johannespassion, die allerdings in diesem „Pandemie-Jahr Nummer 2“ wieder den Corona-Vorschriften zum Opfer fallen werden.

Wenn die Glocken auf Rom-Urlaub sind.

Zum stillen Gedenken gehört vor allem in der katholischen Kirche, dass ab dem Gloria in der Messe am Gründonnerstag bis zum Ostersonntag auf Glockengeläut und Orgelspiel im Gottesdienst verzichtet wird.
Dem Volksglauben nach fliegen die Glocken nach Rom, um sich dort den Ostersegen des Papstes zu holen.
In Frankreich übernehmen die aus Rom zurückkehrenden Glocken die Rolle des Osterhasen als Eier- und Gabenbringer.
Hierzulande ist es Brauch, dass Kinder, während die Glocken schweigen, mit Ratschen oder Klappern durch die Straßen ziehen, um damit das Geläut zu ersetzen.

Winter-Vertreibung und Geister-Abschreckung.

Volkskundler betonen, dass dabei auch eine Verbindung zu vorchristlichen Bräuchen bestehe, den Winter und böse Geister mit Lärm zu vertreiben.

Symbolträchtige Kreuzwegprozessionen.

Doch nicht nur akustisch, sondern auch optisch gibt es sichtbare Veränderungen: Als deutliches Zeichen der Passionszeit werden in den katholischen Kirchen schon ab dem fünften Fastensonntag die Kreuze verhüllt.

In der Karwoche sind auch Kreuzwegprozessionen verbreitet. In unserer Region gibt es einige solcher Wege, die in der Regel vierzehn Stationen, teilweise aber auch weniger, umfassen.
Sie schildern die letzten Stunden Jesu und führen meist zu einer Kapelle hin. 

Jetzt in Corona-Zeiten kann auch ohne große Prozession jeder alleine oder mit der Familie den Kreuzweg gehen.

Stille, Heilige oder Große Woche.
Fasst man die Woche von Palmsonntag bis zum Osterfest zusammen, dann spricht die katholische Kirche von der Heiligen Woche: es ist ein Begriff, der vor allem in den romanischen Sprachen gebräuchlich ist.
In den slawischen Sprachen und den orthodoxen Kirchen wird dagegen der Name „Große Woche“ bevorzugt.
Dann ist neben dem Gedenken an die Kreuzigung auch die österliche Feier der Auferstehung als Abschluss und Höhepunkt mit einbezogen.

Aber was bedeutet das Ratschen eigentlich?

"Wir ratschen, wir ratschen den englischen Gruß, dass jeder katholische Christ beten muss, fallt nieder, fallt nieder auf eure Knie, und betet drei Vaterunser und drei Ave Marie!"
So hörte und hört man es in manchen Orten an den Kartagen vor Ostern diesen Spruch. Er wird laut vorgetragen von Ministranten des jeweiligen Ortes und begleitet von lautstarkem Ratschen.
In diesem Jahr wird aber, so wie auch schon im Jahr 2020, dieses alte Brauchtum aufgrund der geltenden Corona-Verordnungen nicht in gewohnter Form gelebt werden können.

"Nach alter Tradition wird an den stillen Kartagen keine Glocke geläutet aus Ehrfurcht und Empathie vor der Passion Christi“ – erinnert sich ein älterer Herr.
Am Gründonnerstag fliegen – nach dem Volksglauben - alljährlich die Glocken in die Vatikanstadt. Anstelle des Glockengeläuts wird geratscht, geraspelt oder geklappert – erklärt ein ehemaliger Karfreitags-Klapperer.
Das Vorrecht zum Ratschen haben wohl überall die Ministranten, aber nicht selten mischen sich auch andere Kinder unter die Ratscher.

„Alle waren vor Corona mit Interesse dabei", schmunzelt eine Pfarrgemeinderätin.

Denn am Karsamstag erhielten die eifrigen Klapperer eine Belohnung von den einzelnen Haushaltungen und Familien: Süßigkeiten, Brezeln, Eier oder ein kleines Geldgeschenk. Damit hat sich wohl auch ein Heischebrauch in der Frühlings- und Osterzeit für die Dorfjugend erhalten.

Klapperkästen und Ratschen gibt es in einigen Familien noch aus früheren Zeiten, sie werden weiter verwendet oder von Hobby-Drechslern und -schreinern aus Buchen und Fichtenholz auch neu angefertigt.

Hintergrund:

Am Gründonnerstag "fliegen die Glocken nach Rom", wie es im Volksmund heißt.

Bis zum Halleluja in der Auferstehungsfeier der Osternacht schweigen nicht nur sie, sondern auch die Orgel und die kleinen Glöckchen, Schellen und Handklingeln.

In vielen Ortschaften ziehen dafür am Karfreitag Kinder von Haus zu Haus und lassen Ratschen erklingen, begleitet von dem Spruch:

"Wir ratschen, wir ratschen zum englischen Gruß, damit ein jeder Christ beten muss. Fallet nieder auf eure Knie, betet ein Vaterunser, drei Ave Marie."

Wobei der "englische Gruß" sich natürlich auf die Himmelsboten bezieht.

Es kann freilich sein, dass auch heuer wieder das Corona-Virus den Ratschenkindern einen Strich durch die Rechnung macht.

Autor:

Roland Schönmüller aus Miltenberg

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