Kirchenjubiläen in Miltenberg
Vom Gegeneinander zum Miteinander

Die beiden Kirchtürme der katholischen Kirche St. Jakobus und der evangelischen Johanneskirche in einer Fotomontage. | Foto: privat
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  • Die beiden Kirchtürme der katholischen Kirche St. Jakobus und der evangelischen Johanneskirche in einer Fotomontage.
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In diesem Jahr können die drei christlichen Gemeinden Miltenbergs gleich mehrere Jubiläen feiern: 500 Jahre Pfarrei Miltenberg und 500 Jahre evangelisches Leben in Miltenberg, 125 Jahre Einweihung der evangelischen Kirche, 100 Jahre evangelische Pfarrei Miltenberg, 75 Jahre evangelisch-freikirchliche Gemeinde Miltenberg und 65 Jahre Gemeindezentrum der evangelisch-freikirchlichen Gemeinde in Miltenberg-Nord. Heute arbeiten die evangelische und die katholische Gemeinde bereits seit längerer Zeit in vielfältiger Weise zusammen. Seit einigen Jahren bringt sich auch die evangelisch-freikirchliche Gemeinde in das ökumenische Miteinander ein. Und das ist gut so, denn letztendlich geht es den drei Pfarrern, den Leitungsgremien, den weiteren ehrenamtlich Tätigen und allen Gemeindemitgliedern darum, gemeinsam statt jeder für sich allein christliches Leben zu fördern und lebendig zu gestalten, sich sozial und gesellschaftlich zu engagieren.

1522 – 500 Jahre

Vor 500 Jahren wurde die katholische Pfarrei Miltenberg eigenständig. Davor gehörte sie zur Mutterpfarrei Bürgstadt, die die formale Hoheit innehatte. „Miltenberg war zu dieser Zeit lediglich eine Stiftskirche“, erläutert der katholische Stadtpfarrer Jan Kölbel.

Pfarrer Jan Kölbel,  | Foto: Elli Keller

Das 500-jährige Jubiläum feiern indes auch die evangelischen Christen in Miltenberg, denn zu diesem Zeitpunkt begann das evangelische Leben in Miltenberg. Grund dafür ist der erste Pfarrer von Miltenberg, Johannes Drach. Er kam im Jahr 1522 nach Miltenberg.

Pfarrer Lutz Domröse | Foto: privat

„Johannes Drach war ein Anhänger von Martin Luther“, ergänzt der evangelische Stadtpfarrer Lutz Domröse. „Somit war er der erste lutherische Pfarrer hier.“ „Mit seiner Einstellung hat er natürlich doppelte Reaktionen ausgelöst“, so die beiden Pfarrer übereinstimmend. Drach war beliebt und hatte viele Anhänger. Sein Eifer führte jedoch dazu, dass er kein Wespennest ausließ und viele Menschen sich von ihm angegriffen fühlten. „Letztendlich musste Johannes Drach Miltenberg verlassen“, weiß Pfarrer Kölbel. Pfarrer Domröse: „Das evangelische Leben in Miltenberg konnte von da ab weitgehend nur noch im Verborgenen existieren.“

1897 – 125 Jahre

Seit den Religionsedikten von 1803 und 1809 waren die christlichen Konfessionen der Katholiken, Lutheraner und Calvinisten bei der Ansiedlung im Königreich Bayern, zu dem Miltenberg seit 1816 gehörte, gleichgestellt. Dies führte zur langsamen Zunahme der evangelischen Christen in der Stadt. So war z. B. der erste Privatbesitzer der Mildenburg Carl Gottlieb Horstig ein vorzeitig pensionierter evangelischer Konsistorialrat und ehemaliger Superintendent vom Schaumburg-Lippe’schen Hof zu Bückeburg mit einer großen Familie. Auch die nachfolgenden Besitzer der Burg waren lutherisch – um nur einige zu nennen.
Zu den dynamischen Figuren des 19. und frühen 20. Jahrhunderts zählte in Miltenberg Gustav Jakob, der Inhaber der Firma Steingaesser & Comp. Sein Vater war „stiller Teilhaber“ der Firma gewesen und Gustav hatte in die Familie Steingaesser eingeheiratet. Dass man ihn zum Geschäftsführer des „evangelischen Vereins“ machte, war ein Glücksfall. Er war der „Motor“ der Aktivitäten, die nicht nur zum Bau der Kirche, sondern auch der evangelischen Schule führten. Jakob hatte auf dem Grauberg zahlreiche Grundstücke aufgekauft, um hier seine Villa errichten zu können, die heute noch im Stadtpark steht. Ein großes Grundstück entlang der Stadtmauer stellte er kostenlos für den Bau einer Kirche und einer evangelischen Schule zur Verfügung. Seine einzige Bedingung war, dass die Grundsteinlegung am 2. September 1895 stattfinden sollte, dem 25. Jahrestag der siegreichen Schlacht von Sedan im 1870/71-er Krieg gegen Frankreich. Zudem erreichte er, dass sich viele wohlhabende Lutheraner mit größeren Summen an der Finanzierung beteiligten. Obendrein besorgte er mit Ludwig Hofmann aus Herborn einen renommierten Architekten. Auf Fragen nach dem Motiv für seine Großzügigkeit soll er geantwortet haben, er habe „keine Lust mehr, mit der Kutsche in die Kirche nach Kleinheubach zu fahren“. Übrigens waren auch viele katholische Arbeiter und Handwerker am Bau der neuen Kirche beteiligt, was damals hier noch absolut unüblich gewesen sein soll.
Im Jahr 1897 – vor nunmehr 125 Jahren – wurde die Kirche eingeweiht.

1922 – 100 Jahre

Genau 100 Jahre ist es nun her, dass die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde in Miltenberg selbstständig wurde. Schon 1898 war eine Filialkirchengemeinde errichtet worden. „Diese gehörte jedoch zu Kleinheubach und wurde von dort aus versorgt“, berichtet Pfarrer Domröse. „Eine erste eigene Stelle, ein so genanntes ´exponiertes Vikariat´, gab es im Jahr 1901. Dieses Vikariat wurde durch die Selbstständigkeit der Kirchengemeinde im Jahr 1922 in eine Pfarrstelle umgewandelt.“

1946/1947 – 75 Jahre

Auf etwas mehr als 75 Jahre kann die evangelisch-freikirchliche Gemeinde, die in Miltenberg-Nord ein Gemeindezentrum unterhält, zurückblicken. Pastor Andreas Bodenschatz, der im Jahr 2016 in den Landkreis kam, ist der Gemeindeleiter. „Die Gründung unserer Gemeinde war nicht einfach, die damaligen Gegebenheiten schwierig. Nach dem zweiten Weltkrieg kamen viele osteuropäische Flüchtlinge nach Deutschland und auch in den Landkreis Miltenberg, wo sie in Baracken untergebracht waren. Unter diesen Flüchtlingen waren viele Baptisten. Sie wollten ihren Glauben leben und feierten daher ihre Gottesdienste in den Baracken. Am 15. August 1946 wurde aus dieser Bewegung die evangelisch-freikirchliche Gemeinde Miltenberg gegründet. Im Laufe der Jahre hat sich die Zusammenarbeit, vor allem mit der katholischen und der evangelisch-lutherischen Gemeinde verbessert. Aufgrund der Corona-Pandemie haben wir unser 75-jähriges Jubiläum, das wir ursprünglich letztes Jahr feiern wollten, auf 2022 verschoben und holen das Jubiläum am 26. Juni mit einem Gottesdienst am Vormittag in unserem Gemeindezentrum in Miltenberg-Nord und einer Abendveranstaltung nach.“

1957 – 65 Jahre

Das Gemeindezentrum der evangelisch-freikirchlichen Gemeinde kann ebenfalls ein rundes Jubiläum in diesem Jahr feiern: Es wurde vor 65 Jahren im Jahr 1957 eingeweiht.

ACK Miltenberg

Heute arbeiten die drei christlichen Kirchen Miltenbergs – die katholische Pfarrgemeinde St. Jakobus, die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde und die evangelisch-freikirchliche Gemeinde – sehr eng zusammen. Erste Erfahrungen für diese Zusammenarbeit sammelte ein ökumenischer Arbeitskreis. Im Jahr 2003 wurde daraus die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK) gegründet, um die ökumenischen Aktivitäten zu koordinieren. Alle drei Kirchen treffen sich in zweimonatlichem Abstand, der Vorsitz wechselt turnusmäßig. „Unsere Zusammenarbeit ist von einem herzlichen, offenen und konstruktiven Miteinander geprägt“, sagt Pastor Bodenschatz über die ACK. „Jede Gemeinde hat ihre Besonderheiten, daher ergänzen wir uns hervorragend. Und das ist gut so, weil auch die Menschen in unseren Gemeinden ganz unterschiedlich sind.“

Ökumene lebendig gestalten

Für die ACK besonders wichtig sind gemeinsame Veranstaltungen, die schon seit mehreren Jahren erfolgreich durchgeführt werden. Dazu zählen beispielsweise ökumenische Gottesdienste zu verschiedenen Anlässen (1. Januar, Mainuferfest, 3. Oktober), eine ökumenische Bibelwoche Ende Mai, das ökumenische Gemeindefest im Juli oder der Segnungsgottesdienst für Paare, der vom Valentinstag in den Monat Mai verschoben wurde.

Im Rahmen des Kirchenjubiläums finden ebenfalls verschiedene Veranstaltungen statt. So feiert die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde jeden Monat einen Gottesdienst in einem von zwölf Orten im Gebiet der Kirchengemeinde. Diese Gottesdienste werden in Bürgstadt, Richelbach, Schippach, Neunkirchen, Heppdiel, Breitendiel, Guggenberg, Wenschdorf, Riedern, Umpfenbach, Eichenbühl und zum Tag der Kirchweih im September in Miltenberg stattfinden. Die Gottesdienste werden als Zeichen der Ökumene in den jeweiligen katholischen Kirchen gefeiert.
Ebenfalls ein Zeichen für das gute Miteinander, das noch dazu unüberhörbar ist, ist das gemeinsame Einläuten des Sonntags jeden Samstag um 16 Uhr. Die Glocken der beiden Kirchen künden dabei von der gemeinsamen Hoffnung, die uns alle trägt und bewegt.

Start einer Artikelserie

Zu den Kirchenjubiläen startet mit der heutigen Ausgabe eine Artikelserie im Schaufenster und Wochenblatt. Die historischen Beiträge stammen u. a. von Wilhelm Otto Keller und Johannes Oswald. Am Ende werden die Geistlichen der drei Gemeinden Gedanken zum ökumenischen Miteinander in unseren Tagen äußern.

Weitere Informationen:
ACK – Arbeitskreis christlicher Kirchen in Miltenberg
http://www.ack-miltenberg.de/index.html
katholische Pfarrgemeinde St. Jakobus
https://www.pg-st-martin-miltenberg-buergstadt.de/
evangelisch-lutherische Kirchengemeinde
https://www.evangelisch-miltenberg.de/
evangelisch-freikirchliche Gemeinde
https://www.efg-miltenberg.de/

Autor:

Andrea Kaller-Fichtmüller aus Miltenberg

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