Büro für KunstStoffWechsel und andere:
Über die Vergangenheit, die nicht vergeht - Gedenken an das Pogrom 1938

Bühnenbild und Ensemble bei der Gedenkveranstaltung zum November 1938 im JUZ Miltenberg | Foto: JUZ Miltenberg
3Bilder
  • Bühnenbild und Ensemble bei der Gedenkveranstaltung zum November 1938 im JUZ Miltenberg
  • Foto: JUZ Miltenberg
  • hochgeladen von Büro für KunstStoffWechsel

„Das Vergangene ist also nicht bewältigt oder erledigt, das Vergangene ist noch nicht einmal vergangen.“ Dies war eine der Erkenntnisse bei der mit rund 50 Anwesenden sehr gut besuchten Gedenkveranstaltung in den Räumen des Miltenberger JUZ, bei der die Ereignisse im November 1938 in der Kreisstadt Thema waren. Aber auch die Schicksale Miltenberger Juden und Fragen nach dem, was uns die damaligen Ereignisse zu sagen haben, waren Thema.

Die Räume des von der Caritas betriebenen Miltenberger Jugendzentrums, das an diesem Abend für alle Generationen geöffnet hatte, erwiesen sich als würdiger Rahmen. Ein Bühnenbild aus Gemälden, Skulptur und Transparenten des Duos Büro für KunstStoffWechsel bildete den Blickfang, während fünf Lesende im Halbdunkel blieben. Neben Alina Bube und Corinna Fuchs waren dies Lilly Götz, Christof Pechtold sowie Martin Pechtold, der auch den gelesenen Text erstellt hatte. Von Detlef Scheiber mit Handpan, Cajon und Didgeridoo erzeugte Klänge und Melodien untermalten das gesprochene Wort eindrücklich auf hohem Niveau.

Der Antisemitismus war damals in Miltenberg nicht überdurchschnittlich ausgeprägt, jedoch vorhanden. „Dem Juden“ wird dabei angedichtet, was man selbst nicht ausleben darf oder sich nicht zutraut: sexuelle Freizügigkeit, Genussfähigkeit, Intelligenz und Weltgewandtheit. „Er wird gehasst für das eigene verklemmte Leben.“ Festgestellt wurde auch: Die Jüdinnen und Juden sind im `3. Reich´ zu `Untermenschen´ geworden, damit einher geht eine gigantische Selbstaufwertung der Deutschen. „Gleichzeitig dient der Antisemitismus als Blitzableiter für die gesellschaftlichen Probleme. Im raffenden Juden wird der für die meisten nicht durchschaubare und emotional abgelehnte, aber nie wirklich verstandene Kapitalismus bekämpft, ohne dass es diesem irgendwie schadet.“

Bereits ab März 1933 beginnt in Miltenberg die Verfolgung der jüdischen Mitmenschen. Diese gipfelt im November 1938 in der Beteiligung am reichsweiten Pogrom. An zwei Tagen werden Geschäfte und Wohnhäuser geplündert, die Synagoge zerstört und jüdische Mitmenschen geschlagen, gedemütigt und inhaftiert. Die Folge dieser und anderer Maßnahmen: „Von den 91 Jüdinnen und Juden des Jahres 1933 emigrieren daher 43 vor allem in die USA. Die anderen sterben in Miltenberg oder mehrheitlich in den Lagern der Nazis. Wenige überleben das so genannte `3. Reich´.“

In einem zweiten Teil ging man exemplarisch auf die Schicksale der Jüdin Mira Marx und des als Kommunisten doppelt verfolgten Juden Oskar Moritz ein. Beide überlebten die Verschleppung in den Osten Polens nicht.

Schließlich stellte man sich auch einigen Fragen, z.B.: „Hatten die Deutschen die Verbrechen des Nazi-Regimes gekannt?“ Aus der Antwort: „Der heutige Forschungsstand ist, dass spätestens ab ca. Mitte 1943 die große Mehrheit der Deutschen davon ausging, dass alle Jüdinnen und Juden umgebracht werden sollten. Heute aber wissen hundert Prozent der erwachsenen Bevölkerung, was damals geschah. Mit Unwissen konnten sich die Deutschen damals schon kaum herausreden, wir heute beim besten Willen überhaupt nicht.“ Interessant auch die Frage „Kann sich ein `3. Reich´ wiederholen?“ Die Lesung gab folgende Antwort: „Nein, denn diese lächerlichen Uniformen, dieser karikaturhafte halbe Oberlippenbart Hitlers, diese schreiend-komischen Posen und die teils plumpe Propaganda sowie die nationale Abschottung werden sich sicherlich nicht wiederholen können.“ Aber: „Wenn relevante Teile der Bevölkerung die Lösung der gesellschaftlichen wie wirtschaftlichen Krisen in die Hände einer `starken´ Partei legen wollen, wenn gleichzeitig ebenfalls relevante Vertreter aus Politik, Verwaltung, Polizei, Justiz, Militär und vor allem aus den entscheidungsbe-stimmenden Teilen der Wirtschaft ebenfalls diesen Weg beschreiten wollen, – dann ist ein neuer autoritärer Staat immer wieder denkbar. Und genau deshalb hat Gedenken neben der Erinnerung an die Opfer auch noch diesen zweiten wesentlichen Aspekt: die Täter und ihre Taten aufzuzeigen, damit diese nie wieder geschehen mögen.“

Autor:

Büro für KunstStoffWechsel aus Miltenberg

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Aktuelle Angebote

Beruf & AusbildungAnzeige
2 Bilder

Wir suchen dich!
Schreiner (m/w/d) | SCHNEIDER INNEN.RAUM.DESIGN, Miltenberg

WIR SUCHEN VERSTÄRKUNG SCHREINER (m/w/d) Schneider.Innen.Raum.Design ist ein Schreinerei-Meisterbetrieb, der sich mit der Herstellung und Montage von Möbeln, Türen, Laden- und Objekteinrichtungen erfolgreich am Markt etabliert hat. Wir sind ein Team mit der Leidenschaft: Handwerk, Kunst und Präzision. DAS IST IHRE AUFGABE  Fertigung von Möbeln, Türen & Einrichtungen nach ZeichnungOberflächenbearbeitung inkl. VorbereitungsarbeitenUnterstützung bei der Montage der selbstgefertigten MöbelEinbau...

Hobby & FreizeitAnzeige
2 Bilder

ADVENTSKALENDER 2024
meine-news Adventskalender - Jeden Tag ein besonderes Angebot, eine Geschenkidee oder eine Aktion eines Geschäftes aus der Umgebung

Der Adventskalender von meine-news.de bietet 24 tolle Anregungen für den regionalen Weihnachtseinkauf. Vom 1. bis zum 24. Dezember verbirgt sich hinter jedem digitalen Türchen ein echtes Schnäppchen von Anbietern aus der Region.  adventskalender.news-verlag.de Die Kunden sind mit dabei: Friseur Wenzel Elsenfeld, Frischeinudeln Repp, SCHMUCK FILBERT,   DJK Wörth, Friseur Edeka Elsenfeld, Odenwälder Marzipan, MIA Ästhetik Miltenberg, Expert  Kleinheubach, Eggen Raumausstatter...

Auto & Co.Anzeige

#Teamvorstellung bei Stumpf
Das Herz unseres Empfangs – Silke stellt sich vor!

💬 Das Herz unseres Empfangs – Silke stellt sich vor! 💛 Wer bei uns in die Werkstatt kommt, wird zuerst von Silke begrüßt – und das mit einem Lächeln, das sofort gute Laune macht! 😊 🔹 Empfang & Kundenservice: Silke ist eure erste Ansprechpartnerin für alle Anliegen – ob Fragen, Termine oder einfach ein freundliches Gespräch. 💬 🔹 Organisationstalent: Sie sorgt dafür, dass hier alles reibungslos läuft – vom ersten Kontakt bis zur Abholung deines Fahrzeugs. 📂✨ 🔹 Immer für euch da: Mit ihrer...

KulturAnzeige

Wir, die Firma WIRL, haben dieses Jahr zu Weihnachten an MiL Unterfranken gespendet! 🎄

Als freier und nicht konfessioneller Träger sozialer Dienstleistungen setzt sich MiL für das Gemeinwohl ein – mit den Menschen stets im Mittelpunkt. Ihre Angebote wie Ambulant Betreutes Wohnen, das Zuverdienstprojekt, kreative Eigenprodukte im facettenReich-MiL-Shop und viele weitere Unterstützungsangebote helfen Menschen mit besonderem Hilfebedarf, am Leben und in der Gesellschaft teilzuhaben. Wir sind stolz, einen Beitrag zu dieser großartigen Arbeit leisten zu können! 🙌❤️ Du möchtest auch...

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.