Aktuelle Neo-Romantik-Ausstellung.
Romantik ist als Impuls heute wichtiger denn je.
Reich an Emotionen, Sehnsüchten und finalen Harmonien.
Miltenberg / Wertheim. Wer die gegenwärtige Ausstellung „New Romantics“ im Wertheimer Hofgarten-Schlösschen besucht, wird es sicherlich nicht bereuen.
Faszinierend sind die farbenprächtigen Exponate von mehr als einem Dutzend junger Künstlerinnen und Künstlern mit ihren außergewöhnlichen Bildlösungen.
Gleichzeitig fühlt man sich an die eigene Kindheit und Jugend erinnert: an die Schulzeit, jetzt mitten in den Sommerferien! Warum?
„Malen Sie ein romantisches Bild!“
Sie kennen, liebe Leserin oder lieber Leser, vielleicht diese Szene aus dem eigenen Kunstunterricht. Ein Zeichenblock und eine weiße Fläche liegen vor Ihnen. Bleistift, Borsten- und Haar-Pinsel warten daneben, um in Bewegung gesetzt zu werden. Der Farbkasten und ein Becher Wasser sind bereit. Nun kommt die Aufgabe: „Malen Sie ein romantisches Bild!“
Die ersten Ideen sind möglicherweise ein Sonnenauf- oder untergang in einer weiten Natur-Landschaft bei uns oder im Urlaub, ein Übergang vom Tag zum Traum oder umgekehrt, bevorzugt auch mit mystischer, menschlicher Silhouette im Vordergrund.
„Soll es eine Einzelperson, ein Paar oder eine kleine Gruppe sein?“
So könnte eine Zusatzfrage lauten. Schon entlädt sich eine breite Gefühlspalette und bringt Gedanken und Probleme ins Spiel, sicherlich weniger in der kreativen und kompositionellen Umsetzung, eher thematisch und das eigene Ich und seine Beziehung zur Außenwelt betreffend. „Was will ich mit einem romantischen Bild ausdrücken? Was und wie stelle ich es dar? Kann ich eigene Befindlichkeiten einbeziehen?“
Breites Themenspektrum spricht Gäste an.
Einsamkeit, Isolation, Sehnsucht – Suchen und Finden, Partnerschaft, Dreiecksbeziehung, Trennung, Scheidung, Verlust – Sinnsuche, Diesseitiges, Ängste, Krisenbewältigung im Alltag, globale Herausforderungen - meine oder/und unsere, gemeinsame Zukunft – Transzendenz, Gotteserfahrung, Jenseitiges.
Das sind allesamt Motive und Beweggründe, die eine Gestaltung der Aufgabe einerseits erschweren, gleichzeitig aber auch zu längerer Reflexion und anschließender, gelungener bildlicher Auseinandersetzung beflügeln können.
Nicht nur zur Ausdruckssteigerung könnte ein heutiger Kunstpädagoge traditionelle Techniken (Acryl, Öl, Kreide usw.) gemischt mit modernen Materialien (Collage, Klebeband, Abfallreste o.Ä.) empfehlen.
Wie das junge und jung gebliebene Künstlerinnen und Künstler unserer Zeit bewältigt haben, zeigt die sehenswerte Schau „New Romantics“ bis zum 3. November 2024 im Hofgarten-Schlösschen Wertheim.
Ein Zwischen-Fazit voraus: es ist eine wunderbar vorbereitete und engagiert präsentierte Ausstellung für das Museum, initiiert und kuratiert von Marc Peschke mit der Frankfurter Galerie Greulich.
Was zeichnet nun die Neo-Romantik aus?
Hätten wir das als Schülerinnen und Schüler heutiger Tage in unsere Bilder auch einfließen lassen? Subjektives, also Gefühle und Gedanken des Individuums, vermischen sich mit der eigenen Biographie, mit unserer Vergangenheit und Geschichte, erst recht mit der Gegenwart und ohne Frage mit der Zukunft -realistisch oder surreal.
Die Natur und ihre Bedrohung sowie der Mensch in seinen persönlichen, sozialen, beruflichen und politischen Herausforderungen und Nöten, der unaufhaltsame Klimawandel, die vielen Krisen und Kriegen – all das lässt sich in den meisterhaften Werken der Wertheimer Ausstellung ablesen.
Die Neoromantiker und Neoromantikerinnen unserer Tage stellen Fragen an die Gegenwart, kreieren Wunschwelten, folgen dem Diktum Caspar David Friedrichs: „Der Maler soll nicht bloß malen, was er vor sich sieht, sondern auch, was er in sich sieht.“
Bilder bleiben oft geheimnisvoll und mehrdeutig.
Hoffnungsschimmer verbreiten viele Bilder, zum Beispiel wenn meist alltäglich Bekanntes auftaucht, wenn Verschüttetes oder Verlorengeglaubtes neu entdeckt werden und wenn chromatische (Farb-)Stimmungen mit finalen Harmonien als beruhigend wahrgenommen werden.
Aber: manche Kunstwerke sind nicht immer sofort und plakativ erschließbar, bleiben oft geheimnisvoll und mehrdeutig, fordern die Betrachterin und den Betrachter auf, Stellung zu beziehen oder eine eigene Lösung zu finden wie das Öl-und Lack-Leinwand-Bild „Blasen“von Matthias Moravek.
„Romantisches Erbe kann heute einen Impuls für die Gesellschaft liefern“, betont Kurator Marc Peschke – das solle diese Ausstellung mit Malerei, Zeichnung, Fotografie, Collagen, Installationen und auch KI-Kunst vor Augen führen. „Romantik scheint heute – in Zeiten von Big Data, Apple Watch, Algorithmen und Apps, in Zeiten einer entzauberten, datafizierten, quantifizierbaren Welt immerwährender Selbstoptimierung – wichtiger denn je.
Die technisierte Gesellschaft braucht Romantik, braucht neue Illusionen, braucht verborgene Tiefenschichten, braucht Sehnsucht. Die Träume sind zerbrochen, doch Künstlerinnen und Künstler träumen weiter: New Romantics.“
Die Ausstellung versammelt Arbeiten von Stefan Bircheneder, Tjark Ihmels, Stefanie Kettel, Anna Lehmann-Brauns, Sebastian Meschenmoser, Merzmensch, Matthias Moravek, Marc Peschke, Jan Schmelcher, Tessa Wolkersdorfer , Marco Wagner, Stella Winter und Thomas Wrede.
Zusammengefasst erlebt der Ausstellungsgast viele emotionale Momente, teils in bedrohlich anmutenden und teils in idyllischen Szenen, die zur Reflexion mit sich selbst und zur zwischenmenschlichen Kommunikation anregen.
„New Romantics“ ist noch bis zum Herbst 2024 in Wertheim zu sehen, ein Grund mehr, die romantisch gebliebene Stadt an Tauber und Main zu besuchen sowie Motive hier und im Umland mal unter dem neoromantischen Aspekt zu sehen. Der Phantasie sind dabei sicherlich keine Grenzen gesetzt.
Roland Schönmüller
Die Fotos stammen aus der Ausstellung und als thematische Ergänzung aus dem Archiv des Verfassers.
Info:
Neo-Romantik-Ausstellung 19.7.-3.11.2024
Kuratiert von der Galerie Greulich und Marc Peschke
Museum Schlösschen im Hofgarten
Würzburger Str. 30
97877 Wertheim
www.schloesschen-wertheim.de
Di bis Sa 14 bis 17 Uhr
So/Feiertage 12 bis 18 Uhr.
Autor:Roland Schönmüller aus Miltenberg |
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