Bildergalerie und Essay
Nicht ungefährlicher Winter-Spaziergang ins erste vorchristliche Jahrhundert.

Keltisches Gehöft in einer Viereckschanze. Zeichnung Roland Schönmüller
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  • Keltisches Gehöft in einer Viereckschanze. Zeichnung Roland Schönmüller
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Fast unbekannt: die keltische Viereckschanze in Hardheim-Gerichtstetten. 

Hardheim-Gerichtstetten. Bei einer eigenen UNESCO-Geopark-Führung im Kaltenbachtal bei Walldürn-Reinhardsachsen traf ich auf ein interessiertes Ehepaar aus dem Bauland. „Sie müssen unbedingt mal zu uns nach Gerichtstetten kommen!“, lächelte der Mann Mitte Fünfzig.

„Auch bei uns gibt es wie hier nahe der drei Mühlen und seinem rätselhaften, vermutlich keltischen ‚Schlossberg‘ eine interessante Frühgeschichte zu entdecken - rund einen Kilometer von unserem Ort entfernt.“

Seine fast gleichaltrige Frau nickte: „Ja, unsere keltische Viereckschanze ist wirklich sehenswert. Leider kennen die meisten Menschen das alte Bodendenkmal gar nicht!“

Ich war wie „elektrisiert“ und fuhr vor wenigen Wochen Anfang Februar über das Erf(a)tal nach Gerichtstetten.

Schnee lag keiner mehr, es nieselte nur leicht.

Der imposanten Kirche versprach ich, sie später zu besuchen.
Kurz hielt ich am Dorfplatz und bestaunte die lustigen Faschingsdekorationen an der Bushaltestelle.

Weiter fuhr ich in südlicher Richtung zur Waldabteilung „Zimmerwald“, Distrikt 38. Sie liegt 375 m ü. NN und ist ein fast ebenes Gelände 800 Meter westlich der der Straße Gerichtstetten – Eubigheim, am östlichen Rand der Lettenkeuper -Anhöhe „Ahornwald“.

Aus den gewellten Muschelkalk-Flächen haben kleine Bäche flache Täler modelliert. An einem flach nach Westen geneigten Talhang bei Gerichtstetten haben zwei Bachläufe einen sehr flachen Ost-West-gerichteten Höhenrücken herausgearbeitet, auf dessen Scheitelfläche die hiesige Viereckschanze liegt.

Nur etwa 0,5 km südlich davon verläuft die Wasserscheide zwischen Main und Neckar.

In der Forschungsgeschichte hat die Viereckschanze von Gerichtstetten eine wichtige Rolle gespielt, da sie die erste Anlage dieser Art war, in der ausgedehntere Grabungen durchgeführt wurden und die in den richtigen zeitlichen und kulturellen Kontext gestellt wurde.

Über einen geschotterten Weg erreiche ich mein Ziel: „Keltenschanze“ steht auf einem leicht lädierten Holzbrett am Wäldchen-Eingang

Der Regen hat aufgehört. Abgebrochene Äste liegen auf dem Waldboden und erzählen von stürmischen Zeiten in den Winter-Nächten vorher. Es riecht würzig und angenehm nach Rinde, Laub und Harz.

Fast pausenlos berühren sich die filigranen Baumkronen über mir und erzeugen quietschende Geräusche durch sich ständig wiederholende Windböen.

Der Spaziergang zum vorgeschichtlichen Bodendenkmal auf zum Teil morschem Terrain und durch herunterfallendes Astwerk könnte nicht ganz ungefährlich werden, denke ich. Meine Frau daheim hätte mich sicherlich davon abgeraten und empfohlen, die Exkursion zu einem späteren Zeitpunkt zu machen.

Schon von weitem erkenne ich schließlich die beiden Informationstafeln und den nordöstlichen Wall wenige Meter davon.

Ich bin nicht mehr zu halten. Flüchtig nehme ich den Text und die Bilder in Augenschein. Jetzt geht es entgegen dem Uhrzeigersinn auf der Schanze entlang: von Norden nach Westen, Süden und Osten.

Allmählich wird mir klar: Die hiesige Keltenschanze bildet noch heute ein verschobenes Viereck in trapezförmiger Gestalt. Die Seitenlängen schwanken laut Plan zwischen 130 und 108 Metern. Der Flächeninhalt beträgt 1,52 Hektar.

Unverkennbar ist der allseitig umschlossene Graben, der allerdings auf der Südseite heute verschüttet ist. Die Lage der Zugänge ist nach Meinung der Fachleute nicht eindeutig auszumachen. Vor Ort gibt es aber dafür Hinweise im Westen und im Süden.

Ausgrabungen erfolgten hier bereits 1896. Neben Funden aus der
Spätlatène-Zeit – einer Fibel, zwei Bruchstücken von Glas-Armringen sowie Scherben kam auch eine Kreuzhacke ans Licht, die aus späterer, wohl römischer Zeit stammen dürfte.

Damit scheint gesichert, dass die Anlage auch in jüngerer Zeit aufgesucht wurde. Ein einstiger Steinbau ist vermutlich erst im früheren Mittelalter errichtet worden.

Das wohl vorwiegend landwirtschaftlich genutzte Gelände um die hiesige Viereckschanze mit einem potentiellen Gutshof dürfte sicherlich nach 100 vor Christus aufgelöst worden sein.

Um diese Zeit verlassen aus bislang unbekannten Gründen nach und nach fast alle Menschen ihre Höfe, Dörfer und Städte in den keltischen Siedlungsgebieten östlich des Rheins – in Süddeutschland, in Österreich und Böhmen.

Manche Forscher vermuten, dass die aus dem Norden kommenden Germanen auf Raubzügen lebenswichtige Handelswege störten. Andere glauben Seuchen oder Missernten hätten ein Fluchtwelle ausgelöst.

Doch sehr wahrscheinlich haben sowohl Hungersnöte als auch Epidemien und Übergriffe feindlicher Stämme die Kelten in mehreren Schüben zur Flucht – etwa nach Italien - genötigt.

Sicher ist indes nur: Als römische Legionen 15 nach Christus Süddeutschland erreichen, sind die einst blühenden keltischen Siedlungen längst verfallen.

Gut erhalten ist dennoch auch heute noch die Viereckschanze in Gerichtstetten.

Wenn der sonnige Frühling kommt, bin ich wieder zu Besuch rund um die keltische Viereckschanze. Das frühgeschichtliche Bodendenkmal ist erneut einen Besuch wert - wie andere keltische Anlagen bei uns. 

Text und Fotos: Roland Schönmüller

Autor:

Roland Schönmüller aus Miltenberg

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