Kultur
Michaelismesse Miltenberg nach dem 2. Weltkrieg 1949. Aus dem Tagebuch von der Familie Eduard Lass.

Miltenberg. Im Monat Juli wurde beschlossen: Vom 27. 8. bis 4. 9. 1949 soll die berühmte Michaelismesse stattfinden, sogar mit einen Neubürgertag. Es werden viele Fremde, sogar Ausländer erwartet. Und da Miltenberg die Perle des Mains ist, müssen alle Gassen der Stadt von Unkraut gesäubert werden. Miltenberg hat zwar Arbeitslose, aber die Stadt ist auf den schlauen Gedanken gekommen: Die Fürsorgeempfänger, viele davon Heimatvertriebene einzusetzen, als Pflichtarbeiter. Es sind die billigsten Arbeitskräfte, denn sie erhalten außer der Fürsorge pro Stunde 15 Pfennige als Prämie. – Herrlich!
Mein Vater muss täglich 4 bis 5 Stunden Pflichtarbeit bei der Stadt leisten, da die Weitergewährung der Fürsorge davon abhängt. Als „Stadtverschönerer“ wurde mein Vater jetzt in Miltenberg eingestellt. Pflichtarbeit – Messeplatz reinigen. Vor der Eröffnung des Unterfränkischen Volksfestes mit Michaelismesse, ging ein Gewitter nieder, gegen 20 Uhr hörte es auf zu regnen. Die Kapelle der Schutzpolizei Frankfurt und eine Ansprache des Bürgermeisters eröffneten die Messe. Großer Festzug, Autoblumenkorso.
Am Festplatz war zu sehen: Eine große Messehalle von der Firma Heß angefertigt, die 6000 Menschen fast. Eine Tanzdiele, Wein- und Likörhalle, Kaffeehalle, Eissalon, Tabakwaren, 2 Fleisch- und Wursthalle,
2 Gebäckhallen, 1 Fischhalle, 1 Obsthalle, 1 Konditorei- und Zuckerwarenstand, 1 Verlosungsstand, Maschinen- und Möbelstände. Ein komplettes Haus mit Wohn- und Schlafraum. 10 Firmen mit landwirtschaftlichen Geräten. Ferner: Auto-Scooter, The Whip, Schleuderbahn, eine Sicherheitsschaukel, 1 Kindersportkarussell,
1 Kaisers-Galoppaden-Karussell mit Noten-Orgel, 1 Raupenbahn. Die großartige Achterbahn, mit 30 m Höhe.
Auf der Mainstraße und bei der Schule waren etwa 200 Verkaufsstände, mit verschiedenen Artikel aufgebaut. Darunter auch der Vogel Jakob mit seinem Gezwitscher. Alles war zu haben, wie im schönsten Frieden ohne Fleiß, Brot und Zuckerkarten – aber leider nicht ohne D-Mark. Vor einem Jahr wurde die D-Mark eingeführt. Ja – Bier, Likör und Wein und wir hatten leider nur eine Brauselimonade daheim.
Am 29. 8. Leistungsschau der Rinder- und Pferdezucht. Nachmittag Großkundgebung der Bauernschaft. Großes Fußball-Wettspiel der Altinternationalen Deutschen Fußballmannschaft in Miltenberg. 20 Uhr Musikalische Abendfeier auf dem romantischen Marktplatz.
Mittwoch und Donnerstag: Messehalle Ruhetag. Ausstellung und Markt offen.
Am 2. 9. Nachmittag Stimmungsmusik, abends Groß-Boxkampf, Frankfurt gegen Aschaffenburg und Miltenberg. Volles Zelt, 6000 Zuschauer.
3. 9. Neubürgertag, 3000 Anwesend. Auch von meinem Heimatort Markt Langendorf sind 150 Personen gekommen. 16 Uhr Kundgebung in der Festhalle. Redner: Bürgermeister Sermersheim, Dr. Winter, Würzburg, Reg. Beauftragter für das Flüchtlingswesen in Unterfranken. Die niemals von der Unterfranken aufgegebene Forderung auf Zurückgabe der Heimat hat im Ausland bei einigen Gerecht denkenden ein Echo gefunden. Besonders der Amer. Professor Ebb trett in Wort und Schrift für eine Revision des Abkommens ein. Alle Deutsche – ob Neu- oder Altbürger – müssten zusammenstehen, zueinander Vertrauen haben. Die Worte von P. Reichenbergers: Wann einmal die Stunde der Heimkehr kommt, weiß nur der Herrgott. Arbeiten, Kämpfen und beten wir für die Zeit. Der Herrgott lebt noch und sein Tag wird kommen. Zuletzt wurde der Egerländermarsch gespielt. Der Neubürgertag erweckte Erinnerungen an die schönen Volkfeste in der lieben Heimat.
4. 9. Kreisjugendtreffen um 8 Uhr Festgottesdienst am Marktplatz, dann sportliche Wettkämpfe, Staffellauf. Nachmittag Feierstunde in der Festhalle, unter dem Motto: „Lasst uns singen, tanzen und springen.“ 17 Uhr Märchenspiel und Jugendkundgebung am Marktplatz, vier Redner. Abends 9 Uhr Verlosung, heute war ein Gedränge, einer fand den anderen nicht. Der Hauptgewinn, das Holzhaus im Wert von 6000 DM. Los Nr. A 2274, 1 Fass Bier Los Nr. 3674. Kochherd Los Nr. B 1537, 1 Damenfahrrad Los Nr. A 4672, 1 Schlafzimmer Los Nr. C 3183. Auf mein Los Nr. A 1163 fiel kein Gewinn.
Ausklang der Michaelismesse. Lampions Fahrt auf dem Main und Feuerwerk. Licht der Fackeln über 100 Boote. Brillantfeuerwerk: Raketen, Lichtergraben, Donnergetöse: Es war ein herrliches Erlebnis und ein brennen des Flusses, deren breite Flut die malerische Reihe des Feuerwerkes vervielfachte. Es war ein Galaregen, der weitglühende Wasserfall von der neuen Mainbrücke herab in den Main und es gab dafür viel Beifall. Zuletzt ein Bombardement, das die meisten an die Zeit der Bombenangriffe erinnerte. Es waren ca. über 15 000 Zuschauer. Das Feuerwerk soll allein 2000 DM gekostet haben. Täglich war die Mildenburg während der Messe beleuchtet. Ja, wenn man bedenkt, dieser Aufwand für ein paar lustige Tage, für solche die das Geld hatten. Für uns Heimatvertriebene war das nichts. Traurig! Mein Vater, als Pflichtarbeiter der Stadt, erhielt für den Messe-Besuch eine Freikarte. Dafür musste er den Messeplatz aufräumen.
Am 24. 9. wurde mitgeteilt, dass sich der Käufer des Loses Nr. A 2274 nicht gemeldet hat. Deshalb wird der Hauptgewinn, das Holzhaus, öffentlich verkauft. ??? So fand 1949 die Michaelismesse in Miltenberg statt.

Autor:

Eduard Lass aus Großheubach

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