Bildergalerie und Essay
„Kommen die Palmkätzchen trocken heim, wird’s ein gutes Heujahr sein!“
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Palmsonntag 2023: Start der „Stillen Woche“
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Der Palmsonntag war und ist in der Region noch ein besonderer Tag.
Er leitet die Karwoche, die letzte Woche vor Ostern, ein. „Kara“ kommt aus dem Althochdeutschen und bedeutet Trauer, Sorge oder Wehklage.
„Endlich Osterferien!“ jubelten schon früher - beispielsweise in den 1960er Jahren die Schulkinder zum Start der vierzehn unterrichtsfreien Tage und freuten sich auf die kommende abwechslungsreiche Zeit im Dorf und in der Kirche.
Feierliche Palmsonntag-Prozessionen, klappernde Karfreitagsratschen, farbenprächtige Ostereier-Bemalungen sowie verschiedene liturgische Aufgaben in den (vor-)österlichen Gotteshäusern warteten auf die Dorfjugend und ihre Verantwortlichen.
Von Langeweile oder angstbesetzter Restriktionen konnte früher im Gegensatz zu gegenwärtigen Problemen keine Rede sein. Vielfältig sind die Umschreibungen der beginnenden Karwoche: Trauerwoche, Passionswoche, „Große Woche“, „Stille Woche“ oder „Heilige Woche“.
Sieg des Lichtes über die Dunkelheit.
Dennoch ist in der Gegenwart nach wie vor die Freude über den allmählich ankommenden Frühling, die wiedererwachende Natur, den Sieg des Lichtes über die Dunkelheit, die Auferstehung allen Lebens nach der Totenstarre des Winters weiterhin präsent.
Die aufgeblühten Palmkätzchen, die Weihe des Osterwassers und das Aufflammen des Lichtes in der Osternacht sind Symbole für die „Auferstehung von den Toten“: sie zeigen die Verwobenheit und Verbindung zwischen Natur und christlicher Kultur, zwischen meteorologischen Jahreslauf und Kirchenjahr.
Palmkätzchen als erster Strauch im erwachenden Frühling.
Mit dem morgigen Palmsonntag wird die Karwoche eingeleitet. Tage zuvor wurden früher und werden auch heute überall Palmbüschel geschnitten. Bekanntlich blüht die Salweide mit ihren Palmkätzchen als erster Strauch im erwachenden Frühling.
Zum Andenken an den Einzug Jesu in Jerusalem und das Streuen von Palmenblättern wurden die Palmbüschel, mit einem bunten Band geschnürt, auf den Altar gelegt und geweiht.
„Singt dem König Freudenpsalmen“
Mit den geweihten Palmen zog der Priester mit den Ministranten, mit Musik und Fahnenabordnungen, von Dorfplatz über den Friedhof zur Kirche.
Inzwischen hatte mancherorts der Mesner die Kirchentüre von innen geschlossen.
Nach dem altehrwürdigen Kirchenlied „Singt dem König Freudenpsalmen“ und dem Hymnus „Gloria, laus et honor tibi sit, rex Christe, redemptor:
cui puerile decus prompsit Hosanna pium.“ -
(Ruhm und Preis und Ehre sei dir, Christ-König, Erlöser, dem die kindliche Schar frommes Hosianna weihte) stieß mancher traditionsbewusster Seelsorger mit dem Kreuzes-Schaft dreimal gegen die verschlossene Kirchentür.
Das Portal öffnete sich und die Prozession zog feierlich in die Kirche ein.
Passion in Bild, Wort und Gesang.
Im anschließenden Hochamt wurde erstmals in der Karwoche die Leidensgeschichte mit mehreren Lektoren - nach dem Evangelisten Matthäus - gelesen. oder sogar gesungen.
Diese Passionsgeschichte erinnerte an das nahe Leiden des Herrn.
Weitere Leidensgeschichten folgten nach Markus am Dienstag, nach Lukas am Gründonnerstag und nach Johannes am Karfreitag. Alle vier Evangelisten schilderten auf ihre spezielle Weise die eindringliche Dramaturgie, wie sie auch bildnerisch in den vierzehn kirchlichen Kreuzweg-Stationen eindrucksvoll zum Ausdruck kommt.
Ein Teil der geweihten Palmzweige wurde und wird nach der Messe im häuslichen Herrgottswinkel und am Kruzifix in der Wohnstube aufbewahrt.
Andere Palmzweige fanden und finden ihre Aufstellung nach alter Tradition auf Äckern und Feldern in der Flur: sie sollen nach Meinung unserer Altvorderen vor Wetterschäden, Unwetter und Unheil bewahren.
Bauernregeln:
„Kommen die Palmkätzchen trocken heim,
wird’s ein gutes Heujahr sein“
„Ist Palmsonntag klar und rein, soll’s ein gutes Zeichen sein“.
Historischer Hintergrund.
Der Palmsonntag (Palmarum) ist der letzte Sonntag der Passions- oder Fastenzeit. Er hat seinen Namen von den Palmzweigen, mit denen - nach Johannes 12, 13 - die Menschen in Jerusalem Jesus bei seinem Einzug begrüßten.
Der Palmzweig war bereits in der griechischen Mythologie ein Sinnbild für Sieg und Triumph, aber auch für Frieden und Leben.
Dieses Symbol wurde von der frühen Christenheit übernommen und auf Jesus, den Sieger und Überwinder des Todes, hin gedeutet. Davon gibt besonders das Buch der Offenbarung des Johannes Zeugnis (Offenbarung 7,9).
Bereits aus dem vierten Jahrhundert berichten schriftliche Quellen, dass der Einzug Jesu in Jerusalem von den Gläubigen nachgespielt und einfühlsam nachempfunden wurde.
Sehr bald wurde dieser Brauch auch in anderen europäischen Ländern übernommen. Besonders im Mittelalter gestaltete man den Einzug Jesu dramatisch und nachhaltig.
Noch heute beginnt am Palmsonntag in vielen römisch-katholischen Gemeinden der Gottesdienst mit der Palmenweihe, bei der Zweige aus Salweide , Buchsbaum oder Immergrün gesegnet und von den Gottesdienst-Besuchern mit nach Hause genommen werden.
Volkslieddichter schilderten in ihren überwiegend erzählenden, balladesken Texten die Stationen der Leidensgeschichte: das Abendmahl, den Verrat, die Festnahme , den Kreuzweg , die Kreuzigung und die allgemeine Trauer.
Dichter und Komponisten betonten in den Liederbüchern seit dem 15. Jahrhundert den kommenden Charakter der Karwoche, die jeder Fröhlichkeit entbehrt. Lustige Musik, Tanz und lautes Arbeiten sollten in alter Zeit bis Ostern vermieden werden.
Ein ähnliche Stimmung dürften heutige Zeitgenossen angesichts der Corona-Pandemie mit ihren Restriktionen empfunden haben. Heute sind andere Krisen und Leiden an der Tagesordnung.
Roland Schönmüller
Autor:Roland Schönmüller aus Miltenberg |
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