Bildergalerie und Essay
Die sagenhafte Spinnstubenzeit ist längst passé. Aber ein Geheimnis gilt es noch zu lüften!
Eichenbühl. Es geht auf Mariä Lichtmess zu. Die Tage werden wieder länger. Der häusliche Christbaum ist sicherlich schon abgeräumt und der Weihnachtsfestkreis ist am zweiten Februar zu Ende.
Die Spinnstubenzeit unserer Altvorderen ist längst Geschichte. Geblieben sind gesammelte Sagen zur Winterzeit – sie sind nach wie vor geheimnisvoll, zauberhaft und voller Symbolkraft.
Sagen lassen sich bekanntlich - im Gegensatz zu Märchen - recht gut lokalisieren. Sie spielen in bekannten Orten unserer Region. Personen, Häuser und Situationen wirken authentisch. Außerdem haben alle Sagen einen „wahren Kern!“
Begeben wir uns nach Eichenbühl. Am südlichen Ortsausgang in Richtung Pfohlbach weist ein neuzeitliches Schild nahe des Berndieler Baches am Geh- und Radweg auf das „Meerfräulein-Brünnle“ und eine alte Überlieferung hin.
Anbei die Sage von den drei Meerfräulein:
"Zu Eichenbühl kamen einst an den langen Winterabenden drei Fräulein, die im Ort fremd waren, in die bäuerlichen Spinnstuben, und sie spannen Flachs mit den Mädchen des Dorfes, sangen die Lieder mit und scherzten und lachten wie die andern auch.
Wenn aber die Uhr gegen Mitternacht wies, nahmen sie ihre Spindeln und gingen fort, ohne dass sie jemand begleiten durfte. Niemand wusste, wohin sie gingen, woher sie kamen und wer sie waren.
Da wollten nun die Eichenbühler Burschen und Mädchen, die sich von Abend zu Abend in den Stuben zusammenfanden, endlich die Herkunft der drei Fremden erfahren. Und sie gebrauchten hierfür eine List, indem sie einmal die Zeiger der Uhr um eine Stunde zurückstellten.
Die drei Fräulein waren wieder gekommen, und sie spannen und sangen und waren fröhlich wie immer. Auf einmal aber - die Uhr schlug eben elf - wurden sie unruhig, erhoben sich voll Hast und eilten zur Tür. Und beim Fortgehen wehklagten sie und meinten, sie würden wohl nie mehr wiederkehren.
Doch solle jemand am andern Morgen ans "Nunne-Brünnle" kommen und wenn sich darauf kein Blut zeige, so stünde es doch noch gut um sie, und sie würden dann ihre Besuche in den Spinnstuben fortsetzen. Sobald es Tag ward, liefen einige Mädchen des Dorfes hinaus an die Quelle.
Da zeigten sich am Brunnenrande die roten Blutstropfen, von denen die drei Fräulein gesprochen hatten, und jetzt wussten die Dörfler, dass jene nimmer kommen konnten und ihnen Schlimmes zugestoßen sein musste. Von der Zeit an ließ sich keine "Wassernunne" mehr in einer Eichenbühler Spinnstube sehen“.
So steht es in den "Spessart-Sagen" von Valentin Pfeifer, Aschaffenburg 1948, S. 141f.
Im Gegensatz zum Märchen enthält eine Sage oft einen wahren Kern, der mit fantasievollen Elementen ausgeschmückt wurde, oft übernatürliche Elemente wie Geister, Elfen, Wassergeister oder eben Meerfräuleins.
Intention des Erzählers einer Sage ist die erzeugte Spannung einer Handlung, die oft tragödienhafte Dramatik, das fehlende „Happy End“ und symbolträchtige Erklärungsmuster des Leidens, Sterbens, des Todes und Verschwindens nahe stehender, lieb gewonnener Personen.
Die Geschichte von den drei Meerfräulein gibt es auch im Kaltenbachtal unweit von Reinhardsachsen und anderswo: es ist eine Wandersage. Selbst eine Gaststätte trägt in Walldürn-Rippberg den Namen: „Zu den drei Meerfräulein“. Ob sie dort zu Hause sind?
Roland Schönmüller
Autor:Roland Schönmüller aus Miltenberg |
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