Krabbe, Staffelbrunser, Jolle
Die Geschichte hinter unseren Ortsnecknamen

Seit August 2016 pinkeln die drei Staffelbrunser fast ohne Pause am Miltenberger Mainufer. Sie erinnern an den Necknamen der Stadt und sind beliebtes Fotomotiv.  | Foto: Foto: Roland Schönmüller
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  • Seit August 2016 pinkeln die drei Staffelbrunser fast ohne Pause am Miltenberger Mainufer. Sie erinnern an den Necknamen der Stadt und sind beliebtes Fotomotiv.
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Dass die Miltenberg die Staffelbrunser sind, weiß man spätestens, seit ein Brunnen mit drei pinkelnden Jungen im August 2016 eingeweiht und eines der meistfotografierten Motive der Stadt wurde. Weilbacher Frösch und Wörther Sandhasen kennt man vor allem durch den Fasching und die entsprechenden Vereine und Namen wie Dorfprozeltener Ham-Ham gehören schon eher zum Insider-Wissen. Es gibt kaum einen Ort in der Region, der nicht mindestens einen Nacknamen trägt. Was früher teilweise üble Beleidigungen waren, sind heute Bezeichnungen, die in den Ortschaften mit Selbstironie und Stolz getragen werden. Wir stellen Ihnen heute die Geschichten hinten den vielen Ortsnecknamen der Region vor.

Kleine Rivalitäten zur Nachbargemeinde haben teilweise bis heute Bestand und finden ihre Höhepunkte entweder in Derbys beim Fußball oder in der Faschingszeit bzw. rund um den 1. Mai, wenn man sich Streiche spielt oder versucht den anderen etwas abzuluchsen, dass der andere Verein dann auslösen muss. Als die Necknamen erfunden wurden, waren sie oft mit Neid und Missgunst verbunden. Die Höhbewohner schauten beispielsweise spöttisch auf die Schneeberger, die sich wie Raben auf jedes Vieh stürzten um Fleisch auf den Teller zu bekommen - der Krabb war geboren. Dass nur Orte auf der rechten Mainseite den Begriff Sandhasen tragen, ist ebenfalls kein Zufall. Mit Neid blickte man aufs andere Ufer, wo der Boden wesentlich fruchtbarer war. In Rüdenau (Klammhörnli) war die Armut groß, die Hörner der dürren Tiere blieben klein. Ein paar Kilometer weiter in Laudenbach (Kröpfer) hatten viele Menschen einen ausgeprägten Kropf und weil die Stadtprozeltener auf ihren Ziegen ritten, wurden sie zu Gaashöckerle.

Von Türken und Kartoffeln...
Auch Essen und besonders die Kartoffel spielt eine Rolle. Stampes in Mömlingen, Krummbirnsäcke in Eichenbühl und Pannekichelsche in Volkersbrunn lassen erahnen, was die Menschen früher aßen. Pioniere ihrer Zeit waren die Trennfurter, die als erste anfingen Mais anzubauen. Die sogenannten Türkenkörner waren im 19. Jahrhundert regional unbekannt und die Trennfurter Türken hatten ihren Namen. Besonders schön ist die Geschichte der Bürgstädter 'Kreuzköpf', die angeblich ca. 1540 Martin Luther aus dem Ort jagten, weil er sie missionieren wollte. Der rief ihnen dann „Ihr seid sture Kreuzköpf“ zu und verschwand. Das Niedernberger 'Honisch' kommt nicht von Honig, sondern vom „do hon isch“, also „da habe ich“, dass die Niedernberger gerne verwenden und die vielen Märkte in Eschau brachten ihm den Namen „Kla Paris“ ein. Weil so viele Seefahrer in Dorfprozelten unterwegs waren, hörte man auf die Frage, wo die Reise hingeht sehr häufig „Ham, einfach nur Ham!“ und aus den Prozlern wurden die Ham-Hams.

Denkmal für den Schlackschisser?

Immer wieder tauchen auch Brunser und Scheißer auf, die das Verhalten bei einer Notdurft während eines Hochwassers abbilden. Die Staffelbrunser in Miltenberg sind ein Attraktion, die für Jens Marco Scherf allerdings nur schwer zu kopieren ist. „Das Beispiel der Miltenberger ist eine besondere Form der Selbstironie, ob sich das in anderen Orten des Landkreises auch entwickelt, gilt abzuwarten. Wenn ich mir alleine vorstelle, wie ein Denkmal in Wörth am Main bei den Schlackeschisser aussehen müsste…“, schmunzelt der Landrat. Und schmunzeln kann man sicher auch heute über eine überlieferte Redewendung, die Bezug auf die Necknamen nimmt: „Kauf nie e Kuh aus Rüdenau, kauf nie e Sau von Großhebbach, heirat' nie e Fraa aus Börschet“ - Leser die hier Erfahrungswerte haben, können sich gerne melden.

Die Namen im Überlblick
Altenbuch = Wildsäu
Amorbach = Jolle
Amorbach-Reichartshausen = Mösischkratzer
Bürgstadt = Kreuzköpf
Collenberg-Fechenbach = Staffelscheißer
Collenberg-Reistenhausen = Üzer
Dorfprozelten = Ham-ham
Eichenbühl = Krummbirnsäck
Eichenbühl-Richelbach = Samedsfresser
Elsenfeld = Sandhasen
Elsenfeld-Eichelsbach = Höhbauern
Erlenbach = Sandhasen
Erlenbach-Mechenhard = Strohköpp / Bergindianer
Erlenbach-Streit = Mistbraater
Eschau = Kla Paris
Faulbach = Bachscheißer
Faulbach-Breitenbrunn = Petzköpp
Großheubach = Böhner
Großwallstadt = Polacken / Schollekläpperer
Hausen = Plattköpp
Kirchzell = Schluddebohne / Sandhasen
Kirchzell-Breitenbuch = Remschuh
Kirchzell-Ottorfszell = Gräbbeleshüpfer
Kirchzell-Watterbach = Talkrappe
Kleinheubach = Hannjörche
Kleinwallstadt = Polacken / Mainbrunzer
Kleinwallstadt-Hause = Plattköpp
Kleinwallstadt-Hofstetten = Russen / Krake
Klingenberg = Spatzen
Klingenberg-Trennfurt = Türken
Klingenberg-Röllfeld = Sandhasen
Laudenbach = Kröpfer
Leidersbach = Hutzelgrund
Leidersbach-Ebersbach = Lahmenritscher
Leidersbach-Rossbach = Backschüsselärsch
Leidersbach-Volkersbrunn = Pannekichelsche
Mechenhard = Strohköpp / Mistbraater
Miltenberg = Staffelbrunser / Meescheißer
Miltenberg-Breitendiel = Kerscheknödel / Hasenbäuerli
Miltenberg-Mainbullau = Polacken / Bloßärsch
Mömlingen = Stampes
Mönchberg = Gesetzbücher
Neunkirchen = Ablasstiker
Neunkirchen-Richelbach = Samedsfresser / Bachbrunzer
Niedernberg = Honisch / Blechkatzen
Obernburg = Handumme / Stadtbauern
Obernburg-Eisenbach = Digge Dagge
Röllbach = Worzelköpp
Rossbach = Backschüsselärsch
Rüdenau = Klammhörnli
Schneeberg = Krabbe
Stadtprozelten = Gaashöckerle
Stadtprozelten-Neuenbuch = Kieknörzli
Sulzbach = Mämuschel
Sulzbach-Dornau = Gaggl
Weilbach = Frösch / Dannescheißer
Weilbach-Weckbach = Steckelespitzer
Wörth = Schlackschisser

Stefan Schwab, Vizepräsident Narrenring Main-Neckar e.V. und
Ehrenvorsitzender CC Amorbach 1954 e.V.

„Die Ortsnamen in der Faschelnacht bzw. darüber hinaus, haben meiner Auffassung nach, keine große Bedeutung mehr. Der Begriff 'Jolle' in Amorbach, ist wie in Schneeberg der 'Krabb' oder in Weilbach der 'Frosch' ein fester Bestandteil im Vereinsnamen. Bei den Faschelnachtern gehört er in der langen Tradition der Vereine dazu. Dies ist aber nicht nur bei Vereinen im Altlandkreis Miltenberg, sondern im ganzen Bereich des Narrenring Main-Neckar festzustellen. Ich persönlich mag Namen wie Schluddebouhne, Kerscheknödel, Klammhörnli und nicht zu vergessen der „Joll“. Diesen finde ich am Schönsten, weil der Name 'Jolle' für mich kein Schimpfwort ist. Wenn man es ableitet, steht da Amorbach und dass ist meine Heimatstadt.“

Helmut Demel, Bürgermeister Miltenberg
„Die Miltenberger heißt man Staffelbrunser, weil angeblich die Buben bei Hochwasser nicht auf`das Häuschen gegangen sind, sondern von den Staffeln (Treppen) direkt hinunter in die Straßen gepinselt haben, in denen der Main floss. Die Kerscheknöidel heißen so, weil man früher viele Kirschbäume in Breitendiel hatte und den vorbeifahrenden und auch den wallfahrenden Menschen frische Kirschen verkaufte. Kerscheknöidel sind Kirschen, die als Zwilling oder gar zu noch größeren Klumpen am Ast gewachsen sind.“

Jens Marco Scherf, Landrat
„Natürlich kenne ich die Geschichte hinter den 'Schlackschissern', da sie eng verbunden mit der Wörther Stadtgeschichte und den Hochwasserereignissen ist, was schließlich zum Bau der städtebaulich besonderen Wörther Neustadt geführt hat. Abgesehen von dem Hochwasser hat uns Wörther aber sicher auch in der Vergangenheit immer das Bemühen bewegt, den Nachbarn auf der anderen Mainseite einen schönen Ausblick zu bieten…“

Seit August 2016 pinkeln die drei Staffelbrunser fast ohne Pause am Miltenberger Mainufer. Sie erinnern an den Necknamen der Stadt und sind beliebtes Fotomotiv.  | Foto: Foto: Roland Schönmüller
Wer tiefer in die Geschichte von „Stampes, Worzelköpp und Staffelbrunzer“ eintauchen möchte, kann dies mit dem gleichnamigen Buch von Dr. Werner Trost über die Ortsnecknamen im Landkreis Miltenberg machen. Erhältlich auf dem Landratsamt in Miltenberg.
Autor:

Thomas Poppe aus Miltenberg

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