Dem Salafismus entgegentreten
Bilder von kämpfenden Terroristen, schnell geschnitten und unterlegt mit martialischer Musik, Videos von Hasspredigern im Internet: Die islamisch-extreme Ideologie des Salafismus ist gefährlich, wie die Teilnehmer des Integrationsforums am Montagabend im Landratsamt anhand bewegter Bilder sehen konnten. Besonders junge Menschen, die keine Perspektive in ihrem Leben sehen, fühlen sich von den geschulten Salafisten-Anwerbern angesprochen.
Da viele Mütter Angst haben, ihre Kinder an den Salafismus zu verlieren, hatte der Integrationsbeirat das Thema auf die Tagesordnung gesetzt. In dem Verfassungsschützer Bora Sari hatte das Gremium einen Experten geladen, der das komplexe Thema verständlich erklärte. Salafismus sei demnach eine Strömung im Islamismus – eine extreme Ideologie, die die Sprache der Religion nutzt, um politische Ziele zu verfolgen. Der Verfassungsschutz unterscheide zwischen politischem und jihadistischem Salafismus; letzterer toleriere die Gewalt. Das Ziel beider Strömungen sei aber gleich: die Errichtung eines absoluten Gottesstaates und damit die Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.
Seit 2013 beobachte man, wie viele Menschen in den Irak und nach Syrien reisen, sagte Sari. Bislang seien über 930 Menschen ausgereist, die Dynamik habe aber abgenommen. Ein Fünftel davon seien Frauen, der Großteil sei unter 30 Jahren. Ein Drittel sei zurückgekehrt, 70 davon hätten Kampferfahrung oder eine entsprechende Ausbildung erhalten. Rund 145 Ausgereiste seien mutmaßlich ums Leben gekommen.
In Bayern gebe es rund 100 Islamisten, die in Richtung Syrien/Irak gereist seien, so Sari, etwa 30 Prozent hielten sich im Krisengebiet auf. Die Anzahl der Rückkehrer mit Kampferfahrung liege im niedrigen einstelligen Bereich.
Die Radikalisierung erfolge zumeist im sozialen Umfeld wie über Freunde, Kontakte in Moscheen oder Verteilaktionen, aber auch über das Internet. Typischerweise seien Ju-gendliche in Identitätskrisen anfällig, die über die Zugehörigkeit zu einer Gruppe unreflektiert Argumentations- und Verhaltensmuster übernehmen, ehe sie sich zu islamistischem Gedankengut hinwenden. „In den meisten Fällen ist hier Schluss“, sagte Sari, ein Teil der Jugendlichen allerdings werde anschließend für die Anwendung von Gewalt mobilisiert.
Er gab den Gästen einige Tipps, wie sie Anzeichen für eine Radikalisierung erkennen können. Allerdings sei nicht jeder Indikator für sich aussagekräftig, jeder Einzelfall müsse sorgfältig geprüft werden. Er nannte unter anderem Anzeichen aus dem Bereich der Ver-haltensweisen (etwa Vermeidung des Kontakts zur „Ungläubigen“, Zeigen des „Tauhid“-Fingers, Besuch salafistischer Internetseiten), aber auch Warnzeichen, wenn jemand sich wegen einer angeblichen Auswanderung in ein islamisches Land verabschiedet oder Koran-/Sprachkurse in Krisengebieten besuchen will. Skepsis sei auch angesagt, wenn jemand nur seine eigenen religiös-politischen Ansichten gelten lässt, sich nicht andere Positionen einlässt und andere Religionen herabwürdigt. Der Verfassungsschutz biete unter Telefon 089/31201-480 einen Kontakt, der Hinweise auf Gefährdungen prüft und diese gegeben falls an andere Ansprechpartner weiterleitet, Hinweise sind aber auch per Mail an salafismuspraevention@lfv.bayern.de möglich. Zudem biete man Schulungs- und Sensibilisierungsveranstaltungen an und stelle Informationsmaterial bereit.
Christian Druck von der Organisationseinheit Radikalisierungsprävention des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration stellte das „Bayerische Netzwerk für Prävention und Deradikalisierung gegen Salafismus“ sowie die Salafismusprävention in Bayern vor. Vier Ministerien seien in Bayern involviert, die von einer interministeriellen Arbeitsgruppe koordiniert werden.
Im „Bayerischen Netzwerk für Prävention und Deradikalisierung gegen Salafismus“ arbeite man mit zwei Säulen: Prävention und Deradikalisierung. In beiden Feldern kämen staatliche und zivilgesellschaftliche Akteure zusammen, sagte Druck. Ziel sei es, möglichst flächendeckend Präventions- und Deradikalisierungsangebote anzubieten und die Akteure zu vernetzen. Die Kompetenzen von Jugend- und Sozialarbeit, Bildungsarbeit, religiösen
Organisationen, Politik, Medien und der Sicherheitsbehörden würden hier zusammenge-führt.
Prävention sei wichtig, um Probleme bereits vor ihrem Auftreten zu vermeiden, zeigte sich Druck überzeugt. Speziell im Fall des Salafismus wolle man Jugendliche sensibilisieren und sie dazu bringen, Weltbilder, Ideologien und Feindbilder kritisch zu hinterfragen. Eine große Rolle spiele im Netzwerk die Fachstelle ufuq.de, die sich mit der Prävention von religiös begründetem Extremismus befasst. Deren Experten gäben Pädagogen und Multiplikatoren Hilfestellungen und seien auch für Fortbildungen verfügbar.
Wenn es um die Deradikalisierung geht, sei das Violence Prevention Network ein guter Ansprechpartner, so Druck weiter. Dieses Netzwerk habe die Aufgabe, gefährdete junge Menschen im Umfeld des extremistischen Salafismus vor Ort anzusprechen und Ausstiegsprozesse aus einem Radikalisierungsprozess zu initiieren. Wenn das Netzwerk auf gefährdete Menschen angesprochen wird, würden zwar die Daten des Gemeldeten er-fasst, aber zunächst nicht an die Polizei weitergegeben, sagte Druck, erst bei Verdacht einer Gefahr für die Sicherheit. Die Fachleute im Netzwerk versuchten dann, eine Beziehung zu Betroffenen aufzubauen, um Deradikalisierungsprozesse zu ermöglichen. Das Netzwerk berate aber auch betroffene Angehörige.
Weitergehende Informationen finden Interessierte unter der Internetadresse www.antworten-auf-salafismus.de/, wo mehrere Broschüren zum Herunterladen bereitstehen. Unter www.ufuq.de gibt es Informationen zur Pädagogik zwischen Islam, Islamfeindlichkeit und Islamismus, unter www.beratungsstelle-bayern.de/ findet man Wissenswertes über das Problemfeld Radikalisierung. Wie man Anzeichen für eine Radikalisierung erkennen kann, erklärt der Verfassungsschutz in einer Broschüre, die unter www.verfassungsschutz.bayern.de/islamismus zum Herunterladen bereit steht.
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