„Barmherzig wie der Vater“
Vom 8. Dezember 2015 bis zum 20. November 2016 dauert das außerordentliche „Heilige Jahr der Barmherzigkeit“, das Papst Franziskus ausgerufen hat.
Rückblende: Vor mehr als 2000 Jahren war ein junges Paar, das sein erstes Kind erwartete, auf der Reise von Nazareth nach Bethlehem. Da noch keine Fahrräder und schon gar keine Autos erfunden waren, ging die beschwerliche Reise von über 100 Kilometern Länge über Berg und Tal zu Fuß. Kein Zuckerschlecken für eine hochschwangere Frau! Einziges Transportmittel: ein betagter Esel. Maria und Josef, so hießen die beiden, sehnten sich nach dem langen Weg nach Ruhe, einem Bett und einem Dach über dem Kopf. Es waren wohl barmherzige Menschen, die ihnen lediglich einen Viehstall zuweisen konnten, da bereits alle Herbergen der kleinen Stadt in Judäa mit anderen Reisenden überfüllt waren.
Barmherzigkeit – ein Thema unserer Zeit?
In unserer modernen Zeit ist das Thema Herbergssuche aktuell. Flüchtlinge aus den verschiedensten Teilen der Welt suchen bei uns eine neue Heimat. Sie erhoffen sich vor allem die Barmherzigkeit der Menschen, denen sie begegnen. „Barmherzigkeit, was ist das eigentlich? Wozu braucht man Barmherzigkeit? Ist Barmherzigkeit überhaupt noch zeitgemäß?“ Diese und andere Fragen tauchen in diesem Zusammenhang auf.
Papst Franziskus ruft Heiliges Jahr dazu aus
Papst Fanziskus hat am gestrigen Dienstag, den 8. Dezember, das außerordentliche „Heilige Jahr der Barmherzigkeit“ ausgerufen, das sich in besonderer Weise mit der Barmherzigkeit beschäftigen wird. Es dauert bis zum 20. November 2016. Barmherzigkeit ist ein Thema, das dem Papst besonders am Herzen liegt. So ist es ihm ein wichtiges Anliegen, die Barmherzigkeit wieder neu in das Bewusstsein der Gläubigen zu rücken. „Es gibt Augenblicke, in denen wir aufgerufen sind, in ganz besonderer Weise den Blick auf die Barmherzigkeit zu richten.“ So schreibt es Franziskus in der Ankündigungsbulle zum Heiligen Jahr.
Ein Herz für den Nächsten haben
Es ist kein Zufall, dass Papst Franziskus dieses Jahr ausgerufen hat, denn am gestrigen Dienstag jährte sich der Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils zum 50. Mal. Bereits im letzten Jahr hat der Papst ein außerordentliches Heiliges Jahr angekündigt. Die Tradition des Heiligen Jahres als „Jubeljahr“ geht auf eine hebräische Tradition zurück und wurde alle 50 Jahre begangen. Es sollte die Gleichheit zwischen allen Söhnen und Töchtern Israels wiederherstellen.
Eröffnung im Bistum Würzburg am dritten Advent
Auch im Bistum Würzburg wird das Heilige Jahr der Barmherzigkeit feierlich eröffnet. Dies geschieht am dritten Advent, wo Bischof Friedhelm Hofmann am 13. Dezember um 18.30 Uhr einen Pontifikalgottesdienst im Kiliansdom feiern wird. Nach der sich anschließenden Prozession in die Franziskanerkirche wird dort die Würzburger „Pforte der Barmherzigkeit“ geöffnet. Und auch in unserer Nähe, in der Aschaffenburger Kapuzinerkirche, wird eine „Pforte der Barmherzigkeit“ geöffnet. Dies übernimmt Weihbischof Ulrich Boom bei einer Vesper ebenfalls am 13. Dezember um 16 Uhr.
Weihbischof Boom Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz
Weihbischof Ulrich Boom, der frühere Miltenberger Stadtpfarrer, ist übrigens vom Ständigen Rat der Deutschen Bischofskonferenz zum Beauftragten für das außerordentliche Heilige Jahr der Barmherzigkeit berufen worden. Damit übernimmt er die Koordination der bundesweiten Aktivitäten der katholischen Kirche in Deutschland zum Heiligen Jahr. Für Weihbischof Boom ist die Tatsache, dass die Eröffnung des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit und der 50. Jahrestag des Abschlusses des Zweiten Vatikanischen Konzils zusammenfallen, von besonderer Bedeutung. „Am Ende des Konzils galt es, den Geist, die Theologie und die Beschlüsse der Versammlung in die Gemeinden zu bringen. Vielfältig ist das gelungen, manche Gabe des Konzils ist und bleibt Aufgabe. Es gilt, nicht ein Ende zu feiern, sondern Türen in die vor uns liegende Zukunft zu öffnen“, erläutert er.
Impulse für die Sakramente
Laut Weihbischof Ulrich Boom ist die Botschaft des Evangeliums, „dass der Mensch von Gott geliebt und angenommen ist mit seinem Versagen, seinem Scheitern, seiner Schuld. Ich erhoffe mit vom Heiligen Jahr, dass in der Kirche in Deutschland und in den Gemeinden noch mehr sichtbar wird, wovon wir so oft reden: Das Antlitz der Barmherzigkeit erfahren, Christus sehen, die Liebe Gottes erfahren. Ich erwarte mir Impulse für die Sakramente der Vergebung und der Stärkung. Gott ist uns nahe vom Anfang bis zum Ende unseres Lebens. Nicht von ungefähr werden die Sakramente oft an Lebenswenden gefeiert. Sie sind nicht Belohnung für gutes Verhalten, sondern Geschenk, damit das Leben gelingt.“
Pforten der Barmherzigkeit
Sinnbildlich für die Sakramente der Vergebung und der Stärkung stehen die Pforten der Barmherzigkeit, die in der Diözese Würzburg wie bereits erwähnt in der Franziskanerkirche in Würzburg, in der Aschaffenburger Kapuzinerkirche und in der Wallfahrtskirche auf dem Kreuzberg in der Rhön – dort allerdings erst mit Beginn der Wallfahrtssaison am 3. Mai 2016 – geöffnet werden.
Sozial-caritativer Aspekt
Was heißt das alles konkret? Darüber gibt das Evangelium des Evangelisten Matthäus Aufschluss. In der entsprechenden Stelle (Matthäus 25, 31 – 46) wird der sozial-caritative Aspekt hervorgehoben. Es geht darum, Hungrige zu speisen, Durstigen zu Trinken zu geben, Nackte zu bekleiden, Fremde aufzunehmen, Kranke und Gefangene zu besuchen. Auf diese Taten der Barmherzigkeit weisen die deutschen Bischöfe in einem Brief an die Pfarreien hin und bitten darum, dies im Heiligen Jahr der Barmherzigkeit besonders in den Fokus zu stellen.
Menschen Barmherzigkeit erweisen
Denn außer den Flüchtlingen, die sich bei uns in Deutschland eine bessere Zukunft erhoffen, gibt es in unserem Land viele Menschen, die am Rand der Gesellschaft leben und auf die Barmherzigkeit ihrer Mitmenschen angewiesen sind: Kranke Menschen, die Zuspruch benötigen, ältere Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind, arme Menschen, die nicht das Nötigste zum Leben haben oder Alleinstehende, denen Gesellschaft fehlt. Es gibt viele Gelegenheiten, wo wir als Menschen Barmherzigkeit zeigen können.
Herz für Menschen in Not öffnen
Was bedeutet nun eigentlich Barmherzigkeit? Aus dem Lateinischen „Misericordia“ ist Barmherzigkeit eine Eigenschaft des menschlichen Charakters. Eine barmherzige Person öffnet ihr Herz einem Fremden, der in Not ist, und nimmt sich seiner an. „Wenn wir das Thema Barmherzigkeit biblisch angehen, dann sollten wir uns ansehen, wie Jesus im Neuen Testament mit den Menschen umgegangen ist“, führt Bernd Winter, der neue Pfarrvikar der Pfarreiengemeinschaft St. Martin Miltenberg-Bürgstadt, dazu aus. „Es bedeutet demnach, auf Menschen zugehen. Papst Franziskus betont, wie wichtig es ist, gleichsam an die Ränder zu gehen und meint damit die Randbereiche unserer Gesellschaft. Haben wir ein Herz für andere?“
Geprächsabend zum Thema Barmherzigkeit
Die Pfarreiengemeinschaft St. Martin Miltenberg-Bürgstadt hat sich zum Heiligen Jahr der Barmherzigkeit einiges vorgenommen. Dr. Hermann Steinert, der Miltenberger Pfarrer, hat in seiner Themenreihe „Fragen kommen auf den Tisch“ am Mittwoch, den 13. Januar 2016 um 20 Uhr einen Gesprächsabend zum Thema „Das Heilige Jahr der Barmherzigkeit“ im Pfarrsaal in Bürgstadt anberaumt. „Weitere Veranstaltungen und Aktionen sind in Verbindung mit dem Caritasverband Miltenberg geplant“, erklärt Bernd Winter. „Diese müssen jedoch noch konkretisiert werden. Auf jeden Fall sollen sie Impulse für das Jahresmotto ´Barmherzig wie der Vater´ geben.“ Und auch für die Jugend wird Barmherzigkeit ein Thema sein betont Bernd Winter, der zugleich auch Regionaljugendseelsorger ist. „Doch spruchreif ist noch nichts.“
Sonntag der göttlichen Barmherzigkeit
In Großwallstadt wird bereits seit einigen Jahren der Sonntag der göttlichen Barmherzigkeit, der immer auf den Sonntag nach Ostern – also den Weißen Sonntag – fällt, besonders gefeiert. „Für unsere Gemeinde ist dieser Sonntag sehr wichtig“, erklärt Pfarrer Ernst Haas von der Pfarreiengemeinschaft Großwallstadt-Niedernberg. „Wir feiern am Vormittag einen Gottesdienst zum Thema Barmherzigkeit und am Nachmittag eine Festandacht. Vor dem Gottesdienst gibt es die Möglichkeit, das Bußsakrament zu empfangen. Am Altar ist an diesem Tag ein großes Bild des barmherzigen Jesus aufgestellt, das unter dem Jahr in der Bruder-Konrad-Kapelle angebracht ist. Sicherlich wird das Thema Barmherzigkeit gerade im Heiligen Jahr auch Thema unserer Pfarreiengemeinschaft Großwallstadt-Niedernberg sein. Doch Einzelheiten dazu gibt es noch nicht.“
Barmherzigkeit Gottes erfahren
Für Pfarrer Ernst Haas ist indes klar, dass das Bußsakrament dabei eine große Rolle spielt. „Es ist mir wichtig, den Wert dieses Sakramentes den Menschen wieder zu verdeutlichen und ins Bewusstsein zu bringen. Das Bußsakrament bzw. die Beichte ist das Sakrament der Versöhnung. Hier wird die Barmherzigkeit Gottes besonders deutlich. Wenn man zur Beichte oder zum Beichtgespräch geht, erlebt man die Liebe Gottes zu uns Menschen.“
Barmherzigkeit wird auch das Thema unserer diesjährigen Weihnachtsausgabe sein. Wie denken Sie über Barmherzigkeit? Ist Ihnen selbst schon einmal Barmherzigkeit in irgendeiner Form begegnet? Schreiben Sie uns dazu auf www.meine-news.de. Wir freuen uns über Ihre Beiträge!
Pfarrer Ernst Haas, Pfarreiengemeinschaft Großwallstadt-Niedernberg: „Die Beichte oder das Beichtgespräch dienen dazu, einen Weg zu weisen und für sich selbst zu erkennen, was man falsch gemacht hat und was man künftig besser machen kann. Voraussetzung dafür ist die Bereitschaft zur Umkehr. In der Beichte geht es darum, Vertrauen wiederzugewinnen, indem man belastende Dinge zum Gespräch macht. Der Beichtvater kann Möglichkeiten aufzeigen, um aus Fehlern herauszukommen. Es ist in keinem Fall eine Verurteilung. Ich habe schon des Öfteren erlebt, wie positiv ein Beichtgespräch für den Betreffenden sein kann. Übrigens: Beichtgespräche müssen nicht zwangsläufig im Beichtstuhl stattfinden.“
Pfarrvikar Bernd Winter, Pfarreiengemeinschaft St. Martin Miltenberg-Bürgstadt: „Es gibt immer wieder Dinge, die bei uns Menschen aus unseren Gedanken fallen. Dazu gehören Arme oder ältere Menschen, die wir nicht immer so wahrnehmen. Papst Franziskus möchte mit dem Heiligen Jahr der Barmherzigkeit erreichen, dass wir unseren Blick darauf richten. Und zwar ganz besonders dort, wo wir leben: in unseren Gemeinden und in unseren Pfarreien. Wir sollten uns fragen, wie wir mit den entsprechenden Menschen oder Situationen umgehen und ob wir barmherzig sind wie Jesus es war.“
Autor:Andrea Kaller-Fichtmüller aus Miltenberg |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.