Beitrag 18 zur Serie "Kirchenjubiläen Miltenberg"
Alles Ökumene, oder was?
Auf 500 Jahre christliche Geschichte in Miltenberg haben wir in der Artikelserie zurückgeblickt. Es gab dramatische Ereignisse, ruhige Zeiten, die von Eindeutigkeit geprägt waren, neue Aufbrüche, Ablehnung und Annäherung der Konfessionen.
Im Jahr 2022 gibt es nicht nur eine evangelisch-lutherische, eine römisch-katholische und eine evangelisch-freikirchliche Gemeinde in Miltenberg, die drei haben sich auch in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen zusammengeschlossen.
Ich höre immer wieder: „Die Kirchen sind doch im Grunde gleich.“ Das sehe ich anders. Es gibt deutliche Unterschiede zwischen den drei Gemeinden. Von der Leitungsstruktur über die Art, Gottesdienst zu feiern bis zu theologischen Schwerpunkten.
Die Wahrheit, auch die christliche Wahrheit, ist größer, als eine Gruppe sie erfassen könnte. Das zeigt schon das Nebeneinander von vier Evangelien und weiteren theologischen Entwürfen im Neuen Testament. Sie bilden die Situation verschiedener Gemeinden ab. Das kann, ja das soll heute auch so sein. Nur haben wir – zumindest in Miltenberg – gelernt, dass diese Unterschiede uns nicht trennen müssen, sondern bereichern können.
Es ist kein Problem mehr, dass es verschiedene Konfessionen in der Stadt gibt. Bis zu diesem Punkt war es ein Weg mit viel auf und ab. Vor 125 Jahren haben die katholischen Handwerksmeister selbstverständlich an der evangelischen Kirche mitgebaut. Gleichzeitig wurde eine evangelische Schule gegründet, und diese Trennung blieb bis 1969 bestehen.
Als 1954 beide Kirchen neue Glocken anschaffen wollten, wurden diese klanglich aufeinander abgestimmt. Die Initiative dazu kam freilich vom Bürgermeister.
Nur wenige kämen heute noch auf die Idee, in den anderen Ketzer zu sehen. Wir feiern gemeinsam Gottesdienst, kommen zum ökumenischen Gemeindefest zusammen, die Geistlichen reden miteinander. Im Kern möchte ich sagen, wir sind gemeinsam auf der Suche nach der biblischen Wahrheit, wie es die ökumenische Bibelwoche oder die Trialogpredigt am Neujahrstag zeigen.
Wünschen würde ich mir nicht, dass wir eines Tages „nur noch“ eine Konfession hier hätten (auch nicht nur die lutherische!). Ich möchte weder unsere Gesangbücher durch Lobpreislieder ersetzen noch Wallfahrten einführen.
Was ich mir wünsche ist, dass uns die Unterschiede weniger trennen würden. Dass wir Lutheraner uns von der Begeisterungsfähigkeit der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde und von der Liebe zur Eucharistie von der katholischen Gemeinde anstecken lassen. Und dass wir in nicht allzu ferner Zukunft einen ökumenischen Gottesdienst mit Abendmahl feiern können.
Pfarrer Lutz Domröse
Autor:Cornelius Faust aus Miltenberg |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.