Fairtrade-Initiativen vernetzen sich
In der Sporthalle des Schullandheims in Hobbach haben sich am Samstag, 12. Oktober, zahlreiche Aktive getroffen, die sich dem Fairtrade-Handel verschrieben haben. Das Treffen hatte zum Ziel, alle Handelnden zu vernetzen, gegenseitig voneinander zu lernen und Anregungen zu sammeln, welche Aktivitäten noch möglich sind. Ein Referat zur Halbzeitbilanz der Agenda 2030 rundete die Veranstaltung ab.
Nicht nur Aktive aus dem Landkreis Miltenberg waren gekommen, auch Gäste aus der Stadt Pfungstadt (Hessen), dem Landkreis Rhön-Grabfeld und sogar aus dem District Njombe (unter anderem mit Father Clement Mgohele), mit dem der Landkreis Miltenberg eine Klimapartnerschaft unterhält. Zudem stieß eine Delegation aus Oshikuku (Namibia) dazu, die mit der Stadt Pfungstadt eine Klimapartnerschaft eingegangen ist.
Dass ein solches Treffen im Landkreis Miltenberg stattfindet, kommt nicht von ungefähr, denn der Landkreis ist seit acht Jahren Fairtrade-Landkreis. Mit dem Projekt, das den Gedanken des fairen Handels erfolgreich regional umsetzt, trägt man laut Landrat Jens Marco Scherf der Tatsache Rechnung, dass „global verantwortungsvolles Handeln und regional verantwortungsvolles Handeln zwei Seiten ein und derselben Medaille sind.“ Der Fairtrade-Landkreis Miltenberg gebe dem großen persönlichen Engagement vieler Menschen vor Ort auch einen politischen Rahmen, sagte der Landrat bei der Begrüßung der Gäste. Für Scherf ist klar: „Engagement von Menschen vor Ort ist notwendig, um Schritt für Schritt globale Herausforderungen zu lösen.“ Er freute sich, dass Vertreter der Steuerungsgruppen der sieben Fairtrade-Towns des Landkreises da waren, aber auch die Steuerungsgruppen der vier Fairtrade-Schools und der Fairen Kitas/Eine-Welt-Kitas. Gemeinsam wolle man sich mit den Nachhaltigkeitszielen auseinandersetzen und schauen, wie sie im Alltag umgesetzt werden können.
In seinem Grußwort verwies Eschaus Bürgermeister Gerhard Rüth, auch Kreisvorsitzender des Bayerischen Gemeindetags, auf den globalen Handel, der in den vergangenen Jahren stark gewachsen sei. Es werde dabei immer selbstverständlicher, sich Gedanken darüber zu machen, wie internationale Produkte hergestellt werden, sagte er und stellte klar: „Mit jeder Kaufentscheidung nehmen wir Einfluss auf die Bedingungen, unter denen Konsumgüter hergestellt werden.“ Günstige Preise für Kaffee oder Kakao „zahlen nicht wir, sondern die Menschen auf der Produktionsseite.“ Ziel sei es, dass alle Menschen durch ihre Arbeit einen angemessenen und würdigen Lebensunterhalt erreichen können, formulierte er und stellte klar: Dabei gehe es nicht um Wohltätigkeit, sondern um eine Partnerschaft für Veränderung und Entwicklung durch Handel. Auch das Schullandheim Hobbach leiste dazu einen Beitrag, lobte er die Bemühungen der Einrichtung, die in diesem Jahr ihr 40-jähriges Bestehen feiert. Das Heim sei quasi ein „Hotspot der Nachhaltigkeit“, stellte er fest.
Diese Anstrengungen würdigte auch Landrat Jens Marco Scherf, als er gemeinsam mit Rüth das Siegel „Fair und regional“ an den Geschäftsführer des Schullandheims, Markus Seibel, überreichte. Seibel zufolge werde im Schullandheim nicht nur Umweltbildung großgeschrieben, man arbeite auch daran, im Alltag regional und nachhaltig zu arbeiten. So wolle man künftig verstärkt auf regenerative Energien setzen, kündigte er an. „Da, wo es geht, leisten wir unseren Beitrag“, verwies er aber auch auf wirtschaftliche Aspekte, die es zu beachten gelte.
Eine nicht allzu rosige Einschätzung zur Halbzeitbilanz der Agenda 2030 gab Jens Martens, Executive Director des Global Policy Forum Europe und Verfasser der Publikation „Halbzeitbilanz der Agenda 2030“. Mit Beispielen zu den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen zeigte er, dass noch sehr viel zu tun ist – etwa in Bezug auf die weltweite Armut, den CO2-Ausstoß, die Artenvielfalt und einiges mehr. In Zahlen: Nur 17 Prozent der insgesamt 169 Unterziele der 17 Kriterien für nachhaltige Entwicklung (Englisch: SDG, Sustainable Development Goals) lägen im Plan. „Die Lage ist leider ziemlich düster“, bilanzierte Martens, „in der zweiten Halbzeit müssen wir umso mehr arbeiten.“
Bezogen auf Deutschland, lägen von den Indikatoren 30 im Plan, bei 29 sei man zu langsam und sieben gingen in die falsche Richtung – etwa beim CO2-Ausstoß, bei dem man auch die Werte aus den Ländern einbeziehen müsse, in denen die Produkte hergestellt werden. Gut sei, dass die Windkraft mittlerweile Energieträger Nummer 1 sei, aber direkt danach kämen gleich Braunkohle, Erdgas und Steinkohle. Die Zahl der Sozialwohnungen sei seit 2006 um 50 Prozent gesunken, stellte er fest, auch der Wasserfußabdruck sei zu hoch. „Wir leben weiterhin auf zu großem Fuß“, kritisierte er. Die Bundesregierung habe unter dem Radar schon ziemlich viel gemacht, lobte er, auch auf Länderebene gebe es viele Aktionen. Die Kommunen entwickelten ebenfalls zunehmend Nachhaltigkeitsstrategien. Mut mache ihm, dass es trotz der vielen globalen Krisen eine ganze Kette von Weltkonferenzen gibt wie jüngst den UN Summit Of The Future. Auch kleine Orte seien aktiv, verwies er auf die Eltviller Erklärung mit Forderungen zur nachhaltigen Entwicklung im ländlichen Raum.
Martens gab den Aktiven Möglichkeiten an die Hand, wie es vorangehen kann: Nachhaltigkeitsziele bekannter machen, kommunale Nachhaltigkeitsbündnisse schmieden, die Musterresolution zur Agenda 2030 unterschreiben, integrierte kommunale Nachhaltigkeitsstrategien entwickeln, Nachhaltigkeitsziele in kommunalen Haushalten verankern und einige mehr. Dass die Finanzierung solcher Strategien über Kommunalhaushalte sehr schwer ist angesichts klammer Kassen, wurde in der anschließenden Diskussion deutlich. Sich auf wenige, wichtige Themen konzentrieren und das weiterentwickeln, an dem man schon arbeitet, lautete der Ratschlag des Experten. Ein Tipp war, sich an Engagement Global zu wenden, eine gemeinnützige GmbH, die als zentrale Anlaufstelle das entwicklungspolitische Engagement unterstützt und Fördermittel bereithält.
Beim „Markt der Möglichkeiten“ nutzten am Nachmittag alle Gäste die Möglichkeit, sich an den Infoständen der Initiativen zu informieren und sich auszutauschen. Manuela Michel, Sprecherin der Steuerungsgruppe Fairtrade-Landkreis Rhön-Grabfeld, informierte über die Arbeit in ihrem Landkreis. Und sogar Pfungstadts Bürgermeister Patrick Koch kam nach Hobbach, um über Fairtrade-Themen in seiner Stadt zu sprechen.
Damit auch die Gäste aus Afrika informiert waren, übersetzte Gabriele Lindner-Partholl die Wortbeiträge ins Englische. Die Moderation des Tages übernahm Jürgen Jung, Sprecher der Kommunen im Fairtrade-Landkreis Miltenberg.
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