Zulassungsausschuss lehnt vollen Kinderarztsitz ab - Entscheidung für die Gesundheitsregion plus nicht nachvollziehbar
Kreis Miltenberg. Der Zulassungsausschuss Ärzte Unterfranken, in dem Ärzteschaft und Krankenkassen paritätisch vertreten sind, hat den Antrag des Kinderarztes Dr. Adam Fersch aus Elsenfeld auf Aufstockung seines halben auf einen vollen Kinderarztsitz aufgrund einer negativen Stellungnahme der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns abgelehnt. Dies gab Dr. Fersch, der seit Mai 2016 mit einem halben Kinderarztsitz in Elsenfeld eine Praxis betreibt, am vergangenen Mittwoch beim 7. Treffen der Arbeitsgruppe Gesundheitsversorgung der Gesundheitsregion plus bekannt. Besonders irritieren würde ihn, dass zwei Kinderarztpraxen im Landkreis der Kassenärztlichen Vereinigung noch freie Kapazitäten für weitere Aufnahmen zurückgemeldet hätten. Dies entspräche aber nicht der Realität, da er viele Anrufe von Eltern erhalten würde, die zuvor von diesen Praxen abgewiesen worden seien.
Im Landkreis Miltenberg gab es in der Vergangenheit bis zu acht Kinderärzte. Nachdem diese wegen Wegzugs auf sechs abgesunken waren, waren die übriggebliebenen Kinderärzte im Landkreis nicht mehr Lage, diesen Schwund zu kompensieren. Eltern wurden von den Praxen abgewiesen und es kam zu massiven Klagen der Eltern auch gegenüber der Politik. Die Gesundheitsregion plus hat sich deshalb sofort nach ihrem Start im Mai 2015 dieses Themas angenommen und im Bereich der Gesundheitsversorgung die Schaffung eines weiteren vollen Kinderarztsitzes als Handlungsfeld Nummer 1 priorisiert. Wiederbesetzt wurde von der Kassenärztlichen Vereinigung bislang allerdings nur ein halber.
Bürgermeister Matthias Luxem aus Elsenfeld, der Dr. Fersch zum Zulassungsausschuss nach Würzburg begleitet hatte, erklärte beim Arbeitsgruppentreffen, dass er so etwas während seiner gesamten kommunalpolitischen Tätigkeit bisher noch nicht erlebt habe. Die Sitzung dort sei sehr frustrierend gewesen. Die Entscheidung hätte schon vorher festgestanden und es habe jedweder Ansatz für irgendeine wie auch immer geartete pragmatische Lösung gefehlt.
Der Miltenberger Kinderarzt Carl Ulrich Schmid zeigte sich ebenfalls hoch überrascht von den Angaben seiner Kollegen, noch freie Kapazitäten zu haben. Alle Kinderarztpraxen im Landkreis würden bereits am Limit arbeiten, so dass faktisch ein landkreisweiter Aufnahmestopp herrsche. Die Kassenärztliche Vereinigung dürfe ihren Versorgungsauftrag nicht mehr nur formalistisch erfüllen. Hierfür stünden auch die Krankenkassen in der Verantwortung.
Landrat Jens Marco Scherf betonte, dass für die Familien im Landkreis die derzeitige kinderärztliche Versorgung weiterhin vollkommen unzureichend und damit unerträglich und unzumutbar sei.
Adam Hofstätter von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns räumte ein, dass es bei der kinderärztlichen Versorgung durchaus Probleme gebe, und zwar deutschlandweit. Zum einen stammten die Arzt-Patienten-Verhältniszahlen noch aus der Mitte der 1990er Jahren. Zum anderen habe es innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte eine erheblich veränderte Inanspruchnahme bei den Kinderärzten gegeben, durch welche es zu 20 % höheren Bedarfen an kinderärztlichen Leistungen gekommen sei. Aufgrund der bestehenden Rechtslage habe aber die Kassenärztliche Vereinigung nur eine negative Stellungnahme abgeben können. Die Kassenärztliche Vereinigung sei an die alten Verhältniszahlen gebunden. Wenn Eltern von Kinderarztpraxen abgelehnt würden und keinen Termin bekämen, so könnten sie sich an die Terminservicestelle der Kassenärztlichen Vereinigung zur Vermittlung von Facharztterminen wenden (siehe fett gedruckter Text am Ende). Dort würde man ihnen weiterhelfen. Außerdem sei dies eine Möglichkeit, dass der Versorgungsproblematik seitens der Kassenärztlichen Vereinigung effektiv nachgegangen werden könne.
Landrat Scherf resümierte, dass es eine deutliche Diskrepanz zwischen dem praktischen Erleben der Familien von völlig überlasteten Kinderarztpraxen und der Feststellung der Kassenärztlichen Vereinigung von freien Kapazitäten im Landkreis Miltenberg gebe. Die Entscheidung der Kassenärztlichen Vereinigung und des Zulassungsausschusses sei deshalb nicht nachvollziehbar. Die Gesundheitsregion plus werde sich damit nicht zufrieden geben und deshalb weiterhin für einen vollen Kinderarztsitz kämpfen.
Weiteres Thema war die neue Bereitschaftspraxis an der HELIOS Klinik in Erlenbach. Mitte Mai ist die von der Maindoc GmbH & Co.KG betriebene Bereitschaftspraxis vom dortigen MVZ in neue, größere und eigene Räume der ehemaligen Dialysestation umgezogen.
Dr. Bernhard Decke, Aufsichtsratsvorsitzender der Maindoc GmbH & Co.KG und Allgemeinmediziner in Erlenbach, berichtete, dass die Praxis soweit gut angelaufen sei. Dennoch sei die Praxis vor allem im südlichen Landkreis noch nicht ausreichend bekannt. Deshalb wies er nochmals auf ihre Öffnungszeiten hin: Mittwoch und Freitag von 17.00 bis 19.00 Uhr; Samstag, Sonntag und Feiertag von 09.00 bis 13.00 und von 15.00 bis 19.00 Uhr. Außerhalb der Öffnungszeiten sowie bei Bettlägerigkeit stehe die kostenfreie bundesweite Bereitschaftsdienstnummer 116 117 zur Verfügung. In lebensbedrohlichen Notfällen sei immer sofort der Notarzt / Rettungsdienst unter der Notrufnummer 112 zu rufen.
Danach stellte er noch weitere Details zur Maindoc GmbH & Co.KG vor. Gesellschafter sind Allgemein- und Fachärzte, die sich bereits vor über 10 Jahren zum Ziel gesetzt haben, ihre Kompetenzen zu bündeln und gemeinsam die medizinische Versorgung am Untermain zu sichern und zu verbessern. Dabei handelt es sich auch um Interessen und Ziele, welche von der Gesundheitsregion plus verfolgt werden.
Sehr erfreulich und interessant in diesem Zusammenhang ist auch ein geplantes Pilotprojekt der Maindoc GmbH & Co.KG zur elektronischen Vernetzung zwischen Ärzten und Ärzten sowie Ärzten und anderen Einrichtungen und Dienstleistern im Gesundheitsbereich, welches vom Maindoc-Mitgesellschafter und Miltenberger HNO-Arzt Dr. Armin Steck vorgestellt worden ist.
Erreichbarkeit der Terminservicestelle der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns zur Vermittlung von Facharztterminen:
• Montag, Dienstag und Donnerstag von 8.00 bis 17.00 Uhr
• Mittwoch und Freitag von 8.00 bis 13.00 Uhr
unter Telefon (Festnetz): 09 21 / 78 77 65 – 5 50 20
Gehörlosenfax: 09 21 / 78 77 65 – 5 50 21
Schriftliche Anfragen per Fax werden von der Terminservicestelle ausschließlich für gehörlose Patienten beantwortet.
Weitere Informationen über die Gesundheitsregion plus Miltenberg und ihre Aktivitäten unter: http://www.gesundheitsregion-plus-miltenberg.de
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