Nachbericht Lesertelefon 29. September 2022
Mit dem Cholesterin steigt das Herzinfarkt-Risiko

Foto: Sprechzeit / ClipDealer
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Expertinnen und Experten informierten am Weltherztag 2022 – Lesertelefon vom 29. September 2022 – Weltherztag 2022 – Herzinfarkt – Ursachen, Risiken, Prävention – Lesertelefonaktion am 29. September 2022

Jedes Jahr erleiden hierzulande über 300.000 Menschen einen Herzinfarkt , bei rund sechs Millionen Deutschen ist das Risiko dafür aufgrund einer koronaren Herzkrankheit (KHK) bereits erhöht . Die Ursache ist in vielen Fällen die Verengung der Herzkranzgefäße aufgrund von Ablagerungen, die auf erhöhte Blutfettwerte zurückgehen. Eine solche Arteriosklerose wiederum kann die Folge eines Lebensstils sein, der dauerhaft hohe Cholesterinwerte begünstigt – oder auf eine vererbte Neigung zu hohen Blutfettwerten zurückgehen. Anlässlich des diesjährigen Weltherztags am 29. September beantworteten Expert:innen Fragen rund um das Thema Herzinfarkt und Arteriosklerose in der Sprechzeit. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum Nachlesen:

Gibt es frühe Anzeichen dafür, dass meine Herzgesundheit gefährdet ist?

Prof. Volker J.J. Schettler: Oftmals ist ein kardiovaskuläres Ereignis wie ein Herzinfarkt das erste spürbare Symptom einer Herzerkrankung. Der Grund: Bluthochdruck und zu hohe Blutfettwerte, die häufigsten Ursachen für einen Herzinfarkt, schreiten über Jahre langsam fort und verursachen keine Schmerzen, die als Warnsignal dienen können. Allerdings gibt es Hinweise auf ein erhöhtes Herzinfarkt-Risiko, zum Beispiel eine fett- und kalorienreiche Ernährung, Übergewicht, Bewegungsmangel und Nikotinkonsum – allesamt Faktoren die sich beeinflussen lassen. Nicht beeinflussen lassen sich Lebensalter, Geschlecht und genetische Risikofaktoren, zum Beispiel wenn es eine familiäre Häufung von Herzinfarkten oder Schlaganfällen gibt. Dennoch lässt sich auch bei diesen Faktoren wirksam gegensteuern.

Wie erkenne ich rechtzeitig, dass jemand einen Infarkt hat?

Prof. Stephan Holmer: Ein Herzinfarkt zeigt sich meist durch starke und anhaltende Schmerzen in der Brust, die als Druck, Brennen oder Stechen wahrgenommen werden. Manchmal treten sie auch zwischen den Schulterblättern oder am Unterkiefer auf und können in Arme, Rücken oder Oberbauch ausstrahlen. Zudem sind häufig Angstschweiß sowie kalte und fahle Haut zu beobachten. Bisweilen kündigt sich ein Herzinfarkt auch durch sich steigernde, kurze Schmerzepisoden oder Beschwerden bei Belastung an. Für danebenstehende Personen oder Angehörige ist ein Infarkt dennoch kaum eindeutig zu erkennen. Deshalb sollten solche Schmerzäußerungen immer sehr ernst genommen und bei anhaltenden Beschwerden der Notruf 112 gewählt werden. Bei plötzlicher Bewusstlosigkeit muss immer von einem Herzinfarkt ausgegangen werden. In diesem Fall ebenfalls sofort den Notruf aktivieren und mit der Wiederbelebung durch Herz-Druckmassage beginnen! Weitere Informationen dazu finden Sie zum Beispiel bei der Herzstiftung (Infokasten).

Wie unterscheiden sich die Symptome eines Herzinfarkts bei Frauen und Männern?

Dr. Daniel Kretzschmar: Zunächst einmal tritt ein Herzinfarkt bei Frauen häufig in höherem Alter auf als bei Männern. Aber auch die Symptome unterscheiden sich: Der für den Herzinfarkt charakteristische starke Brustschmerz ist bei Frauen oft weniger stark ausgeprägt. Sie beschreiben eher ein Druck- oder Engegefühl in der Brust oder Schmerzen zwischen den Schulterblättern, im Oberbauch oder im Rücken. Anzeichen können aber auch Kurzatmigkeit, Schweißausbrüche, Übelkeit oder eine unerklärliche Müdigkeit sein. Häufig ordnen die betroffenen Frauen ihre Symptome anderen Ursachen als einem Herzinfarkt zu und zögern, den Notruf zu wählen.

Welche Rolle spielen die Blutfettwerte für das Herzinfarktrisiko?

Dr. Katharina Lechner: Erhöhte Blutfettwerte erhöhen bereits bei alleinigem Vorliegen und insbesondere in Kombination mit weiteren Risikofaktoren das Herzinfarktrisiko. Wenn zu viele LDL-Partikel im Blut vorhanden sind, kann sich Cholesterin aus diesen LDL-Partikeln in Gefäßwänden ablagern. Dieser Vorgang der sogenannten Gefäßverkalkung wird durch viele andere Faktoren wie Bluthochdruck, Diabetes, Rauchen und genetische Veranlagung begünstigt. Diabetes und Rauchen sind zudem Faktoren, die eine Entzündung in diesen Gefäßablagerungen begünstigen. Entzündete Gefäßablagerungen platzen oder reißen besonders leicht auf. Die Folge ist die Aktivierung der Blutgerinnung mit Bildung eines Blutgerinnsels und akutem Verschluss des Herzkranzgefäßes. Dies nennen Mediziner Herzinfarkt. Ein solches Ereignis passiert oft aus heiterem Himmel, ganz ohne Vorwarnung. Einer der Gründe dafür sind jahrelang unerkannte beziehungsweise unbehandelte erhöhte LDL-Cholesterinwerte.

Wann und wie häufig sollten die Cholesterinwerte überprüft werden?

Prof. Reinhard Klingel: Seine Blutfettwerte sollte man so früh wie möglich untersuchen lassen, weil hohe Blutfettwerte vererbt werden können. Werden erhöhte Werte bei Eltern oder deren Geschwistern festgestellt, sollten auch bei ihren Kindern die Blutfettwerte gemessen werden. Der Wert des Gesamtcholesterins gibt jedoch nur einen allgemeinen Hinweis, dass etwas mit dem Fettstoffwechsel nicht in Ordnung ist. Deshalb sollte das gesamte Lipidprofil gemessen werden, also separat LDL-Cholesterin, HDL-Cholesterin, Triglyzeride und mindestens einmal im Leben Lipoprotein(a).

Mein älterer Bruder hatte mit 42 Jahren einen Herzinfarkt, obwohl er vorher gesund war. Bin ich auch gefährdet? Was muss ich beachten?

Prof. Volker J.J. Schettler: Es empfiehlt sich zu klären, ob ein erblich bedingtes erhöhtes Risiko für eine Arteriosklerose und damit einen Herzinfarkt vorliegt. Dazu sollte der Wert für Lipoprotein(a) gemessen werden, ein Blutfettwert, der genetisch bedingt ist und sich im Laufe des Lebens nicht nennenswert ändert. Zwar lässt sich ein erhöhtes Lipoprotein(a) zurzeit noch nicht medikamentös, sondern nur durch ein Lipoproteinapherese-Verfahren senken. Aber andere Risikofaktoren für einen Herzinfarkt können bei Ihnen entsprechend konsequent beeinflusst werden. Hier spielen Ernährung, Bewegung, Nikotinverzicht und regelmäßige Kontrollen eine wesentliche Rolle.

Wie lassen sich zu hohe Cholesterinwerte senken – und geht damit auch das Risiko für einen weiteren Herzinfarkt zurück?

Prof. Elisabeth Steinhagen-Thiessen: Ja – und das ist eine sehr gute Nachricht für alle Betroffenen: Durch Medikamente und Anpassungen im Lebensstil lassen sich erhöhte Cholesterinwerte auf individuelle, mit dem behandelnden Arzt vereinbarte Zielwerte senken und damit auch das Herzinfarktrisiko. Wir verfügen heute über hervorragend untersuchte Möglichkeiten, hohe Cholesterinwerte medikamentös zu behandeln. Mit diesen Medikamenten senken wir direkt das Risiko für einen Herzinfarkt. Ebenso wichtig ist jedoch die aktive Mitarbeit der Patient:innen: Mit einem gesünderen Lebensstil tragen sie dazu bei, ihr LDL-Cholesterin zu senken und reduzieren so zusätzlich die Gefahr, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden.

Eine Ernährungsumstellung ist für viele Menschen mühsam – bringt das hinsichtlich der Cholesterinwerte überhaupt etwas?

Prof. Stephan Holmer: Eine bewusste, gesunde Ernährung ist die Basis, um erhöhten LDL-Cholesterinwerten zu begegnen. Besonders Fette aus Fleisch, Milchprodukten und einigen Pflanzen, zum Beispiel Palmöl, begünstigen hohe LDL-Cholesterinwerte. Die Umstellung der Ernährung ist nicht so schwierig wie allgemein angenommen. Ich empfehle, es mit der traditionellen mediterranen Ernährung zu versuchen. Dabei wird tierisches Fett durch Pflanzenfett ersetzt, insbesondere natives Olivenöl, angereichert mit viel Gemüse, Hülsenfrüchten und wenig prozessierten Kohlenhydraten. Oft kann der LDL-Wert damit um 30 bis 50 Prozent gesenkt werden, wenn gleichzeitig andere Maßnahmen wie körperliche Bewegung, Reduktion des Alkoholkonsums und ein konsequenter Rauchstopp ergriffen werden.

Ich habe deutlich erhöhte Cholesterinwerte und fast 30 Kilo Übergewicht. Ich habe Angst, dass Sport mich völlig überlastet...

Dr. Wolfgang Jungmair: Es ist alles eine Frage der richtigen Dosierung. Es geht nicht darum, Leistungssport zu machen, sondern in Bewegung zu kommen. Solange Sie bei sportlichen Aktivitäten Kurzatmigkeit vermeiden, ist eine Überlastung nicht zu erwarten. Es empfehlen sich in erster Linie Ausdaueraktivitäten, bei denen keine Belastungsspitzen auftreten, also zum Beispiel Walking oder gemäßigtes Radfahren. Aber auch im Alltag können Sie Bewegung einbauen: Treppe statt Aufzug, Fahrrad statt Auto - jede Aktivität zählt, um Übergewicht abzubauen. Dafür – und für den Verzicht auf übermäßiges Essen – bekommen Sie Wohlbefinden und Gesundheit geschenkt. Sie senken das Risiko für eine Diabetes-Erkrankung, für Bluthochdruck, für eine Gefäßverkalkung und damit für Herzinfarkt und Schlaganfall.

Zahlt die Krankenkasse die Überprüfung meiner Cholesterinwerte? Und wie oft?

Mathias Zenker: Wer gesetzlich krankenversichert ist, hat ab dem 35. Lebensjahr alle drei Jahre Anspruch auf einen allgemeinen Gesundheits-Check, den Check-up 35. Dieser beinhaltet bei entsprechendem Risikoprofil auch die Erstellung eines Lipidprofils, das die Werte für Gesamtcholesterin, HDL- und LDL-Cholesterin sowie Triglyceride umfasst. Die Bestimmung von Lipoprotein(a) ist eine so genannte IGeL-Leistung, muss also privat bezahlt werden. Allerdings genügt es in der Regel, diesen Wert einmal im Leben bestimmen zu lassen, da er genetisch bedingt ist und kaum Veränderungen unterliegt.

Wo können sich Betroffene mit erhöhtem Lipoprotein(a) informieren?

Shoja Deghan: Zum Beispiel bei der LipidHilfe – Lpa, einer Selbsthilfegruppe für Menschen mit dieser angeborenen Lipidstoffwechsel-Störung und ihre Angehörigen. Unter lipidhilfe-lpa.de finden Betroffene einen kostenloser Ratgeber der „Deutschen Gesellschaft für Fettstoffwechsel-Störungen und ihrer Folgeerkrankungen“ zum Herunterladen sowie Adressen von Fachärzt:innen und Expert:innen. In kurzen Videos informieren Fachleute und Betroffene zudem über viele Aspekte des Risikofaktors Lipoprotein(a).

Weitere Informationen unter
www.herzstiftung.de
www.lipide.info
https://lipidhilfe-lpa.de
www.ratgeber-herzinsuffizienz.de
www.gesundheitsinformation.de

Die Expertinnen und Experten in der Sprechzeit waren:
• Shoja Deghan; Selbsthilfegruppe Lipidhilfe-Lpa; Bautzen
• Prof. Dr. med. Stephan Holmer; Facharzt für Innere Medizin, Teilgebiet Kardiologie, Intensivmedizin; Ärztlicher Direktor des Klinikums und Chefarzt Medizinische Klinik II; Klinikum Landshut
• Dr. med. univ. Wolfgang Jungmair; Niedergelassener Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie; Hypertensiologe DHL; Lipidologe DGFF; Bad Homburg
• Prof. Dr. med. Reinhard Klingel; Facharzt für Innere Medizin und Nephrologie; Lipidologe DGFF; apl.-Prof. für Innere Medizin an der Universitätsmedizin Mainz sowie Geschäftsführer und medizinisch-wissenschaftlicher Leiter des Apherese Forschungsinstituts Köln
• Dr. med. Daniel Kretzschmar; Niedergelassener Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Angiologie; Goslar
• Dr. med. Katharina Lechner; Fachärztin für Innere Medizin, Klinik für Herz- und Kreislauferkrankungen; Deutsches Herzzentrum München
• Prof. Dr. med. Volker J.J. Schettler; Niedergelassener Facharzt für Innere Medizin und Nephrologie; Nephrologisches Zentrum Göttingen
• Prof. Dr. med. Elisabeth Steinhagen-Thiessen; Fachärztin für Innere Medizin; Leitung Arbeitsbereich Lipidstoffwechsel der Medizinischen Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin; Charité – Universitätsmedizin Berlin
• Mathias Zenker; Selbsthilfegruppe Lipidhilfe-Lpa; Bautzen

Autor:

meine-news.de Redaktion aus Miltenberg

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